E. Bridges u.a. (Hrsg.): Cultural Responses

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Titel
Cultural Responses to the Persian Wars. Antiquity to the Third Millennium


Herausgeber
Bridges, Emma; Hall, Edith; Rhodes, P. J.
Erschienen
Anzahl Seiten
XV, 453 S.
Preis
£ 80.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Charlotte Schubert, Universität Leipzig

Die Perserkriege haben Konjunktur: In Film und Kino unübersehbar (vor allem Zack Snyders Verfilmung von Frank Millers ‚300‘ hat 2007 für Furore gesorgt), aber auch in der Bestsellerliteratur (Pressfields ‚Gates of Fire‘, 1998), in Musik, Theater und Rezeptionsgeschichte. Der vorliegende Sammelband, hervorgegangen aus einer von Emma Bridges (damals noch Emma Clough) organisierten Tagung des Department of Classics and Ancient History an der Durham University im Juli 2003, umfasst dazu einschlägige Beiträge von Wissenschaftlern englischer und amerikanischer Universitäten.

Die Herausgeber Bridges, Hall und Rhodes beschreiben in einer umfangreichen Einleitung die Konzeption des Bandes, der mit einem sehr breit angelegten, interdisziplinären Ansatz die Rezeption der Perserkriege von der Antike bis in die unmittelbare Gegenwart untersucht. Der Kerngedanke ist die These, dass die Perserkriege einerseits Anlass für ein ganzes Netz von Bezügen und Anspielungen, Auseinandersetzungen und Reflexionen sind, andererseits aber auch Ursache einer weitreichenden Rezeption und Nachwirkung, die in westlichen Vorstellungen von Freiheit und Demokratie begegnen.

Entsprechend der Schwerpunktsetzungen sind die Beiträge in fünf Sektionen zusammengefasst, von denen sich zwei der Antike, jeweils eine der Renaissance und Aufklärung, dem 19. und dem 20. Jahrhundert widmen. Rhodes eröffnet die Reihe der Beiträge der ersten Sektion („Archetypal Theme“) mit einer Beschreibung der Ambivalenz, die im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. gegenüber den zum Urbild der Barbaren hochstilisierten Persern zu erkennen ist, die aber je nach politischer Lage und Erfordernissen auch beiseite gelegt werden konnte. Haubold zeigt im Hinblick auf Onomakritos’ Orakelsammlung (Hdt. 7,6) und Xerxes’ Bezugnahme auf Troja und Priamos (Hdt. 7,43), dass vor der aus späterer Zeit zu erkennenden Dominanz des Barbarenbildes konkurrierende Vorstellungen im Umlauf waren, die – nicht ganz ohne Akzeptanz bei den Griechen – eine Adaption griechischer Vorstellungen an die persische Herrschaftskonzeption transportieren sollten. Boedeker rekonstruiert, ausgehend von Hdt. 9,65,2, für die eleusinische Demeter eine attische Tendenz, diese Göttin als Patronin des griechischen, insbesondere aber natürlich des attischen Freiheitskampfes gegen die Perser analog zum delphischen Apoll aufzubauen.

Ebenso wie in dieser ersten Sektion originelle, zum Teil durchaus neue Perspektiven präsentiert werden, lässt sich dies auch in der zweiten Sektion („Ancient Variations“) erkennen: Rowe eröffnet diese mit einer Analyse von Platons Kritik an den Athenern, die sich Platons Ansicht nach weder bei Marathon noch bei Salamis durch ihren besonderen Charakter ausgezeichnet hätten. In dem folgenden Beitrag zeigt Marincola, dass sich demgegenüber in der historiographischen Literatur ein Wettstreit der politischen Protagonisten (Athen, Sparta, Korinth) um den Hauptverdienst am Sieg über die Perser niedergeschlagen hat.

Hardie erläutert die vielschichtigen Bezüge und Rückgriffe auf die Perserkriege in den Auseinandersetzungen zwischen Alexander und den Persern, aber vor allem in denjenigen der Römer gegenüber den Parthern. Dabei treten die literarischen (Vergil, Horaz) und szenischen (Salamis-Naumachien 2 v.Chr. und 57/ 58 n.Chr.) Elemente einer eigenen Perserkriegsikonographie offen zutage. Der von Pelling ausführlich behandelte Plutarch ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die unterschiedlichen Strömungen sogar innerhalb ein und desselben Werks niederschlagen können: als negativ-kritische Sichtweise der herodoteischen Darstellung der Perserkriege in de malignitate Herodoti, als maßvoll kritische in der Vita des Themistokles und als positive im Epikur.

In der dritten Sektion („Renaissance and Enlightenment Rediscovery“) beginnt Hall mit Theateraufführungen aus den 1990er-Jahren sowie den ersten Jahren unseres Jahrhunderts, die Aischylos’ Perser aufgreifen, um von aktuellen Gleichsetzungen des Xerxes mit Saddam Hussein ausgehend die Wirkungsgeschichte dieses Stücks in seinen vielfältigen Adaptionen von der Antike über die byzantinische Zeit, die Renaissance, das 18. und 19. Jahrhundert bis in das 20. Jahrhundert zu zeigen. Kimbell widmet seinen Beitrag dem Thema Xerxes in der Oper im 17. und 18. Jahrhundert, unter anderem natürlich der bekannten, gleichnamigen Oper von Händel. Das Thema der Thermopylen-Schlacht gewann vor und seit dem griechischen Unabhängigkeitskrieg eine ganz neue Aktualität, der Morris nachgeht. Er kann zeigen, wie als Nachwirkung der Aufklärung diese beiden ‚historischen Orte‘ als Geburtsstätten der Freiheit kanonisiert wurden.

In Sektion 4 („Nationhood and Identity“) untersucht Rood das Thema Marathon, das im 19. Jahrhundert das dominierende im Vergleich zu der vorher sehr viel stärker im Mittelpunkt stehenden Thermopylen-Schlacht wurde. Van Steen arbeitet die Wirkung, die die Perser des Aischylos am Vorabend der Erhebung von 1821 hatten, heraus und Schultze die Verwendung des Themas in der Malerei dieser Zeit. Lianeri weist daraufhin, dass vor 1820 kaum nachhaltig positive Darstellungen der attischen Demokratie zu finden sind, während sich dies im Gefolge der 1820er- und 1830er-Jahre, besonders sichtbar in George Grotes History of Greece (1846–56), deutlich ändert. Nach dieser Sichtweise sind die Perserkriege und ihre politischen Folgen eine der Grundlagen der in der Aufklärung und der frühviktorianischen Gesellschaft entwickelten Freiheitsvorstellungen.

Sektion 5 schließlich trägt den programmatischen Titel „Leonidas in the Twentieth Century“. Levene verweist auf konkrete Bezugnahmen der amerikanischen Politik des 20. Jahrhunderts auf die Schlachten bei den Thermopylen und Salamis und vergleicht dies mit der filmischen Verarbeitung des Themas, die sich insbesondere – naheliegend, wenn die Thermopylen-Thematik aufgegriffen wird – in einer um alle nicht-demokratiekompatiblen Elemente bereinigten Sparta-Darstellung niederschlägt. Interessant für alle FilmliebhaberInnen ist der kleine Exkurs zu den Akzenten, der darauf aufmerksam macht, dass in amerikanischen Produktionen, die Assoziationen an das Thema der Thermopylen-Schlacht verarbeiten, nicht nur die Spartaner in den Western-Helden wiederzufinden sind (belegt an einem schönen Vergleich zwischen The Alamo und The 300 Spartans), sondern auch die Athener von ihnen dadurch differenziert werden, dass für die Besetzung dieser Rollen vorzugsweise Schauspieler mit britischem Akzent gewählt werden. Ein ebenso aktueller Beitrag von Bridges über Pressfields Thermopylen-Roman ‚Gates of Fire‘ rundet den Sammelband ab.

Der Anspruch, dem Leser „fresh perspectives“ (S. 4) zu geben, wird in jeder Hinsicht eingelöst. Allerdings sei hier auf einen Punkt hingewiesen, der im Hinblick auf den konzeptionellen Ansatz bedenklich ist: Sowohl Pelling (S. 148) als auch Lianeri (S. 333ff.) beziehen sich auf Saids Werk „Orientalism“ (1978), der für seine These, dass in der europäischen Geschichte jede Äußerung über den Orient rassistisch, imperialistisch und ethnozentristisch sei, in Aischylos’ Persern eine Legitimation aus einer seit der Antike herzuleitenden Traditionslinie für den autoritären Diskurs über den Orient zu finden meinte. Die massive Kritik an Saids Thesen, insbesondere aus der islamwissenschaftlichen Fachwelt 1, aber auch von der Seite arabischer Intellektueller 2 sollte zur Vorsicht mahnen, die in dem vorliegenden Sammelband auf breiter kulturwissenschaftlich-historischer Basis zusammengestellten Studien mit ihren hochinteressanten Ergebnissen nicht durch derart umstrittene Konzepte zu verengen.

Anmerkungen:

1 Vgl. Kerr, Malcolm, Rezension zu Said, Edward, Orientalism, International Journal of Middle Eastern Studies 12 (1980), S. 544–47 und Lewis, Bernard, "The Question of Orientalism", in: ders., Islam and the West, London 1993, S. 99–118.
2 So jüngst: Ibn Warraq, Defending the West. A Critique of Edward Said's Orientalism, Prometheus Books, 2007; vgl. dazu Weiss, Michael, The Betrand Russel of Islam, The New York Sun, 12. Dez.2007 (siehe: <http://www.nysun.com/article/67922>).

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