H. von Seggern u.a. (Hrsg.): Städtische Finanzwirtschaft

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Titel
Städtische Finanzwirtschaft am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit.


Herausgeber
von Seggern, Harm; Fouquet, Gerhard; Gilomen, Hans-Jörg
Reihe
Kieler Werkstücke. Reihe E: Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 4
Erschienen
Frankfurt am Main 2008: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
275 S.
Preis
€ 46,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Heidrun Ochs, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Der Band „Städtische Finanzwirtschaft am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit“ geht zurück auf die Sektion „Raum und Finanzen in der Stadt am Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit“ des 45. Deutschen Historikertages 2004 in Kiel, der unter dem Motto „Kommunikation und Raum“ stand. Der Band umfasst die fünf Vorträge der Sektion sowie die Einleitung und drei weitere Beiträge.1 Auch wenn der Begriff des Raumes im Titel der Publikation nicht mehr enthalten ist, geht es nicht um einen Überblick über die städtische Finanzwirtschaft, sondern in erster Linie um deren räumliche Komponente. Denn bei der Untersuchung der städtischen Finanzen wurde, wie Harm von Seggern als einer der Herausgeber betont, „das Problem des Raumes und die Erscheinungen, die sich dem weiten Feld der Kommunikation zuordnen lassen, […] nur in den seltensten Fällen ausdrücklich behandelt“ (S. 9).

In seinen einleitenden Überlegungen (S. 9-24) lotet Harm von Seggern Möglichkeiten und Grenzen aus, die städtische Haushaltsführung auf die Konstruktion von Räumen zu befragen. Seine Ausführungen lassen die Schwierigkeiten erkennen, einen adäquaten Raumbegriff zu finden. Eine einheitliche Definition des Raumes scheint wenig weiterführend zu sein, denn die Quellen offenbaren ganz verschiedene Bezüge. Deshalb plädiert er dafür, zunächst keinen expliziten Raumbegriff zu verwenden, sondern vorerst nach Beziehungen zu fragen, „die über die Stadt hinausweisen“ (S. 19). Denn somit werden die unterschiedlichen durch die städtische Finanzwirtschaft geschaffenen Raumbezüge sichtbar, die auf der einen Seite ein Landgebiet als (funktional bestimmte) Region definieren können, auf der anderen Seite in vielen Fällen wenngleich Raum überwindende, so doch nur punktuelle Beziehungen schaffen (S. 19-21). Vor diesem Hintergrund formuliert er zentrale Fragen des Bandes: Inwieweit war das städtische Finanzwesen mit einem unterschiedlich weit ausgedehnten Wirtschaftsraum verflochten und welche Rückwirkungen hatten Raumbildung und Kommunikationsbedingungen auf die Finanzwirtschaft der Städte?

Diesen Fragen gehen die acht Beiträge, die sich überwiegend auf schweizerische und süddeutsche Beispiele stützen, anhand ganz verschiedener Aspekte der städtischen Finanzgeschichte nach: dem städtischen Rentenmarkt (Hans-Jörg Gilomen, Bernd Fuhrmann, Michael Rothmann), dem Steuerwesen (Oliver Landolt), dem Kriegswesen (Harm von Seggern, Gabriel Zeilinger), den Privatgeschäften eines Ratsherrn (Hendrik Mäkeler) und dem Gesamthaushalt (Niklaus Bartlome). Bei einem Blick in das Inhaltsverzeichnis stellen sich allerdings zwei Fragen: zum einen, ob es nicht zweckmäßiger gewesen wäre, die Aufsätze thematisch zu ordnen, statt sie der Genese des Bandes (Beiträge der Sektion, Zusätze) entsprechend zu reihen; zum anderen, ob es dem Anliegen des Bandes nicht eher entsprochen hätte, das thematische Spektrum zu erweitern, etwa um das Boten- und Gesandtenwesen, statt drei Untersuchungen zum städtischen Rentenmarkt vorzusehen, wenngleich sie diesen aus verschiedenen Perspektiven analysieren. Insgesamt lassen sie aber durchaus unterschiedliche räumliche Bezügen erkennen. Das Spektrum soll im Folgenden an vier Beiträgen aufgezeigt werden.

Der Kreditbedarf der Städte führte zu ganz unterschiedlich ausgedehnten räumlichen Verflechtungen. Hans-Jörg Gilomen erarbeitet in seinem Beitrag (S. 25-74) eine Typologie dieser räumlichen Kreditbeziehungen. Er unterscheidet drei verschiedene Typen: Den einen Typus repräsentiert die Stadt Bern, die bei ihren eigenen Bürgern und im näheren Raum keinen Kredit aufnehmen konnte, weil sie dort keinen ‚Kredit’ mehr besaß. Ihren finanziellen Bedarf deckte die Stadt weit überwiegend in Basel. Basel wiederum bildet das Paradigma für den zweiten Typus, den Typ der „autarken städtischen Schuld“ (S. 39), zu dem auch Köln und Nürnberg gehörten. Basel nahm seine Kredite überwiegend bei seinen Bürgern auf und wandte sich nur bei außergewöhnlichem Bedarf an auswärtige Kapitalgeber. Quasi einen Zwischentypus bildete etwa Mainz. Hier spielte sowohl die Stadt selbst und ihre nähere Umgebung eine wichtige Rolle bei der Kreditaufnahme als auch befreundete Städte. Gilomen betont, dass für die Kapitalaufnahme vor allem die Verfügbarkeit von Kapital eine Rolle spielte, wobei in der Regel die Aufnahme von Krediten bei den eigenen Bürgern bevorzugt wurde. Ein Grund für diese Präferenz lag unter anderem wohl auch in den Kommunikationsbedingungen, die der Rentenmarkt vorgab. Die Probleme der Abwicklung der Kreditgeschäfte konnten proportional zur Entfernung zwischen Gläubigern und Stadt wachsen.

Während Gilomen wie auch Bernd Fuhrmann und Michael Rothmann den Raumbezug der städtischen Wirtschaftsführung selbst in den Blick nehmen, befragt Gabriel Zeilinger die Finanzquellen nach raumbezogen Aussagen zu einem anderen Bereich städtischer Politik (S. 169-181). Er untersucht anhand der Stadt Windsheim im süddeutschen Städtekrieg 1449/1450 die räumliche Reichweite städtischer Kriegsführung. Quellengrundlage sind hierbei die Bände der Windsheimer Stadtrechnungen der Jahre 1449 und 1450. Sie geben zahlreiche Hinweise auf den Kriegsalltag, wie etwa Material für den Krieg, Maßnahmen für den Stadtbau und die Anstellung von Söldnern, die Kostgeld und teilweise auch Prämien erhielten. Darüber hinaus zeigen die Rechnungen, dass zwar einerseits der Handel in dieser Zeit stark zurückging, dass „der Wein- und Bierkonsum [...] hingegen kaum in der Kriegszeit“ litt (S. 179). In Bezug auf die Reichweite der städtischen Kriegsführung wird deutlich, dass die städtischen Truppen in einem relativ kleinen Radius von nicht mehr als einem Tagesritt bzw. Tagesmarsch agierten.

Die überwiegende Zahl der Beiträge lassen punktuelle, durch Verbindungen aufgespannte Raummuster erkennen. Dagegen lässt sich anhand der Stadt Bern über die Untersuchung des Gesamthaushaltes eine Region im geographischen Sinn bestimmen. Niklaus Bartlome untersucht in seinem Beitrag (S. 75-94) mit Hilfe moderner finanzwissenschaftlicher Vorgaben den Haushalt der Stadt Bern. Zentral ist hierbei der Begriff der konsolidierten Rechnung, also die ganzheitliche Betrachtung des städtischen Haushaltes. Auf der Basis der Finanzstruktur des städtischen Gemeinwesens geht er dann der Frage nach, „wie sich die Erfolgsrechnung Berns vom Spätmittelalter zum 16. Jahrhundert entwickelt und verändert hat“ (S. 80). Er kann somit zeigen, dass der Herrschaftsausbau sich im Haushalt der Stadt widerspiegelt, dass „der staatliche Haushalt […] nicht mehr auf der städtischen Wirtschaft [beruhte], sondern […] sich zu einer Territorialwirtschaft ausgeweitet“ hatte (S. 85).

Die zwischenstädtische Kommunikation steht im Zentrum des Beitrags von Oliver Landolt (S. 95-102). Er geht anhand der Beispiele oberdeutscher und schweizerischer Städte der Frage nach, wie sie sich über Fragen der Steuerpolitik austauschten. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass viele mittelalterliche Städte, die mit enormen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, in diesen Situationen ähnlich reagierten: Die Aufnahme von Krediten deckte zunächst den Finanzbedarf, die Erhebung neuer Steuern sollte dann die finanzielle Situation der Stadt stabilisieren, wobei sich für die Steuern bemerkenswerte Gemeinsamkeiten feststellen lassen. Landolt zeigt, wie sich die mittelalterlichen Städte bei der Einführung neuer Steuermodelle durch gezielte Informationsbeschaffung und Hilfe bei Sanierungskonzepten beeinflussten. Auch die Einführung neuer Steuern oder Zölle konnten sich andernorts auswirken. Zudem wird deutlich, mit welcher Geschwindigkeit, aber auch welchen Problemen die Einführung neuer Steuermodelle erfolgen konnte.

Leider haben die Herausgeber auf eine systematische Zusammenfassung verzichtet. So bleiben die verschiedenen räumlichen Bezüge relativ unverbunden nebeneinander stehen, was auch durch die Themenvielfalt begründet sein mag. Dennoch: Es handelt sich bei den Aufsätzen um aufschlussreiche Fallbeispiele, die im Hinblick auf die städtische Finanzwirtschaft interessante Einzelergebnisse liefern. Sie belegen zudem, dass die städtische Finanzwirtschaft zahlreiche Ansatzpunkte zur Untersuchung der räumlichen Bezüge bietet und dass solche Untersuchungen „zur Modellierung von Regionen führen“ können (von Seggern, S. 23). Dazu liefert der Band allererste Ergebnisse.

Anmerkung:
1 Die einleitenden Überlegungen von Harm von Seggern sowie die Beiträge von Gabriel Zeilinger, Michael Rothmann und Hendrik Mäkeler wurden für die Schriftfassung ergänzt.

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