M. Bommas: Heiligtum und Mysterium

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Titel
Heiligtum und Mysterium. Griechenland und seine ägyptischen Gottheiten


Autor(en)
Bommas, Martin
Reihe
Zaberns Bildbände zur Archäologie
Erschienen
Mainz am Rhein 2005: Philipp von Zabern Verlag
Anzahl Seiten
138 S.
Preis
€ 41,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thorsten Fleck, Institut für Klassische Archäologie, Universität zu Köln

Eine besondere Rolle im Rahmen der Religionsgeschichte der Antike spielen die Isis- und Sarapis-Mysterien, welche innerhalb des gesamten römischen Imperiums zahlreiche Anhänger fanden; versprachen sie doch ihren uneingeweihten Gläubigen Beistand im Diesseits und ihren Mysten darüber hinaus ein Weiterleben im Jenseits. Die Fülle archäologischer Hinterlassenschaften in Form von Heiligtümern, aber auch Streufunden wie Statuetten und Kultgeräten waren bereits Objekt zahlreicher Untersuchungen.1 Das vorliegende Buch von Martin Bommas richtet seinen Focus auf die teilweise bisher wenig beachteten Heiligtümer der ägyptischen Gottheiten in der Ägäiswelt (Griechenland, Makedonien, Thrakien, kleinasiatische Westküste, Ägäische Inseln, Kreta), geht aber über ihre Beschreibung weit hinaus, denn neben der Erfassung von strukturellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der architektonischen Konzeption, sollen in Verbindung mit epigrafischen und literarischen Quellen (u.a. Plutarchs De Iside et Osiride; Apuleius' Metamorphosen XI; Pausanias) die Kultinstallationen und ihre Funktionen, die soziale Zugehörigkeit der Mysten, der Modus der Verbreitung und der Einfluss historischer Ereignisse auf Neugründungen untersucht werden. Zu diesem Zweck werden alle Kapitel mit Ausnahme des ersten von historischen Einleitungen begleitet.

Im ersten Kapitel "Ägypten und die Spur der Mysterien" (S. 5-31) führt Bommas die Leser/innen etwa in die altägyptische Kultur und Religion ein, stets im Vergleich mit der griechisch-römischen Welt, um die notwendigen Grundlagen für seine späteren Ausführungen zu schaffen. An dieser Stelle seien nur einige Aspekte herausgegriffen: So betont Bommas zu Recht den Unterschied zwischen ägyptischem Verständnis von Geheimnis und griechischer Auffassung von Mysterium, weshalb die Mysterien wohl primär als griechische Entwicklung anzusprechen sind (S. 6f.).2 Auch geht er auf die Faszination ein, welche die ägyptische Schrift als Trägerin von Weisheit und geheimem Wissen auf die Griechen ausübte, und erörtert, wie sie die exotische Außenwirkung der Mysterien unterstützte. Von besonderem Interesse ist die Entwicklung der Isis von der pharaonischen bis in die griechisch-römische Zeit, welche durch Angleichungen an nichtägyptische Gottheiten und zahlreiche Wesenerweiterungen geprägt ist. Demgegenüber besaß der gestorbene und in der Unterwelt verbleibende Osiris aus griechischer Sicht wenig Attraktivität, denn "das genuin ägyptische Schicksal dieses Gottes war jedoch ganz auf die Irreversibilität im Jenseits ausgerichtet, von dem es keine Rückkehr gab" (S. 20). Daher konnte er im Mysterium, in welchem rituell Tod und Wiedergeburt im Diesseits durchlebt wurden, nur eine passive Rolle spielen, so dass seine Rolle als Gatte der Isis von Sarapis eingenommen wurde.

Problematisch sind Bommas' Ansätze zur Genese des Sarapis und ihrer Hintergründe (S. 23-25). Entgegen der gängigen Auffassung, dass sich der seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert v.Chr. in Erscheinung tretende Sarapis/Serapis hinsichtlich seines Namens und Wesens aus dem in Memphis verehrten Osiris-Apis (Wsjr-Hp) ableitet, bemüht Bommas als Namensbildung die ägyptische Vokabel sr "vorhersagen, prophezeien", welche in Verbindung mit Hp (Apis) als "vorhersagender Apis" zu übersetzen sei. Hierbei konstruiert er eine Genese, die auf ein religiöses Milieu von in Memphis beheimateten Karern und Griechen zurückzuführen sei, welche eine Kultgemeinschaft bereits mit Mysterien-Charakter um den neu geschaffenen Orakelgott konstituiert hätten. Allerdings ist m.E. das beschriebene Szenario ebenso wie die Inanspruchnahme des angesprochenen sr höchst hypothetisch. Letzteres ist, wie Bommas selbst zugesteht, ohne Belege. Offenbar fühlt er sich zu dieser Herleitung genötigt, da er den Wegfall des w - als angeblich reinen Konsonanten - aus Wsjr für unmöglich hält. Doch hier irrt Bommas, denn tatsächlich konnte es einen vokalischen u- oder o-Laut annehmen und in der Auffassung der Hellenen als maskuliner Artikel entfallen, womit sich aus Wsjr-Hp der zur Diskussion stehende Göttername ergab.3 Leider verschweigt Bommas im Rahmen seiner Argumentation, auf wen diese These hauptsächlich zurückzuführen ist: nämlich auf Kurt Sethe,4 welcher auch überzeugende Nachweise gegen die anfänglichen Zweifel Ulrich Wilckens an einer Ableitung des Namens Sarapis aus Wsjr-Hp und den damit übernommenen Wesenszügen des Osiris erbringen konnte. Im Übrigen nahm Wilcken später seine Bedenken zurück und untermauerte darüber hinaus Sethes Ausführungen.5 Lediglich den Wegfall des w erklärte er anders,6 was aber Bommas' Ansichten nicht stützen kann. Die dargelegten Überlegungen sind nicht nur von philologischem Interesse, sondern führen je nach Urteil zu einer unterschiedlichen Charakterisierung des Sarapis, denn durch die von Bommas vorgeschlagene Namensbildung wird eine Ableitung von Osiris ausgeschlossen; andererseits spricht er aber wenig später – im Widerspruch zu sich selbst – von den "osirianischen Wurzeln" des Sarapis (S. 27). In der Tat ist Sarapis/Osiris ein Unterwelt- und Vegetationsgott, wie seine ikonografischen Attribute Kalathos und Kerberos eindeutig belegen. Wie dies dann aber im Falle eines sr Hp zu erklären sei, bleibt Bommas den Leser/innen schuldig.

Auch hinsichtlich der sozialen und politischen Verhältnisse weisen seine Überlegungen m.E. in die falsche Richtung. Zwar ist in der Tat nicht davon auszugehen, dass Ptolemaios I. einen Griechen, Makedonen und Ägypter vereinigenden Gott anstrebte; doch ist entgegen Bommas' Auffassung durchaus anzunehmen, dass in der Etablierung des Sarapis das politische Kalkül des besagten Königs zu suchen ist, indem dieser nämlich der nach griechischem Recht gegründeten Stadt Alexandria dem Ktistes Alexander einen Polisgott, eben Sarapis in seiner hellenisierten Erscheinung, für die aus allen Teilen Griechenlands stammenden Hellenen zur Seite stellen wollte.7 Die Tatsache, dass er hierbei auf einen in Memphis auch von Griechen und Karern verehrten Wsjr-Hp (noch in seiner vorhellenistischen Erscheinung als Stier) zurückgriff, schwächt die hier vorgetragenen Einwände nicht. Auch die Feststellung, dass die frühesten ägäischen Heiligtümer für die ägyptischen Gottheiten wohl primär auf Privatinitiativen zurückzuführen sind, muss nicht, wie Bommas später immer wieder behauptet (z.B. S. 34, 38), im Widerspruch zu den angeführten Ambitionen Ptolemaios' I. innerhalb Ägyptens stehen. Bommas' stets wiederkehrender Hinweis, dass sich die frühen Gründungen im Einflussbereich der Antigoniden, d.h. aus ptolemäischer Sicht im Feindesland, befanden, sprechen nicht gegen eine Einflussnahme Ptolemaios' I. bei der Genese des Sarapis. Zwar ist mit Bommas etwa die Nachricht zu korrigieren, dass Sarapis ursprünglich aus dem kleinasiatischen Sinope stamme (Tac. hist. 4, 83; Plut. de Is. 28); eine generelle Ablehnung der zu den angeschnittenen Fragen zugehörigen antiken Mitteilungen ist aber wohl überzogen. Angesichts der zahlreichen dokumentarischen Papyri und literarischen Quellen, wie sie nicht nur von Sethe und Wilcken vorgestellt und interpretiert wurden, wundert man sich über Bommas' folgende Aussage (S. 23): "In die vermeintlich notwendige Rekonstruktion der Entstehung des Serapis ex nihilo ist viel Tinte geflossen."

Im zweiten Kapitel "Die Anfänge der Verbreitung ägyptischer Kulte in der Ägäis im 4. Jh. v.Chr." (S. 32-34) werden neben dem Hinweis auf seit klassischer Zeit in der Ägäis errichteter Heiligtümer für Zeus-Ammon die ältesten, nur epigrafisch belegten Kultbauten für Isis und Sarapis in Griechenland (Piräus, Ende 330er-Jahre v.Chr.) und Kleinasien (Halikarnassos, um 300 v.Chr.) angesprochen. Das darauf folgende Kapitel "Die erste Hochphase der Verbreitung der Isiskulte in der Ägäis im 3. Jh. v.Chr." (S. 35-63) bietet interessante Feststellungen: Während man sich zu Beginn des Jahrhunderts noch in einem Findungsprozess befand, welcher unterschiedlichste architektonische Konzeptionen hervorbrachte (Felsheiligtum auf Thera; griechischer Antentempel in Eretria mit mehreren auf ihn zuführenden, ummauerten Höfen nach ägyptischem Schema), tritt in Priene bald erstmals ein Podiumstempel für die ägyptischen Gottheiten in Erscheinung (S. 50f.), wie er später immer wieder in der Mittelmeerwelt zu finden sein wird. Zudem zeigt sich bereits in dieser frühen Zeit, was auch bei späteren Heiligtümern immer wieder feststellbar sein wird: Es war keine einheitliche Ausrichtung in eine bestimmte Himmelsrichtung angestrebt worden, vielmehr orientierte man sich an den natürlichen Gegebenheiten (S. 43, 48). In diesem Zusammenhang kommt Bommas auch auf die kultische Bedeutung des Wassers zu sprechen, weshalb jedes Heiligtum über die hierfür notwendigen Installationen verfügte. Entsprechend der topografischen Verhältnisse bediente man sich hierbei unterschiedlichster Methoden: Während man das als heilig verstandene Wasser in Eretria über Rohrleitungen aus einem Brunnen bezog, wurde es in Thera in zwei Zisternen gesammelt, auf Delos leitete man es vom Inopos ab. Vor allem Delos ist in vielfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung. So sind dort nicht nur insgesamt drei Sarapäen noch aus dem 3. Jahrhundert v.Chr., sondern durch Inschriften auch eine Kultgemeinschaft des sonst in hellenistischer Zeit wenig populären Osiris nachweisbar. Ebenso wie gegen Ende des Jahrhunderts von Delos aus das Mysterium in Athen Fuß fassen konnte, wurde die Insel bald zum Ausgangspunkt für die ältesten Gründungen von italischen Heiligtümern.

Das vierte Kapitel "Das Zeitalter der innerägäischen Expansion ägyptischer Kulte im 2. Jh. v.Chr." (S. 64-78) trägt bereits in seinem Titel das Hauptcharakteristikum dieser Phase, denn sie ist gekennzeichnet durch zahlreiche Neugründungen, welche sich nicht mehr lediglich in Küstennähe, sondern nun auch im Hinterland finden lassen. Im Rahmen der auf den Inseln errichteten Heiligtümer ist das in Gortyn auf Kreta von besonderem Interesse, denn Bommas gelingt es mittels der dortigen Hinterlassenschaften, epigrafischer und literarischer Quellen die Grundzüge des Kultgeschehens zu rekonstruieren. Darüber hinaus erlauben die gewonnenen Erkenntnisse nun die Feststellung vergleichbarer Installationen und daraus resultierend wohl sehr ähnlicher Ritualhandlungen in anderen Heiligtümern (S. 72-74). Bommas weist auf die politischen Verhältnisse in dieser Zeit hin, welche eine Begünstigung Delos' durch die Römer mit sich brachte. Aufgrund ihrer Bedeutung für den Mittelmeerhandel zog die Insel auch italische Kaufleute an, welche die Mysterien bald zur italischen Halbinsel trugen (S. 76 ff.).

Im fünften Kapitel "Das 1. Jh. v.Chr. – Zeitalter wirtschaftlicher Krise und Stagnation" (S. 79-85) wird überzeugend der Zusammenhang zwischen den politischen Verhältnissen im östlichen Mittelmeerraum, welche vor allem durch die drei Mithridatischen Kriege bestimmt waren, und dem Nachlassen von Tempelneugründungen in der Ägäis hergestellt. Bommas vergisst aber nicht, auf das Aufblühen der Mysterien-Kulte in Italien trotz des anfänglichen Widerstandes seitens des römischen Senats hinzuweisen (S. 80f.). Im sechsten Kapitel "Das 1. Jh. n.Chr. zwischen Übergang und Formation" (S. 86-90) zeichnet Bommas nach, wie einerseits die Folgen des vorangegangenen Jahrhunderts noch nachwirken, andererseits die pax Romana nun eine ökonomische Rehabilitation und eine ungestörte Mobilität innerhalb der Imperiums erlaubte, welche die Grundlagen für eine allmähliche Zunahme der Isis- und Sarapis-Gläubigen und für zukünftige Neugründungen nicht nur in der Ägäis schufen. Insbesondere in Italien ist für diese Zeit bereits ein ausgeprägtes Interesse an Ägyptiaca und daran orientierten Dekorationsmotiven wahrzunehmen, welches nicht zuletzt auf die exotische Wirkung der Kultur des Nillandes zurückzuführen ist.

Das vorletzte Kapitel "Die zweite Hochphase der Verbreitung der Isiskulte im 2. Jh. n.Chr. – Der Wille zur Kanonisierung" (S. 91-120) widmet sich der Blütezeit aller Mysterien-Kulte, in welcher knapp zwei Dutzend Neugründungen zu Ehren der ägyptischen Gottheiten vorgenommen wurden. Besonders hervorzuheben sind für diese Epoche die nun endgültig reichsweite Verehrung, die Ägyptophilie Hadrians, der Kult des Osiris-Antinoos und die Entstehung der so genannten Isis-Romane. Als gelungen darf Bommas' Versuch gelten, die eben aus dem 2. Jahrhundert stammenden Bemerkungen des Apuleius (Metamorphosen 11,17-23) zum Heiligtum in Kenchreai mit den archäologischen Hinterlassenschaften ebendort in Einklang bringen, Kultinstallationen zu identifizieren und die Leitlinien der rituellen Handlungen festzustellen (S. 109 ff.). Die hieraus gewonnen Erkenntnisse erleichtern die Rekonstruktion vergleichbarer Anlagen in Ephesos und Pergamon. Insbesondere das letzt genannte Heiligtum, die so genannte Rote Halle, zeigt, wie die Sakralbauten für die ägyptischen Götter außerhalb ihres Heimatlandes nun bisher ungesehene Ausmaße erreichten. In Hinsicht auf die Anlage in Ephesos, aber auch mit Gültigkeit für andere Heiligtümer stellt Bommas fest, dass ihre architektonische Konzeption "die symbiotische Verflechtung zweier ritueller Wirklichkeiten in nur einem Ort: des täglichen Kults und Initiationsrituals" ermöglichte und es den Priestern gestattete, "beide rituellen Vorgänge streng voneinander getrennt durchzuführen" (S. 120).

Zuletzt wird "Der Niedergang der Isiskulte im 3. und 4. Jh. n.Chr." (S. 121-132) behandelt. Hierbei kommen kurz die Erscheinungen und Auswirkungen der so genannten Reichskrise, der Mithras-Kult und das sich ausbreitende Christentum, aber auch die in dieser Zeit noch einmal zunehmenden synkretistischen Prozesse zur Sprache, wobei Bommas letztere zu Recht als "Verlust der Identität" begreift (S. 128). Von besonderem Interesse ist noch die Feststellung Bommas', dass Paulus während seiner zweiten Missionsreise nicht – wie zumeist angenommen –, die in der frühen Kaiserzeit kaum nachweisbaren jüdischen Gemeinden Makedoniens, sondern die dortigen Isis- und Sarapis-Gläubigen aufgesucht hatte (S. 125-128), was die Bedeutung der Mysterien-Kulte in der römischen Kaiserzeit noch einmal unterstreicht. Seinen Abschluss findet das Buch mit den Erlassen Gratians und Theodosius' I. zu Gunsten des Christentum und der Zerstörung des Sarapäums von Alexandria. Gewünscht hätte man sich noch eine Bemerkung zur dennoch vereinzelten Weiterexistenz vor allem von Isis-Kulten und -Festen, wie dies etwa Rutilius Namatianus (de red. suo 371ff.) für den Beginn des 5. Jahrhunderts in Falerii bezeugt.8

Ergänzt werden die Beschreibungen der ägäischen Heiligtümer durch kurze Exkurse zu verschiedensten Themen, wie beispielsweise zum Ägyptenbild der Griechen in klassischer Zeit (S. 33), zur Gründung und Geschichte der ptolemäischen Dynastie (S. 35-39), zur Geschichte der behandelten Städte wie etwa von Eretria (S. 39f.), zur Bedeutung des Wassers im Isis- und Sarapis-Kult/Mysterium (S. 41f.) oder zur hellenistisch-römischen Architektur, vor allem im Vergleich zur ägyptischen (S. 45-48). Darüber hinaus beschränkt sich Bommas nicht nur auf den von ihm ausgewählten geografischen Raum, sondern wirft einen Blick auch auf Gebiete jenseits der klassischen Welt, so beispielsweise nach Indien, wo sich zumindest die Kenntnis des Isis-Kults vermuten lässt (S. 95). Auch die zahlreichen geistes- und allgemein religionsgeschichtlichen Ausführungen dienen dem besseren Verständnis und der Einordnung der Isis- und Sarapis-Mysterien innerhalb der komplexen Vorgänge der Mittelmeerwelt.

Einige der zahlreichen Exkurse hätten allerdings eine durchgängige und somit für die Leser/innen übersichtliche und einfacher auffindbare Darstellung am Anfang oder in Form eines Resumés am Ende des Buches verdient, anstatt sie, wie dies zum Teil der Fall ist, ohne Absätze oder eigene Überschriften hier und da in den Text einzustreuen. Gerade deshalb wären ein über die grobe Kapiteleinteilung hinausgehendes Inhaltsverzeichnis und ein Index äußerst hilfreich gewesen. Es sei an dieser Stelle lediglich stichpunktartig noch auf einige Errata hingewiesen: ein Alexander Arrhidaios existierte nicht (S. 35), korrekterweise müsste es heißen, dass Philippos III. Arrhidaios der Halbbruder Alexanders des Großen gewesen war; Ptolemaios IV. wurde im Jahr 221 v.Chr. nicht geboren (S. 38), sondern trat in diesem Jahr als rund Zwanzigjähriger seine Regierung an; Eretria liegt nicht südwestlich, sondern südöstlich von Chalkis (S. 39); bei der Prägung der Faustina handelt es sich nicht um eine römische Münze im eigentlichen Sinne, sondern um eine so genannte kaiserzeitliche Provinzialprägung (S. 52 zu Abb. 68a); dasselbe gilt für ein Exemplar aus Odessos, welches nicht Septimius Severus (S. 123 zu Abb. 144), sondern die Stadt selbst prägen ließ, wobei die Motivwahl der Rückseite in der Entscheidungsgewalt der lokalen Verwaltung lag, so dass der auf dem Revers abgebildete Sarapis als Anspielung auf einen dort vorhandenen Kult und nicht auf eine zur Schau gestellte Verbundenheit des Kaisers zu dem Gott zu verstehen ist; auch ließ sich Septimius Severus nie als oder in Anlehnung an Sarapis darstellen, wie Bommas wohl mit Bezug auf den 3. Bildnistypus des Kaisers meint (ebd.).9

Die genannten Kritikpunkte schmälern aber nicht den Wert des Werkes. Denn Bommas vermag es, nicht nur einen profunden Überblick über die ägäischen Heiligtümer für die ägyptischen Gottheiten, von welchen hier nur wenige angesprochen werden konnten, zu leisten; vielmehr tragen seine Ausführung zu einem besseren Verständnis der Kultanlagen und ihrer Abhängigkeit von rituellen Vorgaben bei. Ebenso ist ihm die Einordnung der Mysterien in die religionshistorische Entwicklung der Mittelmeerwelt gelungen. Hervorgehoben sei noch das sehr gute, teilweise von Bommas selbst angefertigte Bild- und Kartenmaterial, welches neben architektonischen Aufnahmen auch Bildträger wie Münzen, Gefäße und Grabstelen zur Geltung kommen lässt.

Anmerkungen:
1 Als wenige Beispiele seien genannt: Salditt-Trappmann, Regina, Tempel der ägyptischen Götter in Griechenland und an der Westküste Kleinasiens, Leiden 1970; Malaise, Michel, La diffusion des cultes égyptiens dans les provinces européennes de l'Empire romain, in: ANRW II 17,3 (1984), S. 1615-1691; Wild, Robert A., The Known Isis-Sarapis Sanctuaries of the Roman Period, in: ANRW II 17,4 (1984), S. 1739-1851; Hölbl, Günther, Art. "Verehrung ägyptischer Götter im Ausland, bes. griech.-röm. Zt.", in: LÄ VI (1986), Sp. 920-969; Bricault, Laurent, Atlas de la diffusion des cultes isiaques (IVe s. av. J.-C. - IVe s. apr. J.-C.), Paris 2001.
2 Zur Frage, ob Mysterien in vergleichbarer Form bereits in pharaonischer Zeit in Ägypten anzunehmen sind, vgl. den Tagungsband (mit unterschiedlichen Ergebnissen): Assmann, Jan; Bommas, Martin (Hgg.), Ägyptische Mysterien?, München 2002.
3 Bestes Beispiel ist hierbei der Name des Gottes Wsjr - Osiris.
4 Sethe, Kurt, Sarapis und die sogenannten kátochoi des Sarapis. Zwei Probleme der griechisch-ägyptischen Religionsgeschichte, in: Abh. d. kgl. Ges. d. Wiss. z. Gött., Phil.-hist. Kl., NF XIV, Nr. 5, Berlin 1913, S. 6-11 (dort auch Verweise auf ältere Literatur). Sethe konnte u.a. durch Vergleiche mit Personennamen die im Kern bereits auf Champollion zurückgehenden Überlegungen stützen.
5 Wilcken, Ulrich (Hg.), Urkunden der Ptolemäerzeit (Ältere Funde), Bd. 1: Papyri aus Unterägypten, Berlin 1927, S. 25ff, 82ff. Auf S. 78 heißt es: "[I]ndem ich die Ableitung von Osiris-Apis, die zuletzt namentlich von Sethe (Sarapis) eingehend begründet worden ist, und zu der ich mich seit einigen Jahren bekehrt habe […], durch weitere Argumente zu stützen suche."
6 Wilcken, ebd., S. 85f. führt – m.E. wenig überzeugend – als Ursache für den Wegfall einen als "kakophonisch" empfundenen Zusammenstoß des griechischen Artikels mit dem folgenden u- bzw. o-Laut an.
7 Zu Sarapis als Polisgott vgl.: Schmidt, Stefan, Serapis – ein neuer Gott für die Griechen in Ägypten, in: Beck, Herbert; Bol, Peter C.; Bückling, Maraike (Hgg.), Ägypten, Griechenland, Rom. Abwehr und Berührung, Ausstellungskatalog, Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie (26.11.2005-26.02.2006), Frankfurt am Main 2005, S. 292f. Hinsichtlich der Entstehung des Namens ist Schmidt sich unschlüssig (S. 291f.). Einer "charakterlichen" Ableitung des Sarapis aus Osiris-Apis stimmt er aber zu.
8 Vgl. hierzu ausführlich: Raeder, Joachim, Herrscherbildnis und Münzpropaganda. Zur Deutung des "Serapistypus" des Septimius Severus, in: JDAI 107 (1992), S. 175-196, Taf. 61-72.
9 Zum Fortleben paganer Kulte noch bis in das 6. Jh. hinein vgl.: Trombley, Frank R., Hellenic Religion and Christianization c. 370-529, 2 Bde., Leiden u.a. 1993-1994.

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