P. Kruschwitz u.a. (Hrsg.): Terentius Poeta

Cover
Titel
Terentius Poeta.


Herausgeber
Kruschwitz, Peter; Ehlers, Widu W.; Felgentreu, Fritz
Reihe
Zetemata 127
Erschienen
München 2007: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
XII, 235 S.
Preis
€ 58,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Weißenberger, Institut für Altertumswissenschaften, Universität Greifswald

Der vorliegende Band vereint 14, von 13 Verfassern stammende Beiträge, die anlässlich einer internationalen Tagung vom 24. bis 26. Juni 2005 an der Freien Universität Berlin zum Thema ‚Terentius Poeta‘ vorgestellt wurden. Im Vorwort konstatieren die Herausgeber, dass die Terenzforschung trotz ihrer Produktivität von drei schwerwiegenden Defiziten geprägt sei, nämlich dem Fehlen einer verlässlichen, den aktuellen Forschungsstand wiedergebenden Textedition sowie dem Mangel an umfassenden wissenschaftlichen Kommentaren und an grundlegenden Untersuchungen zu Sprache und Metrik. Die Forschung auf diesen Gebieten voranzutreiben, ist das Ziel der Tagung; zentrales Anliegen sei es überdies, deutlich zu machen, „dass Terenz als eigenständiger Autor mit eigenem Anspruch, eigenen ästhetischen Maßstäben und eigenen Aussageabsichten aufzufassen ist – nicht allein als Epigone griechischer Komiker, der deren Ansprüchen und intellektuellem Horizont nicht gewachsen war“ (S. VIII). Der Tagungsband bezieht damit in einer alten, heute nicht mehr oben auf der Tagesordnung stehenden, aber darum keineswegs erledigten Kontroverse der Forschung zu Terenz und der römischen Komödie insgesamt eindeutig Position, ohne dass dies explizit begründet würde.

Die Beiträge sind auf vier Sektionen verteilt, deren erste der Geschichte und Rezeption des Terenztextes gewidmet ist. Zum Auftakt gibt Benjamin Victor, der seit Jahren an einer neuen Gesamtausgabe für die Collection Budé arbeitet, einen instruktiven Bericht über seine bisherigen Ergebnisse, die sich auf den Text der ‚Andria‘ und der ‚Hecyra‘, in geringerem Maße auch des ‚Eunuchus‘ beziehen: Anhand einer Reihe von Beispielen aus Terenz’ frühestem Stück macht Victor deutlich, dass für die Textkonstitution auch bisher nicht berücksichtigte Handschriften herangezogen werden müssen, da sie immer wieder beachtenswerte und von den beiden Hyparchetypen der mittelalterlichen Tradition offenbar unabhängige Lesarten enthalten. Die drei übrigen Beiträge dieser Sektion gelten der Terenz-Kommentierung: Robert Maltby untersucht am Beispiel des ‚Phormio‘ Wert und Aussagekraft von Donats Kommentar hinsichtlich des Verhältnisses zur griechischen Vorlage, zu Fragen der Aufführungspraxis sowie zur Angemessenheit von Sprache und Stil für die jeweiligen Figurentypen; zu den im Titel angekündigten „Stegreifelementen“ findet man allerdings nicht sehr viel. Claudia Villa befasst sich mit Genese, Vielfältigkeit und gegenseitiger Beeinflussung mittelalterlicher Terenzkommentare, wobei allerdings nicht mehr als die immense Komplexität der Materie deutlich wird. Dagegen gelingt Rainer Jakobi eine sehr präzise und klare Charakterisierung eines aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts stammenden Kommentars zu Terenz; im Mittelpunkt seiner Abhandlung steht eine sorgfältige Quellenanalyse, die unter anderem zu dem Ergebnis führt, dass das sogenannte Commentum Brunsianum „der erste Versuch einer elementaren schulischen Aufbereitung des Terenz“ (S. 48) sei.

Um „Metrik und Musik“ geht es in der zweiten Sektion: Marcus Deufert analysiert in einem sehr material- und ergebnisreichen Beitrag Eigenheiten des Versbaus bei Terenz; einerseits zeige der Dichter in vielschichtiger Weise deutliche Abweichungen von den typischen Merkmalen altlateinischer Verskunst (Zusammenfallen von syntaktischer und metrischer Einheit, starres Zäsursystem mit Lizenz für Hiat und brevis in longo an den Zäsurstellen), wobei auch eine Entwicklung von den älteren zu den jüngeren Stücken erkennbar sei; andererseits lasse sich die These, dass Terenz radikal mit der Praxis des altlateinischen Versbaus gebrochen habe, eindeutig widerlegen, was Deufert durch differenzierte Statistiken zur Häufigkeit der verschiedenen Typen des Enjambements in zwei Komödien des Menander, zwei des Plautus und allen sechs des Terenz überzeugend nachweist. Typisch für diesen sei die signifikant unterschiedliche Häufigkeit des Enjambements in monologischen bzw. dialogischen Partien. Renato Raffaelli beschreibt in seinem mit schönen Tafeln illustrierten Beitrag, wie in dem spätantiken Codex Bembinus linksseitige Einrückungen unterschiedlichen Grades dazu eingesetzt werden, verschiedene Verstypen graphisch zu markieren. Die Bedeutung der Musik für die Komödien des Terenz untersucht Timothy J. Moore: Zwar ist in dessen Stücken sowohl die metrische Vielfalt als auch der Anteil musikalisch begleiteter Verse bekanntlich geringer als bei Plautus, doch setze Terenz Metren- und damit Musikwechsel absichtsvoll ein, um Figuren der Handlung, insbesondere Liebespaare, unterschiedlich zu charakterisieren. Die Konsequenz der Benutzung von jeweils das gesamte Stück durchziehenden musikalischen Mustern verstärke sich kontinuierlich vom frühesten bis zum spätesten Stück.

Die drei Beiträge der dritten Sektion beleuchten Aspekte der Sprache des Terenz: Roman Müller klärt in eingehender Analyse die Bedeutung der Ausdrücke puri sermonis amator (Caesar über Terenz, vgl. Suet. v. Ter. 7, 9) und pura oratio (Haut. 46). Caesar meine damit die Einfachheit und klare Verständlichkeit der Sprache, die sich konkret beispielsweise in „der Ablehnung von Gräzismen und Nominalkomposita“ (S. 124) manifestiere. Im Prolog des ‚Hautontimorumenos‘ werde dagegen nicht von Sprachreinheit oder ähnlichem gesprochen, sondern eine ‚reine Sprechrolle‘ angekündigt. Andreas Bagordo legt eine detaillierte sprachstatistische Studie vor, die am Beispiel des ‚Eunuchus‘ erweist, dass es bei Terenz weder in den Prologen noch in den Langversen einen besonderen Stil gibt; die Frequenz der rhetorischen Figuren sei hier ebenso hoch wie in den Senaren. Ausgehend von Fanthams grundlegender Studie 1 untersucht Robert Maltby die Häufigkeit metaphorischer Sprache in den einzelnen Stücken sowie die Verteilung verschiedener Bildertypen auf die Charaktere. Es ergibt sich, dass Metaphorik in ‚Andria‘ und ‚Hecyra‘ am sparsamsten eingesetzt wird, am häufigsten dagegen in ‚Eunuchus‘ und ‚Phormio‘, während deren Frequenz im jüngsten Stück, den ‚Adelphoe‘, wieder etwas zurückgeht. Insgesamt erkennt Maltby in der kurzen Schaffensphase des Dichters eine Tendenz zu zunehmendem Einsatz einer derjenigen des Plautus ähnlichen Metaphorik und hält zudem fest, dass in den beiden jüngsten Stücken die Bildsprache auf jeweils eine Person (Phormio bzw. Demea) konzentriert sei.

Die vierte, der ‚Dramaturgie und Ästhetik‘ gewidmete Sektion eröffnet ein Beitrag von Ortwin Knorr, der die bei Plautus sehr häufigen, bei Terenz selteneren und subtiler gestalteten Durchbrechungen der dramatischen Illusion durch Metatheatralik, also Bezugnahmen des Theaters auf sich selbst, untersucht. Solche Selbstbezugnahmen können sich, wie anhand einiger bisher nicht in diesem Sinne gedeuteter Beispiele aus ‚Andria‘, ‚Hecyra‘ und ‚Eunuchus‘ gezeigt wird, sowohl verbal als auch visuell manifestieren. Peter G. McC. Brown befasst sich mit der durch Auftreten bzw. Abgehen von Personen erfolgenden Steuerung des Handlungstempos, darunter auch Spannungsbögen, die mittels angekündigten und dann lange hinausgezögerten Auftritten erzeugt werden. Im Mittelpunkt steht Terenz’ spätestes Stück ‚Adelphoe‘, da dieses „the clearest and most brilliant example of Terence’s control over the movements of his characters“ bietet (S. 184). Der Konflikt zwischen dem senex Simo und dem Sklaven Davos in der ‚Andria‘ ist Thema des Beitrages von Eckard Lefèvre: Im Einklang mit seiner aus vielen Publikationen vertrauten Überzeugung von der poetischen Eigenständigkeit der römischen Komödie interpretiert der renommierte Terenzforscher diesen Zweikampf als einen aus dem Handlungsrahmen nicht vollständig ableitbaren Selbstläufer, ein Muster, das „so urplautinisch wie unmenandrisch“ (S. 195) sei; entschieden wendet sich Lefèvre gegen Versuche, die Figur des Simo als Ergebnis einer Kontamination der senes aus den beiden Vorlagestücken Menanders (Andria und Perinthia) zu sehen. Im letzten Beitrag des Bandes regt Dwora Gilula an, die Komödien weniger als literarische Texte zu verstehen, sondern als den verbalen Teil einer auf der Bühne sich abspielenden Handlung. Ihre Ausführungen zum Unterschied zwischen ‚story‘ und ‚plot‘ sowie zur Darstellung von eigentlich nicht Darstellbarem (insbesondere Geburten und Vergewaltigungen) tragen allerdings nichts Neues zu diesen vielfach behandelten Themen bei.

Insgesamt ist es den Herausgebern gut gelungen, einen repräsentativen Überblick über die aktuelle Terenzforschung in ihren unterschiedlichen Facetten zu vermitteln. Ein wenig zu kurz kommt meines Erachtens lediglich die – mit dem uns zur Verfügung stehenden Material zugegebenermaßen kaum zu beantwortende – Frage nach dem Verhältnis der Stücke des römischen Komödiendichters zu seinen griechischen Vorlagen, die ja zu einer richtigen Einschätzung des Grades der im Vorwort des Buches postulierten dichterischen Eigenständigkeit des Terenz einen unverzichtbaren Beitrag liefern würde.

Anmerkung:
1 Fantham, Elaine, Comparative Studies in Republican Latin Imagery, Toronto 1972.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension