B. Meier: Friedrich Wilhelm II. König von Preußen (1744-1797)

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Titel
Friedrich Wilhelm II. König von Preußen. Ein Leben zwischen Rokoko und Revolution


Autor(en)
Meier, Brigitte
Erschienen
Regensburg 2007: Pustet
Anzahl Seiten
336 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dagmar Langenhan, Berlin

Der vierte preußische König, Friedrich Wilhelm II. (1744-1797), fand bislang kaum das Forschungsinteresse, das er eigentlich schon allein auf Grund der besonderen Herausforderungen seiner Zeit (Französische Revolution, Übergang zum Klassizismus, Sturm und Drang usw.) verdient hätte. Die Biografien, die sich mit diesem Königsleben beschäftigen, lassen sich bis heute an einer Hand abzählen.

In der nun vorliegenden Biografie betont Brigitte Meier nachdrücklich, dass viele der älteren Arbeiten nur das wiedergeben, was schon einige Zeitgenossen und die borussische Historiographie mit Rücksicht auf Friedrich II. über Friedrich Wilhelm II. verbreiteten. 1 Schließlich konnte dem ‚Philosophen auf dem Thron’, dem Genie Friedrich der Große, nur ein Versager folgen – einer, der sich der Liebe hingab, in den Tag hinein lebte und sich von seinen Ministern sagen ließ, was zu tun war. Zeitgenossen, wie Friedrich August Ludwig von der Marwitz, oder Nachgeborene, wie Theodor Fontane, die sich um eine gerechtere Behandlung dieses Monarchen bemühten, wurden lange Zeit ignoriert. Erst 1997 setzte die Stiftung preußische Schlösser und Gärten mit ihrem Ausstellungskatalog „Friedrich Wilhelm II. und die Künste. Preußens Weg zum Klassizismus“ neue Akzente, indem sie seine künstlerischen Leistungen und Innovationen herausarbeitete. Im Jahre 2001 würdigte Wilhelm Bringmann dann die politischen Leistungen dieses Regenten, gemessen an seinen Möglichkeiten und Grenzen.2 Doch Bringmann konnte, da er sich lediglich auf die vorhandene Literatur und die gedruckten Briefwechsel stützte, keine Neubewertung Friedrich Wilhelm II. vornehmen. Das versucht nun Meier mit ihrer auf umfangreichen Archivstudien basierenden Biografie.

Als Forschungsansatz dient ihr die von Pierre Bourdieu entwickelte Kapitaltheorie. In fünf chronologisch und sachlich geordneten Kapiteln untersucht die Autorin Entwicklung, Wirken und Handlungsmotivation dieses Königs “im Kontext der gesellschaftlichen, institutionellen und kommunikativen Strukturen“ (S. 10) seiner Zeit. Dabei konstatiert sie – manchmal etwas zu gradlinig –, dass durch die preußische Hofgesellschaft und insbesondere Friedrich II. die Wirkungsmächtigkeit seines sozialen, kulturellen und symbolischen Kapitals (S. 11) deutlich beschränkt blieb, was als eine wesentliche Ursache für den schlechten Ruf Friedrich Wilhelm II. zu gelten habe.

Vor diesem Hintergrund entfaltet Brigitte Meier ein Bild der Handlungsfelder der preußischen Monarchie in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. So wird der Leser im ersten Kapitel mit den Erziehungstraditionen und dynastischen Pflichten des Herrscherhauses vertraut. Er erfährt, wie Friedrich II. versuchte, aus dem kleinen schüchternen Neffen Friedrich Wilhelm einen draufgängerischen, schlagkräftigen und munter drauflos plaudernden Prinzen zu formen, der seinem Bilde vom zukünftigen Herrscher entsprechen sollte. Spätestens nach dem frühen Tod (1758) des Thronfolgers August Wilhelm, des Vaters des Prinzen und Bruders Friedrich II., veränderte sich die Beziehung zwischen dem regierenden Onkel und seinem Neffen, der nun die Thronfolge sichern sollte, erheblich. Meier beschreibt Fehlleistungen Friedrichs des Großen bei der Erziehung und Ausbildung des Thronfolgers mit Blick auf den Zeitgeist und diskutiert deren Auswirkungen auf die spätere Entwicklung Friedrich Wilhelms II. Sie kommt zu der Einschätzung, dass der aufgeklärte Monarch insbesondere nach dem verheerenden Siebenjährigen Krieg alles in seiner Macht stehende tat, um seinem Neffen die Regierungsübernahme und das Regieren zu erschweren und daraus zugleich seinen eigenen Ruhm im kulturellen Gedächtnis der Nachgeborenen zu festigen. Der erwachsene und auf Schritt und Tritt bespitzelte Thronfolger konnte sich, so stellt Meier fest, nur der Liebe, der Kultur und Kunst hingeben. Hier kam er Friedrich nicht in die Quere, hier wurde er nicht als Konkurrent im Kampf um Ansehen und Würde wahrgenommen.

Im zweiten und dritten Kapitel werden Defizite und Leistungen Friedrich Wilhelms II während seiner elf Regierungsjahre gegenübergestellt. Im Hinblick auf außen- und innenpolitische Veränderungen sowie lokale Herrschaftspraktiken betont die Autorin immer wieder, dass fehlendes Bildungskapital und mangelndes symbolisches Kapital dem König die Ausübung seiner Macht nach 1786 nachhaltig erschwerten. So gelang es ihm trotz intensiver Bemühungen nicht, seine durchaus zeitgemäßen Reformvorstellungen in der Wirtschaft, im Militär und im Bildungswesen durchzusetzen. Auf kulturellem Gebiet jedoch beschritt er neue Wege, wie der Bau von Brandenburger Tor, Neuem Garten und Marmorpalais oder die Hinwendung zum deutschen Theater und zur deutschen Oper bezeugen. Hier besaß er hinreichend solide Kenntnisse und darauf gegründete Durchsetzungskraft, um seine Vorstellungen in Zusammenarbeit mit fähigen Künstlern, Architekten und Handwerkern zu realisieren. Auf allen anderen Gebieten war er sich seiner eigenen Bildungslücken zu bewusst, um gegen den Rat oder die Argumentation der vermeintlichen Fachleute Entscheidungen durchzusetzen. Daher verliefen viele Reformen im Sande und bei den Zeitgenossen entstand der Eindruck, dass dieser König von seinen Freunden, den Rosenkreuzern, fremdbestimmt wurde. Brigitte Meier verweist darauf, dass gerade Johann Christoph von Wöllners Einfluss auf den König durch neue Forschungen (Holländer, Manten) zu Recht hinterfragt wurde.

Während das vierte Kapitel das zunehmend schwierige Verhältnis zwischen König und Thronfolger in den Blick nimmt, widmet sich der Epilog vor allem der Rezeption des königlichen Wirkens. Im Mittelpunkt steht die Frage nach seiner Rolle als „neuständischer Monarch“. Das Dilemma Friedrich Wilhelms II. bestand nicht zuletzt darin, dass er in äußerst turbulenten Zeiten Entscheidungen fällen musste, für die er auf Grund seiner unzureichenden Ausbildung und seiner Befangenheit in einem veralteten Bürokratiekorsett keine hinreichende Kompetenz besaß. Meier stellt heraus, dass insbesondere die borussische Geschichtsschreibung – um den Ruf Friedrich II. nicht zu beschädigen – dafür ihm allein, dem „unfähigen dicken Liederjahn“, die Schuld gab. Hiergegen vertritt die Autorin die These: Erst wenn man die besonderen Anforderungen der Zeit und die schlechte Vorbereitung Friedrich Wilhelms auf sein Amt mitdenkt, gelangt man zu einem ausgewogenen Urteil über diesen König. Der gegenwärtige Forschungsstand setzte ihrem Vorhaben jedoch Grenzen. Es bedarf noch weiterer Untersuchungen, um zu klären, wer den Reformstau vor 1806 zu verantworten hatte und wieso die angedachten Reformen gerade dieses Königs keine Chance hatten, umgesetzt zu werden.

Insgesamt bietet diese Biografie einen sehr gut lesbaren Überblick über das „höllische Leben“ Friedrich Wilhelms am Hofe Friedrich II. und sein ehrliches Bemühen, nach seiner Thronbesteigung 1786 seinem Volk ein guter Monarch zu sein. Seine Liebesabenteuer werden kurz beschrieben und die besondere Seelenverwandtschaft zu Wilhelmine Encke, verheiratete Ritz und geadelte Lichtenau, ihrer Bedeutung für das Leben des Königs entsprechend, hervorgehoben.

Eine Zeittafel, hilfreiche Anmerkungen, Quellen- und Literaturverzeichnis, Orts- und Personenregister sowie ein Bildteil bieten vertiefende Informationen. Sie bezeugen nicht nur den soliden wissenschaftlichen Charakter dieser Biografie, sondern eröffnen auch dem historisch interessierten Leser einen Zugang zu der bisher in der Öffentlichkeit kaum beachteten Persönlichkeit.

Anmerkungen:
1 F. R. Paulig, Friedrich Wilhelm II., König von Preußen (1744-1797), Frankfurt (Oder) 1893; Wilhelm Moritz Freiherr von Bissing, Friedrich Wilhelm II. König von Preußen. Ein Lebensbild, Berlin 1967; Gustav Sichelschmidt, Friedrich Wilhelm II. Der „Vielgeliebte“ und seine galante Zeit. Eine Biographie, Berg am See 1993; Hans-Joachim Neumann, Friedrich Wilhelm II. Preußen unter den Rosenkreuzern, Berlin 1997.
2 Wilhelm Bringmann, Preußen unter Friedrich Wilhelm II. (1786-1797), Frankfurt am Main 2001.

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