D. Little (Hrsg.): Peacemakers in Action

Titel
Peacemakers in Action. Profiles of Religion in Conflict Resolution


Herausgeber
Little, David
Erschienen
Anzahl Seiten
524 S.
Preis
€ 64,58
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gabriele Richter, Universität Rostock

Nach dem Fall der Mauer ließ sich internationale Politik nicht mehr mithilfe des Ost-West-Schemas verstehen. Vor allem in den USA veränderte sich der Blick auf die internationale Politik und Ende der 1990er-Jahre wurden die Hoffnungen groß, dass bewaffnete Konflikte auf neue Art und Weise befriedet werden könnten. 1 Schon vor dem 11. September 2001 wurde daher auch vermehrt über die Rolle von Religion in nationalen und internationalen bewaffneten Konflikten nachgedacht. 2 In diesem Kontext steht der Band „Peacemakers in Action. Profiles of Religion in Conflict Resolution“. Für manche vielleicht überraschend: Religion wird hier nicht als das ‚Problem’ internationaler Politik gesehen, sondern mit zahlreichen Erfolgsgeschichten soll eine positive Rolle von Religion ins Zentrum gerückt werden.

Herausgegeben von David Little, Professor für Religion, Ethnizität und Internationale Konflikte an der Harvard Divinity School, bietet „Peacemakers in Action“ eine mögliche Perspektive auf das Thema Religion und ‚Conflict Resolution‘. Es werden 16 ‚religiöse’ Personen dargestellt, die als Akteure einen entscheidenden Beitrag zu einem friedlichen, oder zumindest friedlicheren Verlauf von Konflikten beitragen, bzw. beigetragen haben. Wie es ‚Profiles’ im Titel andeutet: „This book offers a different perspective. It fills a void in the field of religious peacemaking by presenting the work of religiously motivated individuals. The religious men and women who make up the Tanenbaum Center Peacemakers have dedicated themselves to bringing intractable conflicts to a peaceful end.” (S. 4) Religion wird damit nicht institutionell in einem Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten gesehen, sondern auf der individuell-biographischen Ebene. Einen theoretischen und methodischen Rahmen für die Schnittstelle Politik und Religion sollte man daher nicht erwarten, sondern eine individuell-biographische Beschreibung. Die Bedeutung von Religion für das positive Wirken von Einzelnen wird dabei deutlich, aber als wissenschaftliche Veröffentlichung drückt „Peacemakers in Action“ eher ein tastendes Bemühen um ein interdisziplinäres Feld aus, das sich irgendwo zwischen internationaler Politik, Konfliktforschung, Friedensforschung und Religion befindet. Die Profile bleiben allerdings an der Oberfläche, weil es sich bei den Texten zu den Frauen und Männern um kurze, wenn auch interessante, Darstellungen handelt.

Die Auswahl der Personen geht zurück auf ein Programm des Tanenbaum Center for Interreligious Understanding, 3 das seit 1998 mit seiner Initiative „Peacemakers in Action“ Einzelpersonen auszeichnet und fördert, die sich an der Lösung von bewaffneten Konflikten beteiligen. Für die Nominierung der Akteure gelten mehrere Kriterien: diese Personen sollen religiös motiviert sein, sie handel(te)n in Bereichen bewaffneten Konflikts, sie riskier(t)en dabei ihr Leben, und ihre Arbeit ist relativ unbekannt – zumindest in den USA, ist zu ergänzen. Mit der Nominierung als „Peacemakers in Action“ ist ein Preisgeld verbunden, Training des Tanenbaum Centers und eine Studie über das jeweilige Engagement.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Nach einem ersten Einleitungsteil folgt der Hauptteil mit den 13 ‚Case Studies’ und in Teil 3 stellt der Herausgeber David Little seine Schlussfolgerungen zusammen. Die Fallstudien werden jeweils mit einem Überblick über die Geschichte des Konflikts eingeleitet, wie z.B. im Fall von Südafrika nach der Nennung der früher einmal dort heimischen Völker der Konflikt über 10 Seiten von der Kolonialgeschichte bis zur Apartheid und dem politischen Umbruch der Postapartheid abgehandelt wird (S. 215-225). Die nachfolgende biographische Einführung hebt dann den Zusammenhang von individueller Biographie und Religion hervor und es werden die herausragenden Momente des zivilgesellschaftlichen Engagements genannt. Im Anschluss daran wird auf zwei bis drei Seiten ein Überblick („Fact Sheet“) über die Region und den Konflikt gegeben (S. 244-246). Der erneute Bezug auf den Konflikt erscheint zwar auf den ersten Blick hilfreich, weil er eine Zusammenfassung der vorher beschriebenen Konfliktgeschichte sein könnte, ist er aber nicht. Denn z.B. im Fall von Südafrika werden nicht wie zu erwarten die vorher genannten Kernthemen und Eckdaten des Konflikts stichwortartig genannt, die unter anderem auch indigene Geschichte betreffen, sondern unter der Überschrift „Recent Background“ (S. 245) wird lediglich die Geschichte der holländischen Siedler kurz beleuchtet und auf das Ende der Apartheid verwiesen. Der folgende „Economic Overview“ (S. 245-246) wiederum weist keinerlei Verbindung zu dem Text auf.

Es ist ein Manko der einzelnen ‚Case Studies’, dass für die Texte über die Akteure keine Autorinnen und/oder Autoren genannt werden. Wahrscheinlich handelt es sich bei den Fallstudien um die Ergebnisse der Studie über die ‚Peacemakers’, welche die Tanenbaum Stiftung in Auftrag gegeben hat, worauf im Text nicht hingewiesen wird. Obwohl es sicherlich sinnvoll ist, das zivilgesellschaftliche Engagement der ‚Peacemakers’ der Öffentlichkeit zu vermitteln (und zugleich für die Arbeit der Stiftung zu werben), drücken die Texte eher eine Suchbewegung aus, die nach der Rolle von individueller Religiosität für Akteure in internationalen Konflikten fragt. Der Herausgeber David Little versucht am Ende, diverse wissenschaftliche Schlussfolgerungen sozusagen als Lektionen zu formulieren.

Das individuelle Profil steht im Mittelpunkt der Fallbeispiele. Die Beispiele reichen von religiösen Würdenträgern wie Priestern, Pastoren, Mönchen, Imanen und Rabbinern bis hin zu Laien. Zu den fünf Laien gehören auch zwei Frauen. Häufig kommen die einzelnen selbst zu Wort, um die Bedeutung von Religion für ihr Leben und ihr Engagement zu erklären. Dies gibt wertvolle Hinweise auf die wichtige Bedeutung, die Religion für den friedlichen Verlauf von Konflikten haben kann. Eindeutige, oder gar theoretisierbare Erkenntnisse können (und wollen) die Texte nicht bieten. Leider werden als Quellen nur selten Stimmen von anderen Akteuren oder Referenzen neben den Preistragenden genannt, wie z.B. Journalisten und UNO-Angestellte. An kritischen Gegenstimmen fehlt es.

Trotzdem sind die einzelnen Texte zu den Personen die Stärke des Buches. Ohne Ausnahme nennen alle Nominierten die zutiefst persönliche Bedeutung von Religion für ihr Handeln in den speziellen Konflikten. In ihrer Vielfältigkeit zeigen die Beispiele auf, wie uneinheitlich sich die Rolle von Religion für die einzelnen darstellen kann – und trotzdem einen enormen positiven Effekt haben kann. Während z.B. Bruder Ivo Markovic aus Bosnien und Herzegowina die Notwendigkeit von militärischen Interventionen betont (S. 97-122, besonders S. 117), verweist die südafrikanische Quäkerin Nozizwe Madlala-Routledge auf die Bedeutung von Pazifismus für ihr Engagement (S. 215-246, besonders S. 227-228). Mit anderen Worten: Es gibt keinen einheitlichen Zugang zu Religion. Trotzdem verschafft Religion Akteuren in bewaffneten Konflikten eine besondere Autorität – je nach Lage. Während Pater Alex Reid und Pastor Dr. Roy Magee in Nordirland 1998 zum Good Friday Agreement durch ihre pastorale Kommunikation hinter den Kulissen beigetragen haben (S. 53-96), hat sich Pater Sava Janjic aus dem Kosovo als religiöse Autorität vor allem durch seine Internettexte und E-Mails für eine Vermittlung des Konflikts in Richtung internationale Gemeinschaft eingesetzt (S. 123-150). Manches in den Fallstudien wiederholt sich, wie z.B. das Element des religiös-motivierten Widerstandes bei José Inocencio Alas in El Salvador (S. 25-52) und bei dem evangelikalen Pastor Benny Giay in West Papua (S. 402-426), anderes sticht als besonders hervor wie Ephraim Isaac, der äthiopische Jude mit Doktortitel von Harvard, der einen ganz anderen Zugang (und Zutritt) zu Bereichen internationaler Politik und Diplomatie hat (S. 151-185). Auch Religion als ‚Problem’ von Konflikten wird durch positive interreligiöse Beispiele aufgegriffen. Besonders die Zusammenarbeit von Iman Muhammad Ashafa und Pastor James Wuye im ‚religiösen’ Konflikt in Nigeria setzt hier ganz andere Zeichen: Religiöse Motivation kann selbst religiöse Konflikte überwinden (S. 247-277).

Das Ziel einer „roadmap for activist religious peacemaking“ (S. VII), wie es David Little formuliert, kann diese Veröffentlichung nicht leisten. Er schlussfolgert, dass Religion, die Gerechtigkeit und Frieden zum Ziel hat, auch zu Frieden der Konfliktbearbeitung führt. Diese und andere allgemeine Erkenntnisse sind nicht verkehrt, aber sie tragen noch nicht dazu bei, dass nun ‚Religion’ fassbarer würde – eine Definition von Religion fehlt ohnehin. Auch die Aufforderung von Botschafter Holbrook, dass doch alle guten Diplomatinnen und Diplomaten über Religion informiert sein sollten, ähnelt mehr einer Forderung nach gutem Allgemeinwissen. Allerdings formuliert er auch eine interessante praktische Konsequenz: „Such a study is critical to understanding how we can further promote the efforts of these individuals – and utilize a key tool for diplomacy today“. (S. XII) (Er versäumt es auch nicht zu erwähnen, dass er die ausschlaggebende Tanenbaum-Idee zur öffentlichen Würdigung von religiösen ‚Peacemakers‘ hatte, um damit ihre Rolle zu stärken.) Während man in der Diplomatie versuchen sollte, religiöse Personen für ihren ‚good cause’ zu gewinnen, werden in der Einleitung (ohne Autorennennung) Studierende der Religion angeregt, sich ein neues Arbeitsfeld zu suchen: „If religious peacemaking were to be recognized as an accredited line of study leading to a recognized vocation, our future religious leaders would be better prepared to decide whether to choose the pulpit, the hospital, or a zone of armed conflict for their future work.” (S. 20) Heißt das für Theologinnen und Theologen, die keinen Job in der Kirche oder der Krankenhausseelsorge bekommen, dass ein Kriegsgebiet ihre perfekte Berufswahl wäre? Gemeint ist sicherlich ein Ideal von religiösen Friedensstiftenden, aber die Formulierung sowie die Erwartungshaltung sind ambivalent.

Die Texte spiegeln wider, dass sich der Diskurs über Religion und internationale Konflikte verändert hat. Bei den Texten zu den bereits in den 1990er-Jahren nominierten Personen (Reid/Magee, S. 53-96; Ivo, S. 97-122) 4, die wohl auch in dieser Zeit entstanden sind, wird die starke Absicht erkennbar nachzuweisen, dass Religion überhaupt ein Faktor im internationalen ‚Conflict Resolution’ Bereich sein kann. Bei den Texten zu den später nominierten Personen hingegen, ebenfalls wohl später geschrieben, fällt diese Argumentationsrichtung weg.

„Peacemakers in Action“ versucht die Frage nach der Rolle von Religion mit individuellen Biographien zu beantworten. Dieser Fokus auf das Individuum ermöglicht es, das Thema Religion und bewaffnete Konflikte einzugrenzen und weiter zu erhellen, auch wenn viele Fragen offen bleiben. Das Buch ruft in Erinnerung, dass Religion eine ganz andere Bedeutung für internationale Politik haben kann, als nur die Gefahr durch gewaltbereite Fanatiker. Die Fallbeispiele lassen sich jedenfalls bestimmt gut in Seminaren zu Religion, Politik und ‚Conflict Resolution’ verwenden.

Anmerkungen:
1 Vgl. Crocker, Chester A.; Hampson, Fen O.; Aall, Pamela (Hrsg.), Managing Global Chaos. Sources of and Responses to International Conflict, Washington 1996; dies. (Hrsg.), Herding Cats. Multiparty Mediation in a Complex World, Washington 1999; Vgl. auch den sogenannten ‘Brahimi-Report’ von 2000: <http://www.un.org/peace/reports/peace_operations/> (08.10.2007).
2 Vgl. Johnston, Douglas, Religion. The Missing Dimension of Statecraft, New York 1995; Scott, Appleby, Ambivalence of the Sacred, Lanham 1999; Gopin, Marc, Holy War, Holy Peace. How Religion Can Bring Peace to the Middle East, Oxford 2002; Fox, Jonathan und Shmuel Sandler (Hrsg.), Bringing Religion into International Relations, New York 2004.
3 Vgl. <http://www.tanenbaum.org/> (08.10.2007).
4 Die jeweiligen Nominierungen: Pater Alex Reid und Pastor Dr. Roy Magee wurden 1999 nominiert, Bruder Ivo Markovic wurde 1998 nominiert; Quelle: <http://www.tanenbaum.org/peacemaker_awardees.html#1998> (Internet 02.10.2007).

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