Cover
Titel
Maxentius. Der letzte Kaiser in Rom


Autor(en)
Leppin, Hartmut; Ziemssen, Hauke
Reihe
Zaberns Bildbände zur Archäologie
Erschienen
Mainz am Rhein 2007: Philipp von Zabern Verlag
Anzahl Seiten
128 S.
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau

Als Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Alter Geschichte und Klassischer Archäologie präsentieren Hartmut Leppin und Hauke Ziemssen einen Bildband zu dem als Mitkaiser von den Tetrarchen nie anerkannten römischen Usurpator Maxentius und seiner Bautätigkeit in Rom. Richtet man nämlich den Blick nicht allein über die den Sieger begünstigende Geschichtsschreibung auf diesen Kaiser, der weitgehend ausschließlich als der dem künftigen christlichen Alleinherrscher Konstantin in der Schlacht an der Milvischen Brücke am 28. Oktober 312 unterlegene Gegner bekannt ist, so können Maxentius und „seine“ Stadt Rom in dessen sechs Regierungsjahren von 306 bis 312 ein erstaunliches Eigengewicht gewinnen. Dies gelingt, wenn man andere Zeugnisse als die unter dem Eindruck der Ergebnisse der Regierungszeit Konstantins stehende literarische Überlieferung zum Sprechen zu bringen weiß: Neben zeitgenössischen Momentaufnahmen wie Aussagen in panegyrischen Reden sind es vor allem die Münzen und die Bauten des Maxentius. Diesem Thema ist das Buch gewidmet, und es sind vor allem Ziemssens zu diesem Zweck für ein breiteres Publikum in eine durch Wort und Bild rezeptionsfreundliche Form gebrachten Forschungsergebnisse zu den Bauten des Maxentius, die dem Band auch wissenschaftlich hohe Aktualität verleihen. Diese Einschätzung soll aber Leppins Anteil an diesem Werk nicht mindern.

Das Buch ist nämlich zweigeteilt: Leppin liefert zu Beginn mit der historischen Einordnung des Maxentius und seiner Regierungsjahre den Hintergrund und die Voraussetzungen, auf denen Ziemssen sein Thema entfalten kann. Unter der Überschrift „Maxentius – ein unzeitgemäßer Kaiser“ (S. 11–34) gibt Leppin, an ein früher veröffentlichtes Kurzportrait anknüpfend 1, einen Überblick über die Tätigkeit dieses römischen Herrschers. Dabei stellt er die Grundlagen des von Diokletian eingerichteten tetrarchischen Herrschaftssystems und dessen Infragestellung durch die Usurpation des Maxentius heraus. Als Sohn des Augustus Maximian und Schwiegersohn des Galerius betrachtete sich Maxentius selbst gewiss als Thronerben, obwohl die Tetrarchie vom althergebrachten und im römischen Selbstverständnis tief verwurzelten dynastischen Denken eigentlich Abschied genommen hatte. Die Usurpation Konstantins nach dem Tode seines Vaters Constantius Chlorus hatte das tetrarchische System durch dessen Integration als Caesar gerade noch verkraften können, für Maxentius aber war kein Platz. Die machtpolitische und legitimatorische Basis des militärisch unerfahrenen Kaisers waren die Stadt Rom, die Prätorianer und die Bevölkerung der Hauptstadt, die in der Tetrarchie ihre Funktion eingebüßt hatte und der der hier residierende Maxentius alten Glanz zurückzugeben schien. Zeitweilige Unterstützung erfuhr er anfänglich durch seinen Vater Maximian und durch Konstantin, der 307 seine Schwester Fausta heiratete, bis sich infolge neuer Koalitionen im Gefüge konkurrierender römischer Herrscher eine Entscheidung anbahnte, in der er schließlich unterlag. Die den Sieger Konstantin begünstigende Geschichtsschreibung ließ kein gutes Haar an Maxentius, so dass man für den Versuch, ein unvoreingenommeneres Bild dieses Herrschers zu gewinnen, auf andere Zugänge angewiesen ist.

Maxentius legte sich aber zudem ebenso wie die Tetrarchen eine Aura göttergleicher Unnahbarkeit mit einem „auftrumpfenden Machtanspruch“ (S. 9) zu. Wie sich dieses – durch die ungeklärte Stellung des Usurpators im Rahmen des Herrscherkollegiums gewiss ebenfalls beeinflusste – Selbstverständnis in archäologischen Zeugnissen niederschlägt, zeigt Ziemssen mit „Maxentius und Rom – Das neue Bild der Ewigen Stadt“ (S. 35–122) im zweiten Teil des Buches. Methodisch suchen die Autoren „durch eine kombinatorische Interpretation [...] unterschiedlicher Belege und durch ein intensives Nachdenken über die Kategorien, nach denen die Forschung Maxentius bewertet“ (S. 16), zu einer neuen Einschätzung des Herrschers zu kommen. Damit wollen sie Verdikte wie die des Laktanz und des Eusebius von Caesarea im Vergleich zu ideologischen Selbstauskünften des Maxentius relativieren und die Aussagen verschiedenartigster Quellen (erzählende Quellen, Inschriften, Münzen, Bauwerke) im Verhältnis zueinander neu gewichten.

Bevor Ziemssen zur Baupolitik des Maxentius im engeren Sinne kommt, klärt er die ideologischen Grundlagen seiner Herrschaft. Leitgedanke ist dabei der die Zeit um 300 durchziehende und auch Maxentius beeinflussende Gegensatz „zwischen der alten Bindung der Kaiser an Rom auf der einen Seite und dem bindungslosen Bild des göttergleichen Herrschers auf der anderen“ (S. 37). Vor dem Hintergrund des Verhältnisses zwischen Rom und dem Reich in der Zeit des Prinzipats und des Verzichtes Diokletians auf die Hauptstadt als Residenz zugunsten einer Dislozierung der Tetrarchen in der Nähe der Grenzen entwickelt er „Das Herrscherbild des Maxentius“ (S. 38–51). Mit der Rolle der Stadt Rom als Quelle der Legitimation des Herrschers, der sich in dieser Beziehung in die althergebrachte Tradition stellt, sowie mit der Betonung der eigenen göttlichen Qualität durch den Kaiser konstatiert Ziemssen „das historische Paradox der maxentianischen Herrschaft“ (S. 48): Maxentius wendet sich mit dem Rombekenntnis ebenso von den Tetrarchen ab wie er mit dem Anspruch auf Göttlichkeit Nähe zum Gedankengut der Tetrarchie zeigt, auch wenn diese Göttlichkeit von der Roma aeterna abgeleitet ist. Damit sucht Ziemssen die einseitige Sichtweise einer Forschung zu korrigieren, die allein den antitetrarchischen Aspekt der „römischen“ Herrschaft des Maxentius hervorhebt.2 Die unbestrittene Bedeutung Roms und der Personifikation der Stadt in der Göttin Roma für diesen Herrscher zeigt Ziemssen an der luziden Interpretation maxentianischer Münzprägung auf. Dadurch weist er auf den tetrarchischem Gedankengut entstammenden unverhüllten Anspruch des Maxentius auf Göttergleichheit hin. Die Göttlichkeit des Kaisers beruhe nicht, wie in der Vergangenheit, auf dessen Anteil an der aeternitas Romae, sondern auf seiner Abstammung von Göttern wie Iupiter und Hercules, so dass die dem Maxentius den Globus übergebende Roma ihm damit zugleich die Ewigkeit Roms übertrage.3

Ziemssen erhärtet seine Argumentation mit Hilfe einer Interpretation der römischen Bauten des Maxentius (S. 52–122): der Paläste auf dem Palatin und an der Via Appia, der Basilika nördlich der Via sacra und des Tempels der Venus und Roma in deren unmittelbarer Nachbarschaft (nicht aber des in der Zuweisung zu Maxentius unsicheren so genannten „Tempels des Romulus“). Besonderen Wert legt Ziemssen auf den Umbau des Tempels der Venus und Roma als Ort der Repräsentation, in der der enge Bezug des Kaisers zur Göttin Roma so deutlich wurde wie einst der Caesars zu Venus Genetrix. In der monumentalen Basilika sieht Ziemssen die Audienzhalle des Maxentius, deren Architektur durch das Frigidarium der Diokletiansthermen inspiriert ist und deren Raumgliederung mit dem großen Apsidensaal der hierarchischen Ordnung des Zugangs zum Kaiser diente. Der Palast an der Via Appia auf dem Gebiet der von Herodes Atticus um 160 n.Chr. zum Gedenken an seine verstorbene Frau errichteten Erinnerungslandschaft setzt diesen Gedanken durch das nahe am Palast gelegene Grabmal des Maxentius-Sohnes Romulus fort; auch der Circus auf dem Gelände habe dem Totenkult gegolten.

Sehr bewusst und durchaus in Übereinstimmung mit dem tetrarchischen Gedankengut betrieb Maxentius also eine Sakralisierung seiner Person, der er aber – entgegen der Tetrarchie – nicht nur eine betont (stadt)römische Nuance, sondern auch eine klare dynastische Note verlieh. Die usurpierte kaiserliche Stellung des Maxentius, des Sohnes, Schwiegersohnes und Schwagers von Mitgliedern der Tetrarchie, ist ohne Aspekte des tetrarchischen Gedankenguts ebenso undenkbar wie hinsichtlich des Rombezugs zur Herrschaftslegitimation gegen dieses Gedankengut gerichtet. Anhand von Andeutungen in literarischen Quellen, vor allem aber mit Hilfe der Münzprägung des Maxentius und seiner energischen Baupolitik vermag Ziemssen auf der durch Leppin bereitgestellten historischen Grundlage das Selbstverständnis dieses Kaisers zu entschlüsseln und ihm das Eigengewicht zu verleihen, das ihm die dem Sieger Konstantin hörige Geschichtsschreibung vorenthält. Dies vermittelt der Band in höchst anschaulicher Weise, und man darf auf die Veröffentlichung der Dissertation Ziemssens gespannt sein.4

Anmerkungen:
1 Vgl. Leppin, Hartmut, Maxentius 306–312, in: Clauss, Manfred (Hrsg.), Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian, München 1997, S. 302–305.
2 So zuletzt Cullhed, Mats, Conservator urbis suae. Studies in the politics and propaganda of the emperor Maxentius, Stockholm 1994.
3 Interpretation unter anderem anhand zweier Goldmedaillons des Maxentius: RIC VI 372, Nr. 166 und 373, Nr. 173.
4 Ziemssen, Hauke, Das Rom des Maxentius. Städtebau und Herrscherbild zu Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr., Diss. Hamburg 2006 (Publikation in Vorbereitung).

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