V. Leppin u.a. (Hrsg.): Konfessionskultur in Siebenbürgen

Cover
Titel
Konfessionsbildung und Konfessionskultur in Siebenbürgen in der Frühen Neuzeit.


Herausgeber
Leppin, Volker; Wien, Ulrich A.
Reihe
Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa 66
Erschienen
Stuttgart 2005: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
236 S.
Preis
€ 36,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Astrid von Schlachta, Institut für Geschichte, Abteilung für Österreichische Geschichte, Universität Innsbruck

Der vorliegende Band ist das Ergebnis zweier Tagungen zur Geschichte der verschiedenen Konfessionen und der „Konfessionalisierung“ in Siebenbürgen – ein Territorium, das sich für die Thematik als besonders spannend erweist. Aufgrund der speziellen ethnischen und politischen Situation existierten mehrere Konfessionen offiziell anerkannt nebeneinander; zudem liefert Siebenbürgen durch seine direkte Nachbarschaft zum osmanischen Reich interessante Aspekte kultureller und religiöser Kontakte. Mit Siebenbürgen wird also ein Territorium ausgewählt, das schon von seinen Strukturen her prädestiniert ist, verschiedene Konfessionsbildungen zu vergleichen. Doch nicht nur die konfessionelle, sondern auch die ethnische Vielfalt lässt sich in Siebenbürgen studieren, denn neben den Komitaten des ungarischen Adels gab es die östlichen Gebiete der Szekler sowie die „hospites“-Siedlungen der Deutschen Siebenbürger Sachsen im Süden. Die meisten Beiträge im vorliegenden Band betonen daher die Bedeutung der Ethnien für die konfessionelle Zugehörigkeit. Neben lutherischen Deutschen fanden sich katholische, reformierte und unitarische Ungarn sowie griechisch-orthodoxe Rumänen. Allerdings zeigen die einzelnen Beiträge des Bandes, dass die Forschung hier noch weitere Ergebnisse zu liefern hat und durchaus unterschiedliche Theorien nebeneinander existieren.

Die Herkunft der Autoren, die das Panorama der Konfessionalität in diesem Randgebiet der habsburgischen Länder zur Entfaltung bringen, spannt sich bis in den südosteuropäischen Raum – und hierin liegt auch die besondere Stärke des Buches. Denn es soll, so der von den Herausgebern geäußerte Wunsch, die mittel- und südosteuropäische Forschung zusammengeführt, die Dominanz mitteleuropäischer Forschungsbeiträge zur Thematik durchbrochen werden. Zeitlich spannen die Beiträge den Bogen von der Reformation bis ins 18. Jahrhundert. Die Begriffe „Konfessionsbildung“ und „Konfessionalisierung“ werden allerdings nicht einheitlich gehandhabt; eine begriffliche Schärfung hätten den Beiträgen gut getan. Eine generelle Stoßrichtung geben die Herausgeber vor, die sich besonders zum Paradigma der Konfessionalisierung kritisch äußern: Leppin zufolge müsse „Konfessionalisierung“ noch auf den „Grad [der] europäischen Gültigkeit“ abgeprüft werden (S. 8), bevor das Paradigma als Forschungsorientierung verbreitet verwendet werden kann. Gerade in Bezug auf die siebenbürgische Situation mit der ausgeprägten Multikonfessionalität, der weitgehend passiven Rolle des Staates bei der Ausbildung der Konfessionen und der weitreichenden Selbstverwaltung der Konfessionen erscheine es wenig sinnvoll, den Begriff der „Konfessionalisierung“ zu verwenden. Demzufolge wird der Tagungsband explizit unter die Begrifflichkeiten „Konfessionsbildung“ und „Konfessionskultur“ gestellt, wobei mit letzterem auf den von Thomas Kaufmann in die historische Debatte eingeführten Begriff zurückgegriffen wird.

Die Beiträge des Bandes lassen sich in zwei Abschnitte gliedern. Einerseits der Humanismus und die Reformation in Siebenbürgen, andererseits die Konfessionalisierung oder Konfessionsbildung. In einem allgemeinen Überblick stellt Ernst D. Petritsch zu Anfang die Beziehungen zwischen Siebenbürgen und dem Osmanischen Reich in der Reformationszeit dar. Er streicht besonders heraus, dass die osmanische Oberherrschaft für die Entwicklung des konfessionellen Lebens nicht von Nachteil war. Obwohl die siebenbürgischen Fürsten kaum eine eigenständige Außenpolitik betreiben konnten und auch die Fürstenwahlen nicht ohne Einmischung der osmanischen Sultane über die Bühne gingen, konnten sich die Konfessionen doch recht ungehindert entwickeln, was, so Petritsch, unter habsburgischer Verwaltung kaum möglich gewesen wäre.

Die engen Verbindungen des Humanismus in Siebenbürgen zum Reich und vor allem nach Wien, aber auch ins schweizerische Basel, sind immer wieder hervorgehoben worden und werden auch im vorliegenden Band unterstrichen. Sie lassen sich nicht nur an der regelmäßigen Immatrikulation von Studenten aus Siebenbürgen an der Wiener Universität seit dem späten Mittelalter ablesen, sondern auch ganz explizit an der wichtigsten Person der Siebenbürgischen Reformation, an Johannes Honterus. Der spätere Reformator Siebenbürgens graduierte 1525 in Wien zum Magister artium und führte in den 1540er-Jahren in Kronstadt die Reformation durch. Neben Wien gingen die Kontakte auch nach Basel, vor allem über den Antitrinitarismus, der Ideen der Toleranz aus den wichtigsten Basler Publikationen rezipierte.

In Klausenburg dagegen waren die beiden Reformatoren Kaspar Helth und Heltai Gáspár sowie Franz Davidis und Dávid Ferenc aktiv, die eigentlich zwar der sächsischen Nation angehörten, jedoch mit ihren politischen Tätigkeiten starke Affinitäten zur ungarischen Nation zeigten. Besonders Kaspar Helth setzte sich sehr entschieden für die Verwendung der ungarischen Sprache ein, während sich Davidis die Union der sächsischen und magyarischen Kirchen zum Anliegen machte. Helth und Davidis begannen in den 1560er-Jahren, sich für antitrinitarische Gedanken zu interessieren. Helth wurde 1570 unitarisch; Davidis wurde nach der Gründung der unitarischen Kirche deren Superintendent. Beide Reformatoren verdeutlichen mit ihrer Biografie die Schwierigkeit in Siebenbürgen eindeutige „Konfessionalisierungen“ festzumachen.

In Klausenburg lässt sich, so Edit Szegedi, zudem exemplarisch die These der konfessionellen und ethnischen Kongruenz widerlegen, denn das Luthertum wurde nicht automatisch zur Konfession der Deutschen und der Calvinismus nicht automatisch zur Konfession der Ungarn. Überwiegend lutherisch geprägt war jedoch die Reformation in der Zips, einer Region, die aufgrund ihrer territorialen Autonomie eine besondere Stellung einnahm. Johannes Henckel und Bartolomäus Bogner führten hier in den 1540er-Jahren die Reformation durch. Nach 1550 setzte dann – in Abgrenzung zum Calvinismus – die Konfessionsbildung im slowakischen Luthertum ein; die „Confessio Pentapolitana“ von Leonhard Stöckel steht hierfür beispielhaft.

Harm Klueting beleuchtet die Facetten der Konfessionalisierung in West- und Ostmitteleuropa, ordnet diese in das frühneuzeitliche Paradigma ein und stellt vor dem Hintergrund theoretisch-methodischer Debatten besonders den Unterschied zwischen „Konfessionsbildung“ und „Konfessionalisierung“ heraus. Mit Blick auf die spezielle Situation in Siebenbürgen werden in den folgenden Beiträgen dann sowohl die Multikonfessionalität und die daraus resultierenden und bereits erwähnten Probleme einer Konfessionalisierungsgeschichte Siebenbürgens als auch die manchmal nicht eindeutige konfessionelle Zuordnung einzelner Akteure hervorgehoben. Dies zeigt sich unter anderem im Buchdruck, denn die Werkstätten bedienten nicht nur ein einzelnes konfessionelles Klientel, sondern waren häufig für verschiedene Auftraggeber tätig.

Unter dem Aspekt der beginnenden Konfessionalisierung untersucht Krista Zach den Privilegien-Corpus der „Approbaten“. Durch das „Leopoldinische Diplom“ wurde Siebenbürgen endgültig zur Ausnahme innerhalb der habsburgischen Länder, was sich besonders für das 18. Jahrhundert nachweisen lässt, als Kryptoprotestanten aus Kärnten und aus der Steiermark an diesen Ort konfessioneller „Hoffnungslosigkeit“ deportiert wurden (S. 64). Der Multikonfessionalität legt Krista Zach unter anderem die strukturellen Gegebenheiten des Landes, die zeitweise schwache Person des Fürsten und den daraus erwachsenden Ständepartikularismus zugrunde.

Die Beiträge zum Humanismus, zur Reformation und zur Konfessionalisierung in Siebenbürgen werden ergänzt durch Aufsätze zur Situation der orthodoxen Kirche und der Juden sowie durch die Vorstellung eines Projekts, das die Korrespondenz siebenbürgischer Gelehrter mit deutschen Gelehrten untersucht. Nach polemischen Angriffen vor allem durch die rumänischen Calvinisten änderte sich die Lage für die Orthodoxen im 16. Jahrhundert erst unter Stefan Báthory, der sich der orthodoxen Kirche annäherte und ihren Würdenträgern Privilegien erteilte. In den folgenden Jahrzehnten verbanden sich die katholischen Fürsten Siebenbürgens mit der orthodoxen Kirche vor dem Hintergrund und mit dem Ziel der Gegenreformation. Das Schicksal der Juden dagegen gestaltete sich ambivalent – von den Ausweisungen unter König Ludwig dem Großen im 14. Jahrhundert über die Bestätigung der Privilegien unter Sigismund von Luxemburg und Mathias Corvinus bis hin zur Instruktion Rudolfs I. aus dem Jahr 1601, derzufolge alle „Arianer, Anabaptisten und Juden […] überwältigt“ werden sollten. Gabriel Bethlen dann erteilte den Juden erneut umfangreiche Privilegien und instrumentalisierte sie im Zuge seiner Kolonialisierungspolitik; in den folgenden Jahrzehnten wurden die Juden zu einem bedeutenden Faktor im siebenbürgischen Wirtschaftsleben.

Der Band macht deutlich, dass es besonders vor dem Hintergrund einer komplexen politisch-gesellschaftlichen Situation wie in Siebenbürgen wichtig ist, begrifflich scharf zu trennen und die Bedeutung verwendeter Begrifflichkeiten zu definieren. Bei manchen Beiträgen hätte man sich zudem etwas mehr Tiefe und die Einbeziehung neuerer theoretisch-methodischer Ansätze gewünscht. Das Verdienst des vorliegenden Sammelbandes liegt jedoch zweifellos darin, dass ostmitteleuropäische und mitteleuropäische Forschungen zusammengeführt und den in Mitteleuropa forschenden und der osteuropäischen Sprachen häufig nicht mächtigen Historikern zugänglich gemacht werden.

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