L. Verhart: Den Kelten auf der Spur

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Titel
Den Kelten auf der Spur. Neue archäologische Entdeckungen zwischen Nordsee und Rhein


Autor(en)
Verhart, Leo
Erschienen
Mainz am Rhein 2008: Philipp von Zabern Verlag
Anzahl Seiten
207 S.
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Josef Löffl, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Universität Regensburg

Bei der Publikation „Den Kelten auf der Spur. Neue archäologische Entdeckungen zwischen Nordsee und Rhein“ handelt es sich um den Begleitband zur Ausstellung „Das Geheimnis der Kelten“ im städtischen Museum Burg Linn (Krefeld). Auf den ersten Blick sticht positiv ins Auge, dass der niederländische Autor Leo Verhart dabei die übliche Konzeption derartiger Begleitveröffentlichungen durchbricht. Anstatt dem Leser einen Katalog der Ausstellungsstücke nebst einigen literarischen Versatzbrocken vorzusetzen, offeriert Verhart einen gelungenen Übersichtsband zur Geschichte der Kelten im Raum der Benelux-Staaten: „Was passierte eigentlich am Rand der keltischen Welt, im Nordwesten des europäischen Kontinents?“ (S. 9) Inhaltlich auf diese zentrale Frage ausgerichtet liefert bereits die Einleitung (S. 11-15) einen prägnanten Kurzüberblick von den ersten literarischen Zeugnissen in der antiken Literatur und den mit ihnen einhergehenden stereotypen Darstellungen der Kelten bis zur Reflexion keltischer Geschichte in der Frühen Neuzeit. Hierbei wird der methodische Schwerpunkt Verharts deutlich: Er verweist darauf, dass nur die Archäologie in der Lage ist, die von Topoi griechischer und römischer Ethno- und Historiographie überlagerten Vorstellungen zum Wesen der Kelten auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.

Beim ersten Kapitel der mit zahlreichen qualitativ hervorragenden Abbildungen von Fundstücken, Rekonstruktionen und Kartenmaterial versehenen Publikation handelt es sich um einen leicht verständlichen Abriss der keltischen Geschichte in Mitteleuropa von der späten Bronzezeit bis zur römischen Kaiserzeit. Dabei werden neben der historischen Faktenlage auch forschungsgeschichtliche Aspekte anschaulich behandelt (S. 18-20). Erfreulicherweise überschreitet Verhart nie die Grenze von der Keltologie zur Keltomanie: Er thematisiert im Kapitel „Wie keltisch waren unsere Landstriche?“ (S. 49-56) den schwierigen wissenschaftlichen Umgang mit „den“ Kelten und weist auf die Schwierigkeiten ethnographischer Zuweisungen hin. Erfreulich ist die hier zur Anwendung gebrachte Kombination zwischen herkömmlichen Methoden, wie etwa dem Weg der Linguistik (S. 50-52), und naturwissenschaftlichen Analysemodellen (S. 55).

Mit dem dritten Kapitel, in dem die Hallstattzeit zwischen Nordsee und Rhein (S. 57-72) behandelt wird, beginnt die chronologische Gliederung des Bandes. Wunderbar gelungen ist der Spagat zwischen allgemeinen historischen Hinführungen wie etwa zum Aspekt der lokalen Eliten, der so genannte Fürsten (S. 57-59), und den Ergebnissen konkreter archäologischer Untersuchungen (wie etwa beim „Fürsten von Oss“, S. 59-61). Das Hauptaugenmerk der Darstellung gilt aber der Frage nach dem Leben des „einfachen Mannes“ (S. 67-71), was im Kapitel „Kelten zwischen Nordsee und Rhein (S. 73-114) noch deutlicher wird. Dieser Abschnitt, der sich mit der keltischen Landwirtschaft und allen damit verbundenen Facetten auseinandersetzt, ist zweifelsohne das Kernstück der Publikation. Dabei stellt der Autor eine Analyse der damaligen Bodenbeschaffenheit und der ökologischen Situation im Allgemeinen voran und leitet dann zu den Aspekten des Nutzpflanzenanbaus, der Viehhaltung und der damit verbundenen Lebens- und Siedlungsweise über (S. 80-98). Des Weiteren wird die Rolle einzelner Gattungen von Gebrauchsgütern angesprochen: Keramik (S. 99–100), Metalle (S. 100-103), Leder und Textilien (S. 103-104) und Glas (S. 105-107).

Das Kapitel „Die Machtübernahme“ (S. 115-144) ist ganz der Blütezeit keltischer Herrschaftssysteme in Europa gewidmet. Verhart geht dabei ausführlich auf die Herausbildung befestigter Siedlungszentren, der so genannten oppida, ein. Wiederum werden historische Hinführung und Verweise auf einzelne Ausgrabungen miteinander kombiniert, worunter die Lesbarkeit jedoch nie zu leiden hat. Neben der Analyse der Grabkultur dieser Epoche ist vor allem die Darstellung der Einbindung der keltischen Welt in die internationalen Handelssysteme der Antike von zentraler Bedeutung (S. 137-144). Weniger gelungen ist der Versuch des Autors, auf die Frage zu antworten, ob die Archäologie die keltischen Jenseitsvorstellungen klären kann. Zwar stellt Verhart einige Begräbnisstätten aus dem Raum zwischen Nordsee und Rheinland mit teilweise markanten Unterschieden in der Befundsituation vor, aber eine Antwort auf die gestellte Frage bleibt er schuldig. Leider wurde bei diesem Themenbereich der Aspekt der altphilologisch-historischen Hinführung vernachlässigt.1 Wiederum gelungen aber ist die Skizzierung der Entwicklungsgeschichte verschiedener keltischer Heiligtümer von ihren Anfängen bis zum Bau imposanter Tempelanlagen (S. 154-164). Zentral ist der (leider sehr kurz geratene) Abschnitt „Eine Gesellschaft im Fokus“ (S. 166-169), indem der Autor rechtfertigt, warum die relevanten Bevölkerungsgruppen als Teil einer „keltischen Gesellschaft“ betrachtet werden.

Enttäuschend ist die Lektüre des Kapitels „Besiegt und besetzt“ (S. 171-186), in dem die Eingliederung großer Teile der keltischen Welt in den Machtbereich Roms thematisiert wird, wobei sich Verhart insbesondere auf die Kriege Caesars in Gallien konzentriert und in der Folge leider fast nahtlos auf die Assimiliationsprozesse der römischen Kaiserzeit übergeht. Viel zu kurz wird die entscheidende Frage nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten im keltischen Leben am Übergang zur römischen Herrschaft behandelt.2 Das Schlusskapitel „Das keltische Erbe“ (S. 187-197) spannt einen Bogen von irisch-schottischen Missionstätigkeit bis zur „keltischen Romantik“ der Frühen Neuzeit und rundet die Darstellungen mit einem Ausblick ab.

Als Fazit gilt es festzuhalten, dass es sich bei der Publikation „Den Kelten auf der Spur“ um einen einsteigerfreundlichen Überblicksband handelt, der dem Leser in ansprechender Form ein dem aktuellen Stand der Forschung angemessenes Bild offeriert und daher uneingeschränkt zum Kauf empfohlen werden darf.

Anmerkungen:
1 Als Lektüre für diesen Themenbereich zu empfehlen: Hofeneder, Andreas, Die Religion der Kelten in den antiken literarischen Zeugnissen. Bd.1: Von den Anfängen bis Caesar, Wien 2005; Vgl. dazu die Rezension von Holger Müller, H-Soz-u-Kult, 27.02.2006 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-1-132>.
2 Als Ergänzung siehe: Hüssen, Claus-Michael; Irlinger, Walter; Zanier, Werner (Hrsg.), Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau. Akten des Kolloquiums in Ingolstadt am 11. und 12. Oktober 2001, Bonn 2004.

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