B. Schmidt u.a. (Hrsg.): Frankreich-Lexikon

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Titel
Frankreich-Lexikon. Schlüsselbegriffe zu Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Geschichte, Kultur, Presse- und Bildungswesen


Herausgeber
Schmidt, Bernhard; Doll, Jürgen; Fekl, Walther; Loewe, Siegfried; Taubert, Fritz
Erschienen
Anzahl Seiten
1224 S.
Preis
€ 128,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kornelia Konczal, Deutsch-Französische Hochschule, Saarbrücken – Metz – Luxemburg

Selbst für ziemlich junge Frankreichkenner war bis vor kurzem das zweibändige, im Berliner Erich Schmidt Verlag herausgebrachte Frankreich-Lexikon von Bernhard Schmidt, Jürgen Doll, Walther Fekl und Siegfried Loewe die Referenz. Endlich gibt es auf dem Buchmarkt die zweite Auflage, diesmal in Form eines voluminösen Bandes. Die fünf Bearbeiter – zu den genannten ist der Pariser Rechtswissenschaftler Fritz Taubert hinzugekommen – und ihre sechs Gastautoren haben insgesamt über 600 ausführliche Artikel auf über 1000 Textseiten geliefert. Somit ist ein Nachschlagewerk zu Frankreich entstanden, das keine Konkurrenz hat.1 Und da seit einigen Wochen eine im Vergleich mit der Hardcover-Ausgabe studentenfreundlichere Version vorliegt 2, ist der Preis des Lexikons auch für angehende Frankreichexperten kein Hindernis mehr.

Im Vordergrund stehen aktuelle Fragen, die aber jeweils kontextualisiert werden. Da es sich um ein Sachlexikon handelt, findet man keine biographischen Artikel. Der Schwerpunkt liegt nämlich auf Erklärung von Frankreich-spezifischen Phänomenen, wobei der komparatistische Ansatz viele deutsch-französische Vergleiche zur Folge hat. So werden zum Beispiel im Stichwort Commune Unterschiede zwischen der deutschen „Gemeinde“ und der französischen „commune“ aufgezeigt, die für das Verständnis der Herausforderungen, vor denen die deutsch-französische Zusammenarbeit auf der regionalen Ebene steht, von grundlegender Bedeutung sind.

Inhaltlich charakterisiert das Lexikon eine breite thematische Vielfalt. Zu finden sind zahlreiche Artikel über die Entwicklung der französischen Parteien und viele spezifische Themen der französischen Politik (Décentralisation, CSA, Intercommunalité, Laïcité, PAC, SMIC). Viel Platz wird Wirtschaftsthemen und französischen Unternehmen gewidmet, von denen die bedeutendsten in einem der Anhänge aufgelistet werden. Fündig wird man auch auf der Suche nach Informationen über soziale Probleme Frankreichs (Arbeitslosenversicherung, Banlieue, Migration, Sécurité sociale, sozialer Wohnungsbau). Leider finden sich separate Einträge zu nur vier französischen Regionen, und zwar: Alsace, Bretagne, Corse und Occitanie. Da auch Pays basque (Teil des Département Pyrénées Atlantiques) in einem Artikel erörtert wird, kann vermutet werden, dass bewusst nicht alle, sondern nur diejenigen Regionen besprochen werden, in denen kulturelle Eigenheiten mit politischen Ansprüchen verbunden sind; diese Wahl scheint somit im Zusammenhang mit der politischen Fokussierung des Lexikons zu stehen.

Als informativ erweisen sich Artikel über Medien (Radiosender, Fernsehen, der deutsch-französische Kulturkanal ARTE) und Verlage in Frankreich (Gallimard, Grasset, Hachette, Larousse, Presses de la Cité et cetera), wobei der Leser vergeblich nach dem Stichwort Brive sucht, um Näheres über die nach der Pariser zweitwichtigsten französischen Buchmesse zu erfahren; generell fehlt das Stichwort Buchmessen (während die wichtigsten französischen Literaturpreise erörtert werden). Zum Thema Kultur finden sich gut fundierte Artikel über unter anderen Chanson française, Festivals, Intellectuels (es fehlen aber Verweise auf einige grundlegende Texte, um nur Sartre oder Foucault zu erwähnen), Nouveaux philosophes, Nouvelle vague, RAP, Structuralisme. Sucht aber ein vom Film beeindruckter Leser nach dem Stichwort Indigènes, findet er leider dieses in den französischen öffentlichen Debatten wichtige Stichwort nicht.

In vielen Einträgen wird dafür das französische Bildungswesen mit seinen Charakteristika (zum Beispiel Grandes écoles) besprochen. Auch die wichtigen nationalen Forschungseinrichtungen, Archiven und Bibliotheken werden charakterisiert.

Nicht zu vergessen sind schließlich Einträge über Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen und viele Institutionen aus der Landschaft der deutsch-französische Kommunikation und Kooperation (Deutsch-französischer Kulturrat, Deutsch-französische Hochschule, CIRAC, Deutsch-französische Brigade, Deutsch-französisches Jugendwerk). Verständlicherweise kann in keinem Lexikon der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden, es wundert aber das Fehlen eines Verweises auf Blaesheim, wo seit 2001 informelle Treffen des französischen Präsidenten mit dem deutschen Kanzler bzw. der deutschen Kanzlerin stattfinden.

Da die Wirklichkeit ständig neue Stichwörter liefert (plombier polonais, CRAN – Conseil représentatif des associations noires, Halde – Haute autorité de lutte contre les discrimination et pour l´égalité, Loi Mekachera oder Loi Taubira) ist es wünschenswert, dass in weniger (!) als über 20 Jahren, die seit der ersten Auflage vergangen sind, eine aktualisierte Auflage entsteht. Es stellt sich dabei auch die Frage, warum dem Lexikon keine digitalisierte Version beigelegt wurde. Auf einer CD-ROM wären sicherlich sowohl die Zeittafel als auch das Karten- und Tabellenmaterial leichter zu handhaben. Nicht zuletzt wären die am Ende aufgelisteten nützlichen Links 3 leichter zu konsultieren.

Da zahlreiche bibliographische Angaben die einzelnen Artikel abrunden und in einem der Anhänge eine ausführliche Literaturliste zu finden ist, bietet das Frankreich-Lexikon eine hilfreiche und verlässliche Orientierung an. Da sich am Ende ein Personen- und Sachregister mit französischen Begriffen und ein anderes mit deutsch- und anderssprachigen befinden, kann man schnell Näheres zum gesuchten Stichwort auffinden. Je nach Bedarf und Suchstrategie findet somit ein breiter Adressatenkreis die wichtigsten Frankreich-relevanten Informationen. Und dank Querverweisen wird das Lexikon zu einem faszinierenden Lesebuch, weil sich das Nachschlagen eines einzelnen Stichwortes leicht in eine weiter und weiter gehende Lektüre verwandelt.

Anmerkungen:
1 Wie schon im Titel angedeutet, strebt das andere deutsche Frankreichlexikon einen anderen Horizont an, vgl.: Haensch, Günther; Fischer, Paul (Hrsg.), Kleines Frankreich-Lexikon. Wissenswertes über Land und Leute, 3. neubearbeitet und erweiterte Auflage, München 1994. Außerdem gelten als verlässliche Quellen, die wohl gemerkt nicht Lexika, sondern Aufsatzsammlungen sind: Haensch, Günther; Huber, Peter (Hrsg.), Frankreich. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, 3. völlig neu bearbeitete Auflage, München 1998; Kimmel, Adolf (Hrsg.), Länderbericht Frankreich. Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft (= Bundeszentrale für Politische Bildung, Band 462), 2. aktualisierte und neu bearbeitete Auflage, Bonn 2005. Nicht zuletzt ist als ein knappes und eher für Studierende vorgesehenes Büchlein zu erwähnen: Grüner, Stefan; Wirsching, Andreas, Frankreich. Daten, Fakten, Dokumente, Tübingen 2003; Rezension dazu: H Soz Kult: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/type=rezbuecher&id=44264426, letzter Zugriff am 02.11.2006).
2 Schmidt, Bernhard, Frankreich-Lexikon. Schlüsselbegriffe zu Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Geschichte, Kultur, Presse- und Bildungswesen. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin 2006. Preis: EUR (D) 49.80.
3 Die aufgelisteten Links können sicherlich als repräsentativ für die virtuelle Welt von Referenzen zu Frankreich betrachtet werden. In der Rubrik Deutschland / Frankreich fehlt aber zum Beispiel ein Verweis auf das Portal der in Deutschland lebenden Franzosen: (http://www.connexion-francaise.com/), ein Link zur Zeitschrift Dokumente (http://www.guez-dokumente.org/dokumente.html), zum deutsch-französischen Magazin Paris-Berlin (http://www.magazine-paris-berlin.com/) und zum jährlich stattfindenden Deutsch-Französischen Forum (http://www.deutsch-franzoes-forum.com/).

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