S. Hodkinson (Hrsg.): Sparta and War

Cover
Titel
Sparta and War.


Herausgeber
Hodkinson, Stephen; Powell, Anton
Erschienen
Anzahl Seiten
XXI, 309 S.
Preis
€ 78,44
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Natascha Königs, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Der vorliegende Sammelband präsentiert die Ergebnisse des 5. Internationalen Sparta-Seminars an der Universität zu Rennes II (1.-4. September 2004) und beinhaltet insgesamt zehn Beiträge. Inhaltlich gliedert sich der Band in drei komplexe Themenbereiche, die der Mitherausgeber Stephen Hodkinson mit den Worten „war and society; military and civic geography; military practice and policy“ (S. xii) charakterisiert. Obwohl man dies durchaus vermuten könnte, liegt das größte Verdienst der beteiligten Autoren jedoch nicht in der Erschließung eines bisher weitgehend unbearbeiteten Themenkreises. Vielmehr ist es die Beherztheit, mit der diese in ihren Beiträgen eine gleichermaßen provozierende wie neuartige Sicht auf scheinbar bekannte Realitäten der spartanischen Lebenswelt wagen.

Zu Beginn widmet sich Jean Ducat (S.1ff.) zunächst (in gewohnt präziser analytischer Vorgehensweise) dem spartanischen Phänomen der „tresantes“ („Zitterer“). Hierin untersucht der Autor die Frage, inwieweit die Bestrafung derjenigen Spartaner, die sich der Feigheit vor dem Feind schuldig gemacht hatten, in der Zeit von den Perserkriegen bis zur Schlacht von Megalopolis (331 v. Chr.) eine qualitative Entwicklung durchlaufen hat. Dabei gelangt der Autor zunächst zu dem Ergebnis, dass in Sparta offenbar verschiedene Formen des Vergehens, das heißt der Feigheit vor dem Feind, unterschieden wurden. Dies mache ein Vergleich der bekannten Beispiele deutlich (S. 34ff.). Eine erhebliche Varianz zeige sich, so Ducat, auch in Form, Intensität und Dauerhaftigkeit der in diesen Fällen verhängten Strafe. Tendenziell sei in jeder Hinsicht eine allmähliche Abnahme des Strafmaßes zu beobachten. Die Sanktion – die so genannte „Atimia“ („Ehrlosigkeit“) – hatte dabei nach Meinung des Autors sowohl sozial-gesellschaftliche als auch institutionell-rechtliche Facetten, die sich in ihrer Wirkweise ergänzten. Beide Aspekte seien, entgegen anders lautenden Meinungen1, tatsächlich nicht voneinander zu trennen. Im Anschluss an die Überlegungen Ducats behandelt Thomas J. Figueira die Frage des gesellschaftlichen Einflusses der 300 „hippeis“ in Sparta (S. 57ff.). Der Autor kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Bedeutung dieser Einheit sich nicht in ihrer militärischen Funktion als Leibgarde der spartanischen Könige erschöpfte. Nach seiner Ansicht waren die „hippeis“ – auch unterhalb der institutionell-militärischen Ebene – fest in das Funktionsgefüge der Polis Sparta integriert und bildeten einen wichtigen Teil des polis-internen „social engineering“ (S. 74). Das Bemühen des Autors um eine gesamtgesellschaftliche Verortung der „hippeis“ ist hier besonders positiv hervorzuheben, auch wenn nicht alle Punkte vollends überzeugen.2

Im Anschluss an die Überlegungen Figueiras wendet sich Polly Low der politischen Funktion (offizieller) spartanischer Kriegsgräber zu (S. 85ff.). Ausgehend von der Gattung der „en-polémo-Grabsteine“3, die fast ausschließlich in Lakonien nachgewiesen worden sind, gelingt es der Autorin, einen qualitativen Unterschied zu Kriegsgräbern außerhalb des lakonischen Territoriums (‚extra-territorial burials’, S. 95) herauszuarbeiten (Karte, S. 92). Anschließend stellt Stephen Hodkinson (S. 111ff.) die herausfordernde Frage, „Was Sparta a military society?“ Durch eine kritische Untersuchung der modernen und antiken Sparta-Rezeption führt der Autor dabei vor Augen, dass die Einschätzung, die spartanische Gesellschaft habe sich durch einen – alle Lebensbereiche durchdringenden – hohen militärischen Organisationsgrad oder gar eine militaristische Grundhaltung ausgezeichnet, in vielfacher Hinsicht zweifelhaft ist. Die zeitliche wie inhaltliche Spannweite dieses Beitrags, auf dessen Details hier nicht näher eingegangen werden kann, ist beachtlich.

Den geografisch orientierten zweiten Teil des Sammelbandes eröffnet ein Beitrag von Jacqueline Christien (S. 163ff.), der sich mit der historischen Dimension neuer archäologischer Funde in Lakonien und Messenien befasst. Die archäologischen Zeugnisse stützen dabei nach Ansicht der Autorin die These, dass die Krypteia – die jährliche Kriegserklärung an die Heloten und die anschließende sanktionierte Tötung einzelner Heloten durch angehende Spartiaten4 – erst im 4. Jahrhundert v. Chr. entstanden ist. Die Krypteia sei, so die Autorin, das (militärtaktische) Ergebnis eines umfassenden Anpassungsprozesses („adaption“, besonders S. 175ff.) durch Sparta nach dem Verlust Messeniens (369 v. Chr.). Im Anschluss widmet sich Marcello Lupi (S.185ff.) dem System der fünf Dörfer („obai“) in Sparta. Ausgehend von einem komplexen Überlieferungsgeflecht entwickelt der Autor dabei eine (in Teilen durchaus faszinierende) These, die die territoriale Gliederung Spartas nach fünf Dörfern („obai“) in archaischer und klassischer Zeit fast gänzlich in Frage stellt (S. 195ff.). Vor allem vertritt der Autor die Ansicht, die territoriale wie städtebauliche Gestalt Spartas habe auch in klassischer Zeit in wesentlichen Aspekten die drei dorischen Stämme der spartanischen Frühzeit widergespiegelt (S. 199ff).5

Im folgenden Beitrag, der den letzten Teil des Sammelbandes eröffnet, wendet sich Noreen Humble (S. 219ff.) der Frage zu, welche Faktoren für die militärische Überlegenheit Spartas in klassischer Zeit verantwortlich gewesen sind.6 Ausgehend von einer Bemerkung Xenophons – dieser lobt die Fähigkeit der Lakedaimonier, selbst im Falle der Unordnung („disorder“) auf dem Schlachtfeld noch erfolgreich weiter kämpfen zu können (Xen. Lak. pol. 11,7) – kommt die Autorin zu einem überraschenden Ergebnis. Nach ihrer Ansicht hat der militärische Vorteil der Lakedaimonier häufig nur in einer (erziehungsbedingten) besseren physischen Kondition der spartanischen Hopliten bestanden. Dennoch lasse sich gleichwohl zeigen, dass auch diese Äußerung des Xenophon eine Kritik an der Anpassungsfähigkeit des spartanischen (Erziehungs-)Systems beinhaltete. Einem durchaus verwandten Aspekt widmet sich im Anschluss Ellen Millender (S. 235ff.), die in ihrem Beitrag die Bedeutung der Söldner („mercenaries“) in spartanischen Diensten untersucht. Angesichts des steten Bevölkerungsrückgangs im 4. Jahrhhundert v. Chr. habe es Sparta vor allem durch die Verpflichtung von Söldnern vermocht, das Schwinden spartanischer Vollbürger gegenüber ihren Bündnispartnern wirkungsvoll zu verschleiern, so die Autorin. Aus Sicht Millenders war diese Taktik dabei vor allem durch den bewussten Export militärischen Knowhows und durch die gezielte Rekrutierung peloponnesischer Söldner erfolgreich (S. 246). Auch sei es Sparta auf diesem Wege gelungen, ihren Einflussbereich selbst dann noch zu vergrößern, als die Stadt den Zenit ihrer Macht bereits überschritten hatte (S. 253).

Im Mittelpunkt des Beitrags von François Ruzé (S.267ff.) steht die Frage, in welcher Art und Weise die Polis Sparta Sympathisanten in anderen Städten politisch einsetzte und von deren Verrat („treachery“) an ihrer Heimatstadt profitierte (S. 268). Dabei zeigt sich nach Ansicht Ruzés zunächst, dass Sparta Streitigkeiten innerhalb anderer Poleis häufig geschickt für ihre Zwecke ausgenutzt hat. Anhand verschiedener Beispiele ließen sich zudem unterschiedliche Strategien spartanischen Vorgehens aufzeigen, so der Verfasser. So gäbe es in den Beziehungen zu Argos zahlreiche Gelegenheiten, die deutlich machten, dass Sparta verschiedentlich Verrat lancierte, um die peloponnesische Erzfeindin dauerhaft zu schwächen (S. 269ff.). An anderer Stelle habe es das Mittel des Verrats Sparta wiederum erleichtert, griechische Poleis letztlich als Verbündete zu gewinnen (S. 272ff.). In kleineren Poleis habe Sparta dagegen seine politischen Einflussmöglichkeiten eingesetzt, um eine oligarchische Regierungsform und einen eindeutig pro-spartanischen Kurs durchzusetzen (S. 275ff.).

Am Ende des Sammelbandes steht schließlich ein Beitrag von Anton Powell. Dieser untersucht die Frage, warum die Spartaner trotz ihrer militärischen Möglichkeiten sowohl 404 als auch 403 v. Chr. jeweils darauf verzichteten, Athen zu zerstören (S. 287ff.). Dabei kommt der Autor zu dem Schluss, dass die Schonung Athens das Ergebnis einer erbitterten innenpolitischen Debatte war, in der Lysander und seine Anhänger die Exponenten des anti-athenischen Lagers in Sparta bildeten. Entgegen der Darstellung der antiken Quellen sei der Verzicht auf die Zerstörung zudem nicht (allein) auf die Verdienste Athens in den Perserkriegen zurückzuführen (S. 292f.). Zwar habe die Furcht vor den negativen ideellen Folgen einer Vernichtung Athens die spartanische Entscheidung grundlegend beeinflusst, daneben hätten jedoch auch eine Reihe ‚realpolitischer’ Überlegungen für Sparta eine wichtige Rolle gespielt. Den Ausschlag habe letztlich aber vor allem die Sorge gegeben, dass eine Verheerung Athens einen unkontrollierbaren Geldtransfer nach Sparta zur Folge haben und die Solidarität der spartanischen Gemeinschaft nachhaltig gefährden könnte (297ff.). Im Ergebnis zeige sich, so Powell, dass die spartanischen Entscheidungen von 404 und 403 v. Chr. jeweils einen sehr konkreten (politischen) Hintergrund hatten und nicht Folge einer abstrakten historischen Weitsicht gewesen sind (obwohl die Nachwelt von der spartanischen Schonung Athens in besonderem Maße profitiert hat).

Anmerkungen:
1 Der Autor wendet sich (S. 3) stellvertretend gegen die Deutungen von Douglas M. MacDowell, Spartan Law, Edinburgh 1986, S. 42ff. und Stefan Link, Der Kosmos Sparta. Recht und Sitte in klassischer Zeit, Darmstadt 1994, S. 22f.; 84f., die jeweils (nur) einen der beiden Aspekte betonen.
2 Wenn auch mit aller Vorsicht formuliert (S. 67), vermag die Deutung der „agathoergoí“ („Wohltäter“) als Mitglieder der „kleinen Ekklesia“ (Xen. Hell. 3,3,8) in Sparta nicht wirklich zu überzeugen. Vgl. dagegen die Interpretation von Andreas Luther, Könige und Ephoren. Untersuchungen zur spartanischen Verfassungsgeschichte, S. 95ff.
3 Diese weitgehend schmucklosen Grabsteine machen in der Regel nur durch ihre Aufschrift kenntlich, dass es sich bei den Toten um Personen handelt, die im Krieg („en-polémo“) für die Polis Sparta gefallen sind (bes. S. 87f.).
4 Die Autorin (S. 175f. mit Quellenbelegen) entwickelt damit vor allem ein Gegenmodell zu der Ansicht Jean Ducats, der die Krypteia als wesentlichen Teil des spartanischen Erziehungssystems bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. verortet. Vgl. Jean Ducat, Spartan Education. Youth and Society in the Classical Period, Swansea 2006, besonders S. 281ff., mit Literatur)
5 Marcello Lupi ist sich der Tatsache bewusst, dass er sich mit seiner These im Gegensatz zur gegenwärtig vorherrschenden Meinung bewegt (siehe besonders S. 207, Anmerkung 1). Tatsächlich kann der Autor nicht alle diesbezüglichen Zweifel ausräumen. So gelingt es ihm beispielsweise nicht, die Fünfzahl bestimmter spartanischer Ämter (z. B. des Ephorenamts) mit seiner These in Einklang zu bringen.
6 Noreen Humble weist zu Recht darauf hin, dass die Spartaner vor der Schlacht von Leuktra (371 v. Chr.) eine hohe und beinahe unangefochtene Reputation als Soldaten besaßen. Siehe dazu S. 219, Anmerkung 4 (mit Quellenbeispielen).

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