Titel
Ur- und Frühgeschichte. Quellen, Methoden, Ziele


Autor(en)
Trachsel, Martin
Erschienen
Stuttgart 2008: UTB
Anzahl Seiten
276 S.
Preis
€ 22,90
Rezensiert für Clio-online und H-Soz-Kult von:
Michael Meyer, Institut für Prähistorische Archäologie, Freie Universität Berlin

Lehrbücher sind in der deutschsprachigen ur- und frühgeschichtlichen Archäologie selten. Die beiden wichtigsten – die unlängst wieder neu aufgelegte Einführung von Hans-Jürgen Eggers 1 und die Einführung in die 'Prähistorische Archäologie: Methoden und Konzepte' von K. M. H. Eggert 2 – sind methodisch orientiert, eine allgemeine, auch die Inhalte systematisch behandelnde Darstellung fehlte bislang. Als Hauptgründe galten der sich rasch entwickelnde Forschungsstand und die geringen Studentenzahlen, die ein solches Unterfangen wenig ertragreich erscheinen ließen.

Martin Trachsel orientiert seine Pionierarbeit an den neuen Anforderungen, die durch die Einführung der Bachelor-Studiengänge entstanden sind. In kurzer Zeit muss von den Studierenden ein möglichst gut strukturierter Lernstoff bewältigt und für ein engmaschiges Netz von Prüfungen aufgearbeitet werden – eine ganz neue und wesentlich weniger wissenschaftsorientierte Art der Annäherung an die Archäologie. Dementsprechend soll das Buch als rasche Orientierungshilfe ebenso wie zur "Kontextualisierung der Wissensbrocken" und zur Prüfungsvorbereitung dienen. Am Ende jedes Teils werden sogar Fragen gestellt, die vom Charakter her schriftlichen Prüfungsfragen entsprechen sollen und als solche auch sehr wirklichkeitsnah sind. Von der Struktur her ist das Buch durchaus auch für Laien oder für ambitionierte Schüler der Oberstufe geeignet – schade, dass der Titel die zum Glück allmählich veraltende Fachbezeichnung 'Ur- und Frühgeschichte' ohne den klärenden Begriff Archäologie führt.

Das Buch ist in sechs Teile gegliedert. Im ersten Teil wird das Fach definiert und ein forschungsgeschichtlicher Überblick gegeben (17 S.), der zweite Teil führt auf 48 Seiten in die Epochen der mitteleuropäischen Ur- und Frühgeschichte ein, Teil 3 stellt die Quellen des Faches (43 S.) dar. Teil 4 (40 S.) und 5 (49 S.) sind den Methoden und den Partnerwissenschaften gewidmet. Der sechste Teil (27 S.) greift eine Auswahl von Forschungsbereichen heraus. Wiederholungen sind dabei nach Aussage des Autors erwünscht und sollen zur Vertiefung des Stoffes dienen.

Diese Gliederung macht Sinn. Zunächst muss definiert und die Entwicklung des Faches beschrieben werden, und bevor auf die spezifischen archäologischen Quellen und die Methoden für deren Analyse eingegangen wird, ist ein Abriss der Entwicklung von der Steinzeit bis in das Frühmittelalter absolut hilfreich.

Die Einführung in die Forschungsgeschichte ist interessant zu lesen, der Überblick lässt gerade durch die geraffte Form die größeren Entwicklungslinien deutlich werden. Bei aller Kürze gelingt es Trachsel gut, die wichtigsten Etappen aus ihrem größeren ideengeschichtlichen Zusammenhang heraus zu erklären.

Besonders ambitioniert erscheint der geraffte Epochenüberblick. Natürlich ergeben sich bei der Fülle an Stoff Kritikpunkte. So taucht der Begriff Jastorf bei der Darstellung 'Eisenzeit im Norden' (S. 75 f.) nicht auf, die Zeit von 6.000-5.600 v.Chr. fehlt in der Übersicht (S. 6), Kreisgrabenanlagen werden dem Früh- und nicht dem Mittelneolithikum zugerechnet (S. 61), und ob die Zeit ab ca. 50 v. Chr. tatsächlich als "Niedergang" gewertet werden soll (S. 81), sei dahingestellt. Unglücklich erscheint auch, dass die römische Kaiserzeit ausschließlich aus römischem Blickwinkel dargestellt ist.

Die Mittelalter- und Neuzeitarchäologie klammert Trachsel weitgehend aus. Da dieser Zweig der Archäolgie institutionell unterschiedlich angebunden ist – zum Teil innerhalb einer ur- und frühgeschichtlichen Archäologie, zum Teil getrennt von ihr – erscheint dies legitim. Trotzdem wären hier zumindest Querverweise auf einschlägige einführende Literatur angebracht gewesen.

Doch jeder Anfänger wird diesen gerafften, locker geschriebenen Überblick mit Gewinn lesen, da er an Prozessen orientiert ist und die wichtigsten Eckpunkte benennt. Da Trachsel bewusst für Anfänger schreibt, werden auch banal erscheinende Punkte angesprochen. So werden etwa beliebte terminologische Stolperfallen wie die Zuordnung der Stufen Ha A und B oder die Abgrenzung von Spätantike und Völkerwanderungszeit erläutert – eine gute Hilfestellung.

Die Quellen werden nach Materialien und nach Fundstellenarten gegliedert, wobei neben Siedlungen, Gräbern, Werkplätzen und Deponierungen auch Nutzflächen, Infrastruktur und 'Zeitkapseln' (funktionierende Einheiten, die bei einem kurzen Ereignis in den Boden gelangt sind) abgehandelt werden. Es mag überraschen, etwa die Entwicklung der Eisenverhüttung hier unter 'Fundmaterialien' abgehandelt zu finden und nicht im Punkt 'Frühes Eisen' des Epochenüberblicks, aber auch bei den anderen Materialien wird an dieser Stelle die Entwicklung der Produktion kurz dargestellt.

Die Darstellung der archäologischen Methoden beginnt bei der Ausgrabung, enthält auch ein Kapitel zur Fundbearbeitung und führt dann in die Auswertungsmethoden ein. Ein sehr erfreulicher Ansatz, da er von Anfang an die Trennung zwischen Ausgrabung und Auswertung aufhebt und deutlich werden lässt, dass archäologische Analyseergebnisse bereits bei der Methodik der Grabung ihren Anfang haben. Auch in diesem Kapitel kann man über einzelne Stellen stolpern, etwa wenn für bandkeramische Ausgrabungen eine feste Ausrichtung der Grabungsflächen diskutiert wird, da bandkeramische Langhäuser immer gleich orientiert seien – was de facto aber regional stark unterschiedlich ist (S. 142 f.).

Der den Partnerwissenschaften gewidmete Teil spiegelt die derzeitige Vernetzung der Archäologie vor allem in Naturwissenschaften. Auf das Verhältnis von Archäologie und Geschichtswissenschaften etwa wird zwar an mehreren Stellen eingegangen, ohne jedoch Trennendes und Verbindendes dieser beiden historischen Disziplinen herauszuarbeiten. Es beginnt bei der Definition der Ur-/Vor- und Frühgeschichte bzw. Prähistorischen Archäologie, deren Forschungsgegenstand reichen soll "bis zum Einsetzen einer regulären Geschichtsschreibung", ohne jedoch diesen nicht unproblematischen Begriff zu thematisieren. Unter dem Punkt 'Stellung der UFG innerhalb der Geschichtswissenschaften' wird lediglich auf institutionelle Fachanbindung und auf Neuzeitarchäologie eingegangen, und als Partnerwissenschaft werden nur 'Historische Hilfswissenschaften' benannt (Numismatik, physische Schriftzeugnisse und Ortsnamenskunde).

Überschneidungen zu den vorangegangenen Kapiteln ergeben sich zwangsläufig in Teil 6, in dem Trachsel zentrale Forschungsbereiche der Prähistorischen Archäologie herausgreift und darstellt. Trotzdem ist auch dies gerade für Anfänger ein sehr lehrreiches Kapitel, da hier zentrale Fragen aufgeworfen werden, die der Archäologe an seine Quellen stellt. Schön auch die Gliederung innerhalb der einzelnen Forschungsbereiche: nach 'Fragestellungen', 'Quellen' und 'Methoden und Ansätzen' werden dann auch die 'Grenzen' thematisiert.

Ärgerlich ist aus Sicht des Rezensenten das aus 11 (!) Titeln bestehende Literaturverzeichnis am Schluss des Buches (S. 276). Ein 'Studienbuch' muss den Lesern die Möglichkeit eröffnen, weiterzustudieren. Liefert man diese Möglichkeit nicht, so wird einem Trend gerade im Bachelor-Studium entsprochen, aufgearbeitetes Wissen nur noch aus zweiter Hand zu übernehmen. Anstatt in der Bibliothek anhand von Literaturlisten den Stoff nachzuarbeiten, verfallen viele Studierende heute dem Fehler, sich lediglich anhand der Powerpoint-Folien der Lehrveranstaltungen – die zeitgemäß über ein e-learning tool zur Verfügung gestellt werden – auf Prüfungen und Klausuren vorzubereiten. Der unmittelbare Zugang zum Wissen fehlt dadurch.

Trotz einiger Mängel hier und da ist Trachsel ein gutes Einführungsbuch gelungen, und man fragt sich, warum so etwas nicht schon früher möglich war. Das Buch ist von Struktur und Sprache her auf Anfänger zugeschnitten, die es gerne und mit großem Gewinn nutzen werden. Das fast vollständig auf Literaturhinweise verzichtet wurde, ist jedoch nach meiner Meinung ein großer Fehler.

Anmerkungen:
1 Hans Jürgen Eggers, Einführung in die Vorgeschichte, 5. Auflage, Schöneiche bei Berlin 2006.
2 Manfred K. H. Eggert, Prähistorische Archäologie: Konzepte und Methoden, Tübingen 2001.

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