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Titel
The Fateful Alliance. German Conservatives and Nazis in 1933: the Machtergreifung in a New Light


Autor(en)
Beck, Hermann
Erschienen
New York/Oxford 2008: Berghahn Books
Anzahl Seiten
352 S.
Preis
$90.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Mark Haarfeldt, Neuere und Neueste Geschichte, Universität Konstanz

Die „Machtergreifung“ und die Festigung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems nach dem 30. Januar 1933 sind in der Forschung ein viel bearbeitetes und umstrittenes Thema. Im Mittelpunkt stand dabei bislang die Umstrukturierung des Staates und der Gesellschaft. Zentral wurde die Frage diskutiert, welche Mittel die Nationalsozialisten für diesen rasanten Wechsel nutzten. Doch wie beurteilte der Regierungskoalitionär der NSDAP, die Deutschnationale Volkspartei, diese Entwicklung? Welche Reaktionen lösten die Terrorisierung politischer Feinde durch die SA, der beginnende personelle Umbau des Beamtenapparats und die antisemitischen Attacken unter den Mitgliedern der Deutschnationalen Volkspartei aus? Wurde die DNVP Opfer der von den Nazis im März 1933 propagierten „Nationalen Revolution“? Hermann Beck analysiert in seinem zweiten Buch „The Fateful Alliance. German Conservatives and Nazis in 1933: The Machtergreifung in a New Light” das Verhältnis zwischen Konservativen und Nazis während der Zeit der Koalition. Hierfür hat Beck Beschwerdebriefe ausgewertet, die die Parteizentrale und das Büro von Franz von Papen erreichten, sowie ein Vielzahl an lokalen und reichsweiten Zeitungen. Ebenso stützt Beck seine Argumentation auf Sitzungsprotokolle von Stadträten aus dem gesamten Reich.

Beck liefert keine vollständige Analyse des Verhältnisses zwischen DNVP und NSDAP, sondern konzentriert sich auf die theoretischen Unterschiede und politischen Differenzen, die er in sieben Kapiteln präsentiert. Der Aufbau des Buches ist nicht strikt chronologisch, vielmehr setzt Beck thematische Schwerpunkte, die die Spannungen zwischen den Koalitionären verdeutlichen.

Die Bildung einer Regierung aus NSDAP und DNVP wurde im konservativen Lager überwiegend positiv aufgenommen. Die Verfolgung und Diskriminierung politischer Gegner der NSDAP, die im Februar einsetzte, änderte diese Einschätzung nur marginal. Zwar erzeugte insbesondere das brutale und illegale Vorgehen der SA vereinzelte Kritik innerhalb der Partei. Die Mehrheit erachtete die Welle der Gewalt aber als notwendigen Akt zur Bekämpfung von politischen Feinden. Diese Haltung änderte sich auch nicht, als nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 die Verordnung des „Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ erlassen wurde und damit willkürliche Verhaftungen durch die Polizei und die SA legitimiert wurden. Das Hauptziel der Nazis, die „Vernichtung“ des Kommunismus, wurde von der DNVP gleichfalls begrüßt, wenngleich einige Mitglieder die Mittel skeptisch betrachteten.

Den gravierenden Bruch zwischen beiden Koalitionären diagnostiziert Beck nach den Reichstagswahlen vom 5. März 1933. Schon wenige Tage nach der Wahl häuften sich Berichte aus den Reihen der DVNP, die das Auftreten der SA und SS immer offener kritisierten. Hier deutete sich eine nichtüberwindbare Divergenz an. Waren die Konservativen und die Nationalsozialisten gemeinsam davon überzeugt gewesen, dass die Abschaffung der Weimarer Republik notwendig sei, gab es bei der neuen Gestaltung Deutschlands erhebliche Differenzen, die sich mit der Ausrufung der „Nationalen Revolution“ nach den Märzwahlen verschärften. Beck betont, dass die Nationalsozialisten gerade in dieser Phase der Machtkonsolidierung propagandistisch antibürgerliche Ressentiments ausnutzten, um den Charakter des „Neuen“ zu verbreiten. Der Autor weist nach, wie strategisch und zeitlich begrenzt die NSDAP das Bündnis mit der DNVP einging. Mit der „Formung des neuen Menschen“, ein Bild, das von Ernst von Reventlow und Joseph Goebbels schon in der Weimarer Republik geprägt wurde, untermauert Beck den antibürgerlichen Charakter der NS-Ideologie. Dieser Punkt wurde nach dem „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933 von der NS-Propaganda verstärkt eingesetzt. Nach der Ausschaltung des Parlaments begannen die Nationalsozialisten, die DNVP und besonders ihren Vorsitzenden Alfred Hugenberg öffentlich zu diskreditieren.

Nach Beck verdeutlichte dies den endgültigen Unwillen der NSDAP, weiter mit der DNVP zusammenarbeiten zu wollen. So verweist Beck auf die Umstrukturierung des Beamtenapparates, von der auch Konservative betroffen waren. Zugleich kam es zu Angriffen auf Lokalpolitiker der DNVP, die in manchen Fällen zu Verhaftungen oder auch zu Folterungen führten. Parallel zu den permanenten Angriffen weist Beck darauf hin, dass die NSDAP traditionell konservative Öffentlichkeitsformen adaptierte, um damit ihren integrativen Charakter zu demonstrieren. Dies wurde besonders am „Tag von Potsdam“ deutlich, der innerhalb der DNVP eine Diskussion um das öffentliche Profil der Partei auslöste. Die Parteiführung reagierte mit einer weitgehenden Anpassung der Parteistruktur an die der NSDAP. Diese wurde aber sowohl intern als auch öffentlich kritisiert, da die DNVP vermeintlich nicht mehr „authentisch“ wirkte. Durch diese angedeutete Doppelstrategie der Nationalsozialisten und dem weiteren Festhalten an der umstrittenen Person ihres Vorsitzenden verschlechterte sich die politische Lage der DNVP zusehends. Der Rücktritt Alfred Hugenbergs am 26. Juni 1933 war nach Beck nur das auslösende Moment für die Selbstauflösung der Partei einen Tag später.

Einen gesonderten Punkt in der Untersuchung nimmt der Antisemitismus der DNVP ein. Beck stellt fest, dass die DNVP sich in der Weimarer Republik zwar grundsätzlich als antisemitisch verstand, sie aber keine einheitliche Linie verfolgte, sondern zwischen völkischen und „moderaten“ Definitionen schwankte. Im Anschluss an die Forschungsliteratur definiert Beck zwei wichtige Unterscheidungskriterien zum Antisemitismus der DNVP: 1. Er besaß keinen endgültigen Charakter, der auf die physische Vernichtung von Juden abzielte. 2. Die Partei lehnte die Form eines öffentlichen Terrors, der nicht vom Rechtsstaat legitimiert wurde, ab.

Wie reagierte die DNVP auf den antisemitischen Terror der NSDAP? Das größte Problem für Mitglieder der Partei war, wie schon bei der Verfolgung politischer Feinde, die Ausschaltung des Rechtsstaates durch den Straßenterror der SA. Dieser Gegensatz innerhalb der Koalition hatte zur Folge, dass der DNVP von der NSDAP eine „judenfreundliche“ Haltung vorgeworfen wurde. Die Parteiführung nahm daher eine vordergründig zurückhaltende Position ein und protestierte nicht öffentlich. In geringer Anzahl erreichten die Parteiführung Beschwerdebriefe, die sich aktiv für jüdische Mitbürger einsetzten. Diese quantitativ geringen Proteste fanden aber nur auf persönlicher Ebene statt. Beck legt dar, dass die DNVP die besondere Qualität des Antisemitismus der NSDAP während der Zeit der Koalition nicht annahm. Gerade diese in den Augen der NSDAP schwammige Position nutzten die Nationalsozialisten aus, um die DNVP öffentlich als für die neue Zeit „untragbar“ darzustellen.

Das Ziel der NSDAP nach der „Machtergreifung“ war die vollständige Kontrolle aller staatlichen Institutionen und die komplette Ausschaltung aller politischen Kontrahenten. Dies schloss letztlich die DNVP mit ein. Beck erkennt dahinter eine antibürgerliche Ideologie, die mit dem Fortschreiten der „Nationalen Revolution“ Anfang März 1933 auch die DNVP ins Visier nahm. Zwar wurde dieser Umstand in der Forschung bereits teilweise thematisiert. Beck gelingt es jedoch, das Verhältnis zwischen beiden Koalitionären weiter aufzuhellen und ideologische Differenzen aufzuzeigen. Dass die vereinzelt äußerst brutalen Ausschreitungen gegen Mitglieder der DNVP nicht die Quantität und Qualität des Vorgehens gegen Mitglieder der SPD und KPD besaß, ist Beck bewusst. Die Einordnung dieser meist auf persönlicher Ebene stattfindenden Attacken in eine antibürgerliche Ideologie, deren Ziel die Sprengung bürgerlich-gesellschaftlicher Normen war, ist angesichts der Verengung der Perspektive auf die DNVP jedoch nicht genügend belegt. Es bleibt daher zu fragen, ob das antibürgerliche Element tatsächlich als strukturelles Element der nationalsozialistischen Ideologie angesehen werden muss oder in dieser Phase der Machtkonsolidierung vielmehr als taktisches Moment zu sehen ist, das zwar die DNVP einschloss, aber andere konservative Milieus wie das Militär oder auch Vereine ignorierte. Hierfür ist weitere Forschung nötig, die neben den Differenzen zwischen der NSDAP und der DNVP auch die Gemeinsamkeiten analysiert und den zeitlichen Rahmen erweitert, um dem Verhältnis zwischen Nationalsozialisten und Konservativen in all seinen Facetten gerecht zu werden.

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