K. Piepenbrink: Antike und Christentum

Cover
Titel
Antike und Christentum.


Autor(en)
Piepenbrink, Karen
Reihe
Geschichte kompakt
Erschienen
Anzahl Seiten
127 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Mario Ziegler, Graduiertenkolleg "Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte in Antike und Mittelalter", Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Die Haltung des römischen Staates zu der zunächst unbedeutenden, sich jedoch immer weiter ausbreitenden Gemeinschaft der Christen ist ein zentrales Thema der Alten Geschichte ebenso wie der Religionsgeschichte. Nach einer langen Zeit der Illegalität erfolgten kurz nacheinander die Gleichstellung mit den übrigen Kulten (311 bzw. 313 n.Chr.) und die zunehmende Förderung durch die römischen Kaiser, die sich dem Christentum auch persönlich zuwandten. Vor dem Hintergrund dieser allgemein bekannten Fakten unternimmt die Mannheimer Althistorikerin Karen Piepenbrink den Versuch, die Haltung der Christen zu Staat und Gesellschaft vor und nach der Wendezeit, die heute mit dem Namen Kaiser Konstantins I. verbunden ist, zu untersuchen. Dabei stellt sie die Frage, inwieweit sich durch Legalisierung bzw. Förderung Veränderungen in der christlichen Kirche und Wandlungen im Verhältnis der Christen zu Staat und Gesellschaft ergaben (S. IX). Dieses ambitionierte Vorhaben führt Piepenbrink auf sehr begrenztem Raum (nur 108 Seiten Text) durch und legt zudem – gemäß der Zielsetzung der Reihe „Geschichte kompakt“ – eine Einführung vor, die beim Leser wenige Vorkenntnisse voraussetzt und daher um grundlegende Erklärungen nicht herumkommt.1

Das Werk ist in zwei parallele Teile gegliedert, welche die ersten drei nachchristlichen Jahrhunderte (S. 1-51) und die Spätantike (S. 52-106) behandeln, wobei mit letzterer die Zeit nach der Legalisierung des Christentums durch den Staat gemeint ist. Innerhalb dieser beiden Teilbereiche stellt Piepenbrink allgemeine Beobachtungen zum Christentum in der jeweiligen Periode an (Herausbildung und Entwicklung des Christentums, Missionsbemühungen, Organisationsstrukturen) und bespricht dann die Stellung der Christen zum römischen Staat und zur römischen Gesellschaft. Es schließt sich ein sehr knappes Fazit, eine Auswahlbibliographie zu den einzelnen Kapiteln und ein Register zu Eigennamen und wichtigen Begriffen an.

Der Autorin gelingt es, besonders in der Haltung der Christen zur Gesellschaft starke Kontinuitäten auch über die Konstantinische Wende hinaus glaubhaft zu machen. In den untersuchten Bereichen Ehe und Familie, Stellung der Frau, Wirtschaftsleben, Sklaverei, Bildung sowie Theater und Spiele änderte sich die Einstellung der Kirche kaum. Als neues Problem trat nach der staatlichen Förderung ein starker Zulauf neuer Christen auf, von denen ein beträchtlicher Teil nicht aus religiöser Überzeugung, sondern aus Opportunismus zum Christentum konvertierte. Um sich von diesen Tendenzen zu distanzieren, entstanden innerhalb des Christentums Strömungen mit stark asketischer Ausrichtung (S. 58ff.). Zudem sah sich die Kirche vor das Problem gestellt, dass christliche Inhalte gerade durch Neugetaufte mit paganen Vorstellungen vermischt wurden. Diese Verschränkung von christlicher und heidnischer Gedankenwelt wurde von der Kirche aufmerksam beobachtet, teilweise aber toleriert (S. 101). Erst sehr spät erwähnt Piepenbrink die antike Vorstellung von Religion als „Geschäft“ mit den Göttern, bei denen man im Gegenzug zur dargebrachten Verehrung (officium) deren Wohltaten (beneficia) erwartete (S. 83). Dem Verständnis des Lesers wäre es förderlicher gewesen, wenn dieses Charakteristikum, das sich so grundlegend vom modernen Religionsbegriff unterscheidet, bereits zu einem früheren Zeitpunkt deutlich gemacht worden wäre.

Die Konzeption des Werkes als Einführung bedingt eine leicht verständliche Sprache sowie eine klar strukturierte und übersichtliche Gliederung. Durch die Hervorhebung der Quellen, durch insgesamt 20 eingestreute Hintergrundinformationen zu historischen Ereignissen, religiösen Phänomenen, Institutionen der römischen Gesellschaft und Literaturgattungen sowie durch wichtige Schlagworte am Rand können die Hauptaspekte mit einem Blick erfasst werden. Die Schwäche der gewählten Konzeption besteht in einer gewissen Unbestimmtheit der Aussagen. So wirbt die Reihe damit, den neuesten Stand der Forschung darzubieten, doch findet sich im gesamten Text nur ein einziges Mal der Name eines modernen Forschers, nämlich der von Hendrik Berkhof, dessen Meinung abgelehnt wird (S. 80). Ansonsten spricht Piepenbrink durchgängig von „der Forschung“, was einer eigenen Meinungsbildung des Lesers wenig förderlich ist, zumal gelegentlich in der Forschung deutlich abweichende Positionen vertreten werden.2

Noch schwerer wiegt jedoch, dass auch bei antiken Quellen gelegentlich auf exakte Stellenangaben oder teilweise sogar auf die Namen der antiken Autoren verzichtet wird: Unbestimmte Verweise auf Aussagen, die „sich bei den Kirchenvätern der Spätantike“ finden, oder auf Punkte, die „Bischöfe bemängeln“ (beides S. 99), sind in der Arbeit nicht selten; sie geben dem Lesenden keine Möglichkeit der Identifizierung oder der Überprüfung der Quellen. Einige formale Uneinheitlichkeiten irritieren gerade thematisch nicht beschlagene Leser: Mal wird von der „Kirchengeschichte“ des Eusebius von Caesarea gesprochen (S. 1 und 14), mal von der „Historia Ecclesiastica“ (S. 26); die Schrift des Clemens Alexandrinus bezeichnet Piepenbrink einmal als „Stromateis“ (S. 35), dann wieder in der Übersetzung „Teppiche“ (S. 48). Der Spagat zwischen komplexer Thematik und geringer Seitenzahl führt zu mancherlei Vereinfachungen, die bisweilen eine falsche Vorstellung suggerieren. Statt davon zu sprechen, dass um die Wende zum 2. Jahrhundert das Bischofsamt „geschaffen“ worden sei (S. 6), wäre ein Hinweis auf die Herausbildung (ein genetischer Vorgang ist hier viel eher anzunehmen als eine „Schaffung“) des Monepiskopates aus den kollektiven presbyterialen Leitungsgremien, die zuvor den christlichen Gemeinden vorstanden, sinnvoller gewesen.3 Diesen Prozess übergeht Piepenbrink vollständig; die Presbyter werden lediglich als Berater und Helfer des Bischofs dargestellt (S. 6).

Trotz aller Einzelkritik stellt das Werk von Piepenbrink eine gute Einführung in die Welt der antiken Christen dar. Der Leser erhält einen kompakten Überblick über die Entstehung des Christentums sowie einen interessanten Einblick in die Sichtweise der Kirche auf ihre Umwelt über die historische Wende der Konstantinszeit hinaus. Die Bibliographie gibt dem Interessierten ausreichend weiterführende Literatur an die Hand.

Anmerkungen:
1 Konzeptionell vergleichbar ist Markschies, Christoph, Das antike Christentum, München 2006. Dass dieses Werk mit 270 Seiten mehr als doppelt so umfangreich ausfällt wie dasjenige von Piepenbrink, unterstreicht noch einmal die äußerste Beschränkung in der besprochenen Arbeit.
2 Etwa bei der Datierung der Traditio Apostolica ins frühe 3. Jahrhundert und ihrer Zuschreibung an Hippolytos (S. 44), was lange communis opinio der Forschung war, in den letzten Jahren jedoch zunehmend in Frage gestellt oder abgelehnt wurde, vgl. Scholten, Clemens, Art. „Hippolytos II“, Reallexikon für Antike und Christentum 15 (1991), Sp. 492–551, hier Sp. 524ff.; Steimer, Bruno, Vertex Traditionis. Die Gattung der altchristlichen Kirchenordnungen, Berlin u.a. 1992, S. 33ff.; Schöllgen, Georg; Geerlings, Wilhelm (Hrsg.), Didache = Zwölf-Apostel-Lehre / Traditio Apostolica = Apostolische Überlieferung, Freiburg i. Br. 2000, S. 146ff.
3 Neben der in der Bibliographie angeführten Literatur sind nach wie vor einschlägig: Campenhausen, Hans von, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, Tübingen 1953, S. 82ff. und Beyer, Hermann Wolfgang; Karpp, Heinrich, Art. „Bischof“, Reallexikon für Antike und Christentum 2 (1954), Sp. 394–407, hier Sp. 403ff.

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