R. Reith u.a. (Hrsg.): Innovationskultur

Cover
Titel
Innovationskultur in historischer und ökonomischer Perspektive. Modelle, Indikatoren und regionale Entwicklungslinien


Herausgeber
Reith, Reinhold; Pichler, Rupert; Dirninger, Christian
Reihe
Innovationsmuster in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte
Erschienen
Innsbruck 2006: StudienVerlag
Anzahl Seiten
256 S.
Preis
€ 27,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Cornelia Fabian, Institut für Wissenschafts- und Technikgeschichte, TU Bergakademie Freiberg

Das Thema Innovation ist derzeit politisch sehr aktuell. Sei es auf europäischer, nationaler oder regionaler Ebene, überall steht das (zu verbessernde) Innovationsverhalten im Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Diskussion. So soll der vorliegende Band sowohl zu einem verbesserten Verständnis der kulturellen Faktoren des Innovationspotenzials beitragen, als auch deren konkrete Anwendungsmöglichkeiten im politischen Entscheidungsprozess aufzeigen.

Der Sammelband ist aus einer im Juni 2004 in Salzburg abgehaltenen Tagung zur Innovationskultur hervorgegangen, die ihrerseits auf eine Tagung zwei Jahre zuvor aufbaute, bei der Spezifika des österreichischen Innovationssystems herausgearbeitet worden waren, um „historische Erfahrungen als Basis von Planungs- und Entscheidungsgrundlagen für die Zukunft zu gewinnen“ (S. 7). Die Tagung 2004 sollte nun nicht nur die Erkenntnisse vertiefen, sondern ebenfalls die Modelle zur Innovationsforschung um Faktoren, deren Ursprung außerhalb der klassischen Ökonomie angesiedelt ist, erweitern. Eine solche Perspektive, so die Herausgeber, böte die Möglichkeit, auch „Elemente umfassenderer Innovationskulturen“ (S. 7) zu erklären, denen ein rein ökonomischer Ansatz nicht gerecht würde. In dem Sammelband wurde deshalb auf eine methodische und inhaltliche Vielfalt der Beiträge wertgelegt.

Der erste von insgesamt drei Abschnitten nimmt die Entwicklung der Innovationsforschung und die Modelle der historischen Innovationsforschung in den Blick. Betont wird, dass weder ein rein kultureller noch ein rein ökonomischer Ansatz den Innovationsprozess hinreichend beschreiben, sondern nur das Zusammenspiel von Faktoren beider Bereiche den Prozess ausreichend erklären kann. Durch ein institutionstheoretisches Kulturverständnis gelingt es Thomas Wieland in seinem Beitrag eine Definition von „Innovationskultur“ zu finden, durch die eine sinnvolle Ergänzung des bereits seit den 1990er-Jahren diskutierten Konzepts des nationalen Innovationssystems ermöglicht wird. Indem Innovationskultur als „institutionelles Grundgerüst konzipiert [wird], das die Wahrnehmung der Innovationshandelnden von wirtschaftlichen und technischen Herausforderungen prägt und […] die Strategien für ihre Bewältigung bereitstellt“, gelingt ihm anhand zweier Beispiele – zivile Kerntechnik und Biotechnologie in Deutschland – eine überzeugende Verbindung beider Ansätze.

Auch Reinhold Bauer schärft durch seinen Beitrag zum „’Flop’ als Forschungsobjekt“ den Blick für kulturelle Aspekte im Innovationsprozess. Am Beispiel der Kohlestaubbefeuerung für Dampflokomotiven und dem Hydrobergbau verdeutlicht er, dass technisches Wissen in bestimmten Verwendungs- und Interpretationszusammenhängen entsteht und eine Übertragung in andere Regionen eine völlig andere Wirkung hervorbringen kann. Scheitern ist somit „nur auf der Basis definierter Kriterien für einen bestimmten Raum und für eine bestimmte Zeit eindeutig diagnostizierbar“ (S. 54), wodurch deutlich wird, dass technischer Fortschritt keineswegs einem vorgezeichneten Pfad folgt, sondern von mannigfaltigen Außenfaktoren bestimmt und abhängig von Zeit, Raum und der Definition des „Scheiterns“ interpretierbar ist.

Diesen beiden historischen Betrachtungen werden zwei Beiträge zum Nationalen Innovationssystem und zur sozialen Netzwerkanalyse zur Seite gestellt. Während Volker Schneiders Arbeit zur „Institutionelle[n] Innovation als Neukombination“ verdeutlicht, dass Innovationen oftmals Zufallsprodukte bestimmter historischer Zustände sind, hebt Dorothea Jansen die Bedeutung von Netzwerken im Innovationsprozess hervor. Diese seien es, die die strukturellen Nachteile von Organisationen auflösen und neue innovative Impulse ermöglichen würden.

Der zweite Abschnitt umfasst Arbeiten, die Anwendungen von Innovationsindikatoren auf einen längeren historischen Zeitraum erproben, da sich ihre Aussagekraft oft erst in der Langzeit-Perspektive wirklich erschließt. Nach allgemeinen Überlegungen zur Problematik historischer Analysen weist Hariolf Grupp mit seinem Beitrag zur Entwicklung des deutschen Innovationssystems durch die Analyse verschiedener Parameter wie den staatlichen Ausgaben für Wissenschaft und Technik und der Erfindungstätigkeit über einen Zeitraum von gut hundert Jahren nach, dass die deutsche Innovationskultur sich vergleichsweise wenig durch politische Umbrüche und Änderungen der Rahmenbedingungen beeinflussen ließ. In der folgenden Studie prüft Reinhold Hofer die Übertragbarkeit dieser These auf österreichische Verhältnisse. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass auch für Österreich langfristig wirksame Indikatoren auffindbar sind, die die spezielle österreichische Innovationskultur erklären können.

Ausgehend von der Annahme, thematische Schwerpunktsetzungen seien in Österreich und anderswo ein zentrales Element der technologiepolitischen Diskussion, befassen sich Helmuth Gassler und Wolfgang Polt mit der Problematik der Festlegung solcher Schwerpunkte im Spannungsfeld von wirtschaftlicher Spezialisierung und Diversität und der Verwendbarkeit von möglichen Indikatoren. Im Ergebnis halten sie die politische Förderung einzelner Technologien auf Grundlage der bisher zugänglichen empirischen Daten zumindest in Österreich für wenig erfolgversprechend, da das Spezialisierungsmuster der Wirtschaft hier im negativen Sinne elementar von dem andere Industriestaaten abweicht – bei Förderung dieser vermeintlichen Stärken, bestünde die Gefahr, diese Struktur zu vertiefen und Österreich von der Entwicklung in den „Zukunftstechnologien“ abzukoppeln. Neue Perspektiven würden Analysen auf weniger aggregierten Niveau ergeben, doch fehlten hierzu international vergleichbaren Datengrundlagen.

Da die Innovationskultur, so Christian Dirninger, „in ihrer konkreten und damit auch vergleichbaren Gestalt primär auf der regionalen Ebene zu fassen“ ist (S. 178), sind im abschließenden dritten Kapitel Arbeiten zur regionalen Dimension des Innovationssystems zusammengefasst. Die Beiträge zu regionalen Innovationsmustern bedienen sich unterschiedlicher Ansätze, ermöglichen aber der historischen Perspektive nur „implizit relevante Anknüpfungspunkte“ (S. 184).

Aufbauend auf einer Metaanalyse zahlreicher Fallstudien geben Thomas Brenner und Dirk Fornahl Auskunft über sinnvolle politische Maßnahmen zur Cluster-Bildung. Die Förderung einer Region sei nur dann sinnvoll, wenn bestimmte Voraussetzungen wie das Vorhandensein von Forschungseinrichtungen gegeben seien und es enge Zeitfenster gebe, in denen eine Förderung der Cluster-Bildung in einer Region besonders erfolgsversprechend sei. Beide Aspekte differieren jedoch je nach Branche.

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