Cover
Titel
Hatschepsut. Eine Frau als König von Ägypten


Autor(en)
Schnittger, Marianne
Reihe
Zaberns Bildbände zur Archäologie
Erschienen
Mainz am Rhein 2008: Philipp von Zabern Verlag
Anzahl Seiten
150 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Nadig, Seminar für Alte Geschichte, Universität Mannheim

Nur wenige Institutionen hatten einen so langen Fortbestand wie das altägyptische Königtum. Seine Insignien blieben zumindest nach außen hin im Bildprogramm über 3000 Jahre weitgehend unverändert. Doch nach dem ägyptischen Königsdogma war der „König“ immer ein Mann. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nachvollziehbar, dass es für den Begriff König in der ägyptischen Sprache keine weibliche Entsprechung gab. Im Alten Ägypten wurde daher die „Königin“ je nach ihrer Stellung am Hofe mit verschiedenen Titeln belegt, von denen die Bezeichnung „Frau des Königs“ am häufigsten war. Einige Königsgemahlinnen hatten sogar enormen Einfluss am Hof (wie Teje oder Nofretete) und werden bei Handlungen bildlich dargestellt, die eigentlich dem König selbst vorbehalten waren. Keineswegs ungewöhnlich war auch die Regentschaft der Königsmutter für ihren unmündigen Sohn. Dennoch regierten in der langen Geschichte des Alten Ägypten nur sehr selten Frauen wirklich alleine. In den wenigen Fällen, wo dies geschah, gelang dies nur, wenn die Monarchin als weiblicher König auftrat. Eine Frau, auf die dies zutraf, war Hatschepsut, die Tochter Thutmosis’ I. aus der 18. Dynastie. Aufgrund ihres ungewöhnlichen Wirkens, das sich besonders durch ihren berühmten Totentempel Djeser djeseru (Heiligtum der Heiligtümer) in Deir el-Bahri manifestiert, wird sie in der modernen Rezeption zu den bedeutendsten Königsgestalten Ägyptens – wenn nicht der Weltgeschichte – gezählt. Nach der kurzen Regierung ihres Ehemannes und Halbbruders Thutmosis’ II. herrschte sie für über 20 Jahre, zunächst als Regentin für ihren jungen Neffen und Stiefsohn Thutmosis III., später als dessen „Koregent“, de facto aber als „König“. Zwei Jahrzehnte nach ihrem Tode verfiel ihr Andenken der damnatio memoriae: ihr Name und ihre Flachbildnisse wurden von den meisten ihrer Bauten weggemeißelt und ihre Statuen zerschlagen. Die archäologischen Quellen zu Hatschepsut sind mitunter ambivalent und haben schon seit ihrer Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert manchmal zu abwegigen Rückschlüssen und Spekulationen geführt.

Die Ägyptologin Marianne Schnittger thematisiert in ihrer Monographie in der Reihe Zaberns Bildbände zur Archäologie das Königtum der Hatschepsut vornehmlich am Bildprogramm der „Roten Kapelle“. Dieses aus rotem Quarzit errichtete Stationsheiligtum für die Barke des Gottes Amun-Re stand ursprünglich im Tempel von Karnak. Viele seiner Steinblöcke wurden später als Füllmaterial im dritten Pylon von Karnak verbaut und erst in den letzten 111 Jahren wieder gefunden. Ende der 1990er-Jahre wurde die Rote Kapelle im Freilichtmuseum von Karnak unter Verwendung dieser Fundstücke wieder aufgebaut. Trotz einiger Lücken sind sie eine sehr wichtige Quelle für die Selbstdarstellung der Hatschepsut, denn auf den meisten der erhaltenen Blöcke sind ihre Namen und Bildnisse nicht getilgt worden. Der Untertitel „Eine Frau als König von Ägypten“ macht zugleich auch die eingangs erwähnte Grundregel des Königsdogmas deutlich, denn Hatschepsut regierte formal als „König“. Auf der Grundlage ausgewählter Quellen untersucht Schnittger, auf welche Art und Weise sie es schaffte, in dieser Funktion akzeptiert zu werden, obwohl sie eine Frau war.

In drei Hauptkapiteln wird der Leser behutsam an die Thematik herangeführt. In „Hatschepsut in ihrer Zeit“ (S. 9–60) skizziert Schnittger die historische Ausgangslage: die Wiederentdeckung Hatschepsuts, ihre Geburtslegende, Vorfahren und dynastische Stellung sowie die Götterwelt ihrer Zeit und das ägyptische Königtum. Aufschlussreich sind die Kapitel, die den Aufstieg der Herrscherin von der Großen Königsgemahlin Thutmosis’ II. bis zur Regentin für Thutmosis III. und letztendlich ihre Machtergreifung umfassen (S. 19–28 und 38–48). Hier wird etwa der Frage nachgegangen, inwieweit sie bereits Koregentin ihres Vaters war und ob ihr Brudergemahl tatsächlich sogar in ihrem Schatten stand. Einer kurzen Einleitung zu den wenigen weiblichen Königen Ägyptens 1 folgt eine Erörterung der Königstitulatur bzw. der fünf Königsnamen der Hatschepsut. Einige wichtige Elemente dieser Titulatur konnten teilweise feminin geschrieben werden, während etwa der Thronname (nesu-bit) männlich blieb. Im Anschluss daran werden die Quellen zu ihrer Krönung behandelt. Der zweite Abschnitt „Hatschepsut und ihre Rote Kapelle“ (S. 61–116) ist das Kernstück des Buches. Schnittger erklärt hier ausführlich die diversen Feste und Kulthandlungen im Bildprogramm des Barkenheiligtums. Bei den Reliefdarstellungen der Roten Kapelle fällt auf, dass Hatschepsut nicht mit individuellen Zügen, sondern als Mann dargestellt wird. Auch wird sie öfters mit ihrem Mitregenten Thutmosis III. bei Kulthandlungen gezeigt, wobei sie sich äußerlich und rangmäßig kaum von ihm unterscheidet. In einem eigenen Abschnitt untersucht Schnittger die Hinweise für ein mögliches Sedfest der Herrscherin (S. 106–116). Sie weist darauf hin, dass es dafür bislang keine absolute Gewissheit gibt, aber einige Szenen der Roten Kapelle dieses Jubiläum im 16. Regierungsjahr nahe legen. Der Schlussabschnitt gilt „Hatschepsut in der Forschung heute“ (S. 117–134). In vier Unterkapiteln werden die unterschiedlichen Darstellungen des weiblichen Königs in der Bildplastik, die „sogenannten Legitimationslegenden“, der Kanzler Senenmut als Erzieher von Hatschepsuts Tochter Neferure sowie die nach dem Tod erfolgte Verfemung besprochen.

Es ist nicht Schnittgers Absicht, einen umfassenden biographischen Bildband zum Leben der Hatschepsut vorzulegen, zumal dieses auch den Rahmen sprengen würde.2 Mittelpunkt ihrer Darstellung ist die Entwicklung und Umsetzung von Hatschepsuts Rolle als König auf der Basis der Roten Kapelle. Es sind eben gerade diese Reliefs, die aufgrund ihres Erhaltungszustandes diese Fragestellung treffend illustrieren. Die Bildauswahl ist sehr gut gelungen, und besonders der ägyptologisch weniger bewanderte Leser wird hier in einer recht verständlichen Weise in die komplexe Themenwelt des Alten Ägyptens eingeführt. Gelegentlich sind wichtige Namen und Begriffe in Hieroglyphen im Text eingefügt und erklärt. Zu vielen der ausgewählten Abbildungen von Reliefszenen bringt Schnittger eine Übersetzung der begleitenden Hieroglypheninschrift in der jeweiligen Bildbeschreibung. Die dazugehörigen Umschriften in ägyptischer Sprache sind in einem Anhang aufgelistet (S. 137–139). Neben den zahlreichen Fotografien ergänzen diverse Tabellen, genealogische Tafeln, Lagepläne von Tempeln und Prozessionswegen, ein Glossar sowie ein Literaturverzeichnis diesen ästhetisch sehr schön gestalteten Bildband.

Alle relevanten Theorien zu Hatschepsut werden von Schnittger kompetent und auf hohem Niveau angesprochen, wobei sie erfreulicherweise zurückhaltend bei umstrittenen Interpretationen bleibt. Dies gilt im besonderen Maße für die üblichen Spekulationen über Hatschepsuts Verhältnis zu ihrem Kanzler Senenmut, der in der Forschung gelegentlich immer noch als ihr Liebhaber und Vater ihrer Tochter Neferure gedeutet wird.

Anmerkungen:
1 Neben Hatschepsut waren dies Neferusobek (Ende der 12. Dynastie) und Tausret (Ende der 19. Dynastie).
2 So sind z.B. nur wenige Abbildungen vom Totentempel in Deir el-Bahri im Buch anzutreffen. Bilder etwa zur Geburtslegende, dem Transport der Obelisken auf dem Nil nach Theben oder zur Fahrt nach Punt fehlen. Streng genommen rechtfertigt Djeser djeseru eine selbständige Bildmonographie, die zumindest für einen größeren Leserkreis immer noch ein Desiderat ist.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Epoche(n)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension