Titel
Chance Geschichtsunterricht. Eine Praxisanleitung für den Notfall, für Anfänger und Fortgeschrittene


Autor(en)
Bergmann, Klaus; Rohrbach, Rita
Reihe
Methoden historischen Lernens
Erschienen
Schwalbach/Ts 2005: Wochenschau-Verlag
Anzahl Seiten
139 S.
Preis
€ 13,40
Rezensiert für Clio-online und H-Soz-Kult von:
Markus Gloe, Freiburg

Klaus Bergmann, der bedauerlicherweise 2002 verstarb, und Rita Rohrbach erheben mit dem Buch „Chance Geschichtsunterricht“ den Anspruch, ein anderes als die üblichen Didaktikbücher vorzulegen. Es soll andere Wege zum Geschichtsunterricht aufzeigen und zugleich Fachfremden, Neulingen wie auch Fortgeschrittenen viele Anregungen für einen schülerzentrierten Geschichtsunterricht geben.

Das Buch ist in sieben Kapitel unterteilt. Im ersten Teil zeigen Bergmann und Rohrbach, dass Geschichte nicht das ist, was im Schulbuch steht und was vom Lehrer als Wissen vermittelt wird, sondern dass Geschichte „ein Nachdenken über Lebensformen, Wertvorstellungen, Erfahrungen in der Vergangenheit [ist], das zu Nachdenklichkeit beitragen soll“ (S. 14). Sie plädieren dafür, Geschichte weder als Gesinnungs- noch als Belehrungsunterricht zu betreiben, sondern „große Fragen“ aufzuwerfen, sie als „historische Fragen“ zu vermitteln und die Schüler zu befähigen, selber zu denken und eigene Antworten zu finden. Die Fragen sollen selbständig formuliert werden, denn nur dann sind sie für Lernende anregend und motivierend und machen auf Vergangenes neugierig. Zwar ist diese Herangehensweise nicht neu, aber doch so lohnenswert, dass auf diese Möglichkeit nicht oft genug hingewiesen werden kann.

Im zweiten Kapitel beschäftigen sich Bergmann und Rohrbach mit dem Schulbuch und kritisieren dabei das klassische Arbeiten mit ihm: Lesen – Verständnisfragen – wiederholendes Abfragen des Gelesenen – Erläuterungen – Weiterlesen – Verständnisfragen. Aufgrund fachlicher Unsicherheiten würden vor allem Fachfremde diesen Weg oft einschlagen. Doch an Stelle der Verfassertexte, so die Autoren, sollten vielmehr schriftliche Quellen, Bilder oder Karten unvermittelt gelesen bzw. betrachtet werden. Auf diese Weise könnten sie nicht nur bei Schülern, sondern auch bei (fachfremden) Lehrern Fragen aufwerfen, da sie zunächst aus dem Zusammenhang gerissen seien. Im Praxisteil demonstrieren die Autoren, wie man sich schriftlichen Zeugnissen und historischen Bildern annähern kann. Sie verweisen auf die Grundsätze von Multiperspektivität und Kontroversität und appellieren, den Schülern zu zeigen, „dass auch sie die Pflicht haben, nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen, dass sie aber auch ein Recht haben, zu unterschiedlichen Einschätzungen zu kommen“ (S. 42). Die Geschichte gibt es nicht, sondern nur Deutungen historischer Vorkommnisse und Prozesse.

Mit „Langsames Loslassen Teil 1: Arbeiten (fast) ohne Schulbuch“ ist das dritte Kapitel überschrieben. Bergmann und Rohrbach wiederholen noch einmal ihr Credo, Schüler so oft und so weit wie möglich selbständig an eigenen Fragestellungen arbeiten zu lassen, weil sie nur so lernten, historisch zu denken. Die Autoren skizzieren soziokulturelle und anthropogene Voraussetzungen, die bei der Planung von Unterricht zu berücksichtigen sind und gehen knapp auf die geschichtsdidaktische Analyse ein. Hierbei sei stets der Frage nachzugehen, was ein historischer Sachverhalt oder eine historische Entwicklung für das Orientierungsvermögen in Gegenwart und Zukunft hergeben könne. Aber auch mit diesen Hinweisen gehen Bergmann und Rohrbach leider nur schon ausgetretene Wege.

In den folgenden Kapiteln wollen die Autoren zu einem Unterricht ganz ohne Schulbuch ermutigen. Sie beschreiben Zeitleiste, Zeitrolle, Geschichtsschrank, Zeitcollage, Zeitreise und Thementisch. Für Fachlehrer und -lehrerinnen ist das zwar weder neu noch innovativ, doch für Fachfremde mag gerade an dieser Stelle der Nutzen des Buches liegen, zumal die Praxisvorschläge zum Teil sehr allgemein gehalten und damit auf verschiedenste Inhalte übertragbar sind. Aber auch anhand konkreter Themen wie „Luther – Erneuerer oder Zerstörer?“ oder dem bekannten lebensgroßen Herrscherbild Ludwig XIV. von Hyacinthe Rigaud wird der Umgang mit Medien und der Einsatz von Methoden geschildert. Ebenso thematisieren die Autoren den Einsatz von Geschichtserzählungen und Oral History und erklären Stationenlernen und Lernwerkstatt als Möglichkeit dem Schulbuch den Rücken zu kehren. In diesen Kontext gehören nach ihrer Sicht auch Arrangements fächerverbindenden Lernens.

Das fünfte Kapitel behandelt neben Handlungsorientierung Museum und Archiv als Beispiele für außerschulische Lernorte. Noch einmal wird auf Multiperspektivität und Kontroversität hingewiesen, indem Bergmann und Rohrbach Tipps und Übungen zum Wahrnehmen und Deuten von Geschichte durch Selbsterfahrung aufzeigen.

Das letzte Kapitel behandelt unterschiedliche Formen von Spielen im Geschichtsunterricht: szenisches Spiel, Ratespiele sowie Brettspiele. Nicht ganz passend werden dazu auch Pro-und-Kontra-Diskussionen, Talkshows und Podiumsdiskussionen gezählt. Außerdem thematisieren die Autoren das Üben und Wiederholen im Geschichtsunterricht. Dabei geht es jedoch nicht um Namen, Daten und Fakten, sondern um Zusammenhänge, Einsichten und Methoden. Des Weiteren finden sich Hinweise zur Schülerbeobachtung und -beurteilung für einen Geschichtsunterricht, in dem individuelles und gemeinsames Nachdenken sowie kommunikative und partnerschaftliche Unterrichtsformen im Mittelpunkt stehen. Und es wird gefragt, wie vor allem Schülerinnen dauerhaft motiviert werden können. Eine knappe Auswahl an Literatur- und Materialtipps ergänzt den Band.

Besonders im zweiten Teil des Buches fällt auf, dass die einzelnen Unterkapitel nicht immer konsequent und logisch zusammengefasst wurden, sondern zum Teil wahllos aneinander gereiht erscheinen. Auch wenn sich Bergmann und Rohrbach bewusst sind, „dass wir nicht alle wichtigen Methoden und Medien genügend besprochen und manchen Anspruch der Geschichtsdidaktik nicht ernst genug genommen haben“ (S. 7), erscheint die Auswahl der Praxisvorschläge doch etwas beliebig. Zwar lassen sich die Anregungen leicht im eigenen Unterricht umsetzen, doch alle, die sich mit den aktuellen Entwicklungen in der Geschichtsdidaktik und -methodik beschäftigen, werden darin wenig bis gar nichts Neues für ihren Unterricht finden. So eignet sich der vorliegende Band im Grunde nur für fachfremd Lehrende und für absolute Berufsanfänger. Seinem eigenen Anspruch, „andere Wege zum Geschichtsunterricht auf[zu]zeigen“ (S. 7), wird er daher nur bedingt gerecht. Allerdings: Das Bändchen erschien drei Jahre nach dem Tode Klaus Bergmanns; und so fragt man sich nach seiner Geschichte und liest es dann noch einmal ganz anders.

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