V. Damm: Selbstrepräsentation und Imagebildung

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Titel
Selbstrepräsentation und Imagebildung. Jubiläumsinszenierung deutscher Banken und Versicherungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert


Autor(en)
Damm, Veit
Reihe
Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 18
Erschienen
Anzahl Seiten
252 S.
Preis
€ 40,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Detlef Krause, ZKK-Historisches Archiv, Commerzbank AG, Frankfurt am Main

An die Gründung einer Firma vor 25, 50, 100 oder mehr Jahren mit einer Jubiläumsfeier zu erinnern ist bei vielen Unternehmen zu einer beliebten Ausdrucksform geworden. Die historische Forschung hat von solchen Jubiläen bislang wenig Kenntnis genommen, da die zu diesen Anlässen herausgegebenen Festschriften oftmals wissenschaftlichen Kriterien nicht oder nur unzureichend genügten. Dabei wurde allerdings auch häufig verkannt, dass Jubiläumspublikationen eher auf eine breite Öffentlichkeit als eine wissenschaftliche Community zielten. Infolge des Booms der Unternehmensgeschichte in den letzten Jahren trat jedoch ein Wandel ein, der von einer deutlichen Verwissenschaftlichung der Jubiläumsschriften gekennzeichnet ist. Auf diese Weise wurde eine „Benchmark“ erreicht, die kaum ein Unternehmen unterschreiten kann, ohne Gefahr zu laufen, auch von bekannten Feuilletons massiv kritisiert zu werden.

Jubiläen erschöpfen sich aber nicht nur in der Herausgabe von mehr oder weniger informativen Unternehmensgeschichten, sondern stellen meist ein Bündel von Feiern, betrieblicher Sozialpolitik und Werbemaßnahmen dar. Sie sind daher ein Spiegel der Unternehmenskultur und bieten somit eine gute Gelegenheit, einerseits Einblicke in das Binnenleben eines Unternehmens zu erhalten und andererseits dessen Selbstrepräsentation zu analysieren.

Diese Aufgabe hat Veit Damm mit seiner Dissertation zu „Jubiläumsinszenierungen“ deutscher Banken und Versicherungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert (bis 1914) bei Winfried Müller im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ an der TU Dresden übernommen. Damm leitet die Gewohnheit, Jubiläen zu begehen, entwicklungsgeschichtlich von kirchlichen Ursprüngen ab. Er schlägt den Bogen über die Aneignung der Jubiläumskultur durch Monarchie und Bürgertum bis hin zum heutigen Marketing, das Tradition als wichtiges „Asset“ einer Marke ansieht.

Methodisch knüpft Damm an einen Fächer ökonomischer, institutionenökonomischer, sozialpolitischer und kulturalistischer Ansätze an. Seine Vorüberlegungen münden in den beiden Arbeitshypothesen: Jubiläen dienen zum einen der Vermittlung eines positiven Firmenimages und zum anderen stellen sie die Selbstrepräsentation der eigenen Lebenswelt dar (S. 44).

Damm wählt in seiner vergleichenden Untersuchung Banken und Versicherungen als ähnliche Finanzdienstleister, betont aber auch die Unterschiede zwischen beiden Branchen, etwa die Beschäftigung von Außendienstmitarbeitern im Versicherungsgewerbe. Banken und Versicherungen hätten, so Damm, aufgrund der Abstraktheit ihrer Produkte einen erhöhten Kommunikations- und Erklärungsbedarf und hätten deshalb als erste Unternehmen begonnen, über Jubiläumsschriften ihre Tätigkeit der Öffentlichkeit zu erklären und um Vertrauen zu werben. Er folgt damit Fritz Redlich, der insbesondere für die Phase zwischen 1880 und 1890 eine erste Welle von Firmengeschichten im Auftrag von Banken und Verlegern (!) identifiziert hatte.1

Einen Hauptteil der vorliegenden Studie bilden vier Fallbeispiele. Damm behandelt verschiedene Jubiläen der Deutschen Bank, der Dresdner Bank, der Victoria Versicherung und der Feuer-Versicherungs-Gesellschaft Colonia. Durch seine vergleichende Perspektive gelingt es Damm, ungeachtet aller Parallelen auch unterschiedliche Akzente herauszuarbeiten. Während etwa die Deutsche Bank als Branchenführer (nach Bilanzsumme) ihr 25-jähriges Bestehen 1895 eher verhältnismäßig bescheiden und ohne übermäßigen Prunk feierte, stellte der „Aufsteiger“ Dresdner Bank wenig später die autokratische Führungspersönlichkeit Eugen Gutmann als Träger der eigenen Erfolgsstory in den Vordergrund. Bemerkenswert sind ferner die dreitägigen Feiern zum 25-jährigen Dienstjubiläum Otto Gerstenbergs, des ersten Direktors der Victoria Versicherung. Die ausgedehnten Feierlichkeiten bezweckten insbesondere, den verschiedenen Mitarbeitergruppen der „Victorianer“ – Angestellte der Zentrale, Außenbeamte und deren Kontrolleure – einen Anreiz zu einer gemeinsamen Identität anzubieten. Bei der Kölnischen Feuer-Versicherungs-Gesellschaft Colonia standen wiederum die Kontinuität der Unternehmensentwicklung sowie die lokale Verwurzelung in Köln im Vordergrund, die sich in gemeinnützigen Projekten aus Anlass des Firmenjubiläums äußerte.

Im folgenden Teil untersucht Damm vierzehn weitere Banken und Versicherungen, um die unterschiedlichen Dimensionen von Unternehmensjubiläen bis zum Ersten Weltkrieg systematisch zu erfassen. Die behandelten „Jubiläumsinszenierungen“ reflektierten in hohem Maße die zeitgenössische Festkultur. Bürgerliche Tugenden und die „Würde“ des geschäftlichen Handelns waren beliebte Topoi. Die erwähnten Banken und Versicherungen wollten mit ihren Jubiläumsfeiern ein positives Image vermitteln; sie stellten Stabilität und Kontinuität der eigenen Entwicklung heraus, um das Vertrauen bei Geschäftspartnern und in der Öffentlichkeit zu stärken. Interessanterweise waren die Hauptaussagen der Feiern nicht auf die Vergangenheit, sondern vielmehr auf die Zukunft ausgerichtet. Banken und Versicherungen stellten sich als erfolgreiche und starke Unternehmen dar, die in der Lage seien, die Zukunftsherausforderungen zu bewältigen.

Unternehmerisches Handeln zum Wohle der Allgemeinheit und explizite Staatsnähe stellten weitere Aspekte dar. Gemeinsame Feiern der Führungspersönlichkeiten mit den Mitarbeitern sollten darüber hinaus – in Verbindung mit außerordentlichen Sozialleistungen – den Zusammenhalt und die Bindung der Belegschaft an das jeweilige Unternehmen stärken. Dabei nutzten die Angestellten zuweilen auch die Feierlichkeiten, um mit eigenen Beiträgen wie Theaterstücken, Gedichten und Liedern ihren Arbeitgeber und den Arbeitsalltag aus durchaus ironischer Distanz darzustellen. Jubiläumsfeiern konnten somit auch als Ventil für Unzufriedenheit und Frustration dienen, ohne dass die Grenzen zur Illoyalität überschritten werden mussten. Tendenziell überwog jedoch die Symbolik der Reziprozität zwischen Management und Angestelltenschaft, indem Grußadressen und Geschenke ausgetauscht wurden. Zusammengefasst lautet Veits Befund, dass Jubiläumsfeiern als weiche Faktoren sicherlich zum Unternehmenserfolg beigetragen haben, messen lässt sich dieses Ergebnis jedoch nicht.

Damm stützt sich auf eine breite Literaturbasis sowie auf Forschungen in Unternehmensarchiven wie auch in öffentlichen Archiven. Angemerkt sei, dass das Verzeichnis der Erinnerungen und Festschriften (S. 227) etwas fragmentarisch erscheint, so fehlt beispielsweise die Geschichte des Barmer Bank-Vereins2 und auch die Auswahl der neueren Jubiläumsschriften ist nicht recht plausibel.

Insgesamt erweitert die quellennahe Studie unsere Kenntnis über Gründe, Abläufe und Stellenwert von Jubiläen bei Banken und Versicherungen in empirischer und theoretischer Hinsicht. Zu fragen bleibt, ob die Ergebnisse nicht doch – oder zumindest in weiten Teilen – auf andere Unternehmen und „moderne“ Branchen des späten 19. Jahrhunderts wie Elektro- und Chemieindustrie oder Maschinenbau übertragen werden können. Zudem wäre es reizvoll zu erfahren, wie sich heutige Unternehmenskulturen und Lebenswelten auf aktuelle „Jubiläumsinszenierungen“ auswirken. Die These sei gewagt, dass sich zwar die Formen, aber weniger die Funktionen und Intentionen von Jubiläumsfeiern gewandelt haben.

Anmerkungen:
1 Redlich, Fritz, Anfänge und Entwicklung der Firmengeschichte und Unternehmerbiographie. Das deutsche Geschäftsleben in der Geschichtsschreibung (Erstes Beiheft der „Tradition“), Baden-Baden 1959.
2 Poppelreuther, Richard; Witzel, Georg, Barmer Bank-Verein Hinsberg, Fischer & Co. 1867 bis 1917. Denkschrift zum fünfzigjährigen Bestehen, Essen 1918.

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