P. Emberger: Catilina und Caesar

Cover
Titel
Catilina und Caesar. Ein historisch-philologischer Kommentar zu Florus (epit. 2,12-13)


Autor(en)
Emberger, Peter
Reihe
Studien zur Geschichtsforschung des Altertums 12
Erschienen
Anzahl Seiten
674 S.
Preis
€ 138,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Joachim Losehand, Stuttgart

Historisch-philologische Kommentare sind dankbare Dissertationsthemen, für AutorInnen und LeserInnen gleichermaßen; zunächst für AutorInnen, denn einerseits lässt sich nach Verstreichen einiger Jahre stets wieder neue Sekundärliteratur finden und verarbeiten, andererseits die zur Kommentierung vorhandenen Werke (und deren Zahl ist Legion) in scheinbar fast beliebig viele und für den Dissertanden verdauliche Abschnitte zur Bearbeitung zerlegen. Es darf aber keineswegs außer Acht gelassen werden, dass sich derjenige, der sich an einen solchen Kommentar wagt, keinen breiten und leichten Weg gewählt hat: Obwohl sein Gegenstand klar umrissen ist und zweifellos einen Anfang und ein Ende hat, muss er stets gewahr sein, dass er im Meer der Konnotationen, Anspielungen, Assoziationen, scheinbaren und tatsächlichen literarischen wie historischen Abhängigkeiten ertrinken und sich im Wald der Fiktionen verlaufen kann. Darüber hinaus erstellt man mit einem solchen Kommentar ein echtes Werkzeug für (nicht nur angehenden) AltertumskundlerInnen. Kommentare werden gebraucht, erleichtern vorderhand das Bibliografieren, sind die Stütze jeder quellenbasierten wissenschaftlichen Arbeit, mit einem Wort: der Nutzen für die LeserInnen eines historisch-philologischen Kommentars (und damit des Dissertationsprojektes) ist im Gegensatz zu dem mancher Arbeiten, die sich mit Themen beschäftigen, welche man freundlich "randständig" nennt, a priori unbestreitbar. Natürlich – diese nicht nur für Kommentare geltende Einschränkung sei erlaubt – ist der Nutzen, den die LeserInnen heranziehen, direkt proportional zur Arbeit, die der Kommentator hineinsteckt. Wer also einen historisch-philologischen Kommentar schreibt, tut immer ein gutes, weil nützliches Werk und fördert damit gleichzeitig die interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Der Nachteil eines solchen Projekts ist – darauf wurde oben schon hingewiesen –, dass aufgrund des Arbeitsaufwands zumeist nur Teile eines antiken Werks in einem Projekt kommentiert werden, so geschehen etwa bei der Pompeius-Vita Plutarchs (Kapitel 1-45) oder beim "Bellum Africanum" (Kapitel 1-47).1 Darum darf es als Glücksfall angesehen werden, dass an der Universität Rostock ein Dissertationsprojekt zu Florus (epit. 2,14ff.) durch Holger Koch in Arbeit ist.2 Damit findet der hier im folgenden vorgestellte Kommentar zu Florus epit. 2,12-13 (= 4,1-2) von Peter Emberger seine direkte Fortsetzung. Man darf also gespannt sein. Embergers historisch-philologischer Kommentar beginnt mit einigen knappen Hinweisen zu "Leben und Werk des Historikers Florus" (S. 11-31). Den Hauptteil bilden die Abschnitte zum bellum Catilinae (Flor. epit. 2,12 = 4,1; S. 33-168) und zum bellum civile Caesaris et Pompei (Flor. epit. 2,13 = 4,2; S. 173-576), die sich in "Text", "Übersetzung" und "Kommentar" gliedern und zudem eine chronologische Übersicht zur Catilinarischen Verschwörung bzw. zum Bürgerkrieg bieten. Der wissenschaftliche Apparat mit einer ausführlichen und dem Stand der Forschung (vom August 2005) entsprechenden Bibliografie folgt zum Schluss. Die von Günther Laser in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft aufgelegte Florus-Ausgabe (mit Übersetzung und Kommentar) konnte aufgrund ihres späteren Erscheinungstermins (Ende Oktober 2005) von Emberger leider nicht mehr berücksichtigt werden.3

Die Einführung in Leben und Werk (Kapitel I, S. 11-31) ist leider recht unübersichtlich, da sie ohne gliedernde Zwischenüberschriften gestaltet wurde; eine ansprechendere Informationsaufbereitung wäre hier wünschenswert gewesen. Auf dem knappen Raum von rund zwanzig Seiten versteht es Emberger aber, alle wesentlichen Informationen zum Verfasser und seinem Geschichtswerk zu geben. Der Reihe nach werden die Verfasserfrage (S. 11-14), Titel (S. 14-16), Einteilung und Gliederung (S. 16f.), Datierung (S. 18f.), Inhalt und Darstellung (S. 20f.), Gattung und bestimmende Metaphorik (S. 21-23), historische Konzeption (S. 23-26) und schließlich Quellen und Abhängigkeit (S. 26-28) sowie die Rezeption (S. 29-31) behandelt. Grundsätzlich auffällig ist, dass Emberger zu keinem der strittigen bzw. diskussionswürdigen Punkte, sei es die Verfasserfrage, die damit einhergehende Datierung des Werkes oder seine Gliederung, dezidiert Stellung nimmt, sondern die verschiedenen Standpunkte innerhalb der Forschung weitgehend ohne erkennbare, begründete Bevorzugung der einen oder anderen Position oder eigenen Standpunkt referiert. Eine Wiederholung der in der Einleitung von Emberger vorgestellten Positionen soll hier entsprechend unterbleiben. So haben etwa die Vorschläge zur Einteilung des Geschichtswerkes eine Bandbreite, die von einer Konzeption als ein Buch ohne Unterteilung 4 bis hin zu einer Gliederung in fünf Bücher 5 reicht.

Ebenso auffällig für einen Kommentar, der auch den Anspruch hat, ein philologischer zu sein, ist die Tatsache, dass die BenutzerInnen von Embergers Buch eine Diskussion oder Begründung für die der Übersetzung und dem Kommentar zugrunde liegende Textfassung vermissen müssen. Beide Texte "folgen" (so Emberger lapidar, S. 33, Anm. 157, 173, Anm. 581) der Ausgabe von László Havas.6 Ein weiterer Kommentar beispielsweise zur Editionsgeschichte (etwa im Rahmen der Rezeption, S. 29ff.) oder zu den Kriterien, die zur Entscheidung Embergers führten, die Edition von Havas zur Grundlage seines Kommentars zu machen, ihr also den Vorzug vor der von Enrica Malcovati zu geben, die Günther Laser in seiner Ausgabe zugrundelegt7, unterbleibt leider völlig. Auch bleiben Fragen der Textkritik und der Textgestaltung, die ja für einen Kommentator (und Übersetzer, wenn auch bei Emberger sekundär) nicht von untergeordneter Bedeutung sind, unbeantwortet. Die Formulierung "der Text folgt" ist symptomatisch: "folgt" Emberger der Ausgabe von Havas in toto oder nur partim, und wenn nur teilweise, wo und warum weicht Embergers von Havas' Text ab? Von einem "philologischen Kommentar" darf man hier sicher mehr erwarten. Im Kommentar-Teil, dem Herzstück der vorgelegten Arbeit, setzt sich die Zurückstellung dezidiert philologischer Aspekte streckenweise fort, allerdings muss konzediert werden, dass Emberger seine Arbeit in der "Alten Geschichte und Altertumskunde" (FB Altertumswissenschaften) eingereicht hat und damit nicht der "Klassischen Philologie" zugeordnet wissen wollte.

Unter der Maßgabe, dass die Arbeit Embergers in erster Linie ein historischer Kommentar ist, sind hinsichtlich der Dichte und Ausführlichkeit der Informationen, der Verweise auf Parallelstellen und weitere antike Quellen sowie auf Sekundärliteratur in jedem Fall lobende Worte angebracht. Dass natürlich jeder Spezialist für sein Fachgebiet das ein oder andere Desiderat vorzubringen weiß, bestimmte Einzelaspekte ausführlicher oder breiter vertreten bzw. angesprochen werden müssten, dürfte angesichts der Fülle von Sekundärliteratur zum bellum Catilinae und bellum civile (und beiden nahen und anverwandten Fragen) niemanden ernsthaft verwundern. Einzelne Artikel oder Publikationen aufzulisten, die Emberg in seinem Kommentar nicht berücksichtigt hat, ist aufgrund deren Spezialcharakters kaum aussagekräftig für eine grundlegende Beurteilung des Kommentars.

Allgemein aber ist auch im Kommentarteil zu beobachten, dass auf eine Wertung oder kommentierende Einordnung der Sekundärliteratur verzichtet wurde; die Erklärungen zu den einzelnen Florus-Passagen spiegeln mehr den mainstream der Forschung denn die divergierenden Ansichten einzelner Gelehrter wider. Konkret wären etwa zur Flucht des Pompeius nach der Schlacht von Pharsalos (Flor. epit. 2,13,51ff., S. 398ff.) differenziertere und kritischere Betrachtungen (die sich aus einer Zusammenschau der - auch von Emberger gelisteten - Sekundärliteratur ergeben, wäre sie en detail gewichtet worden) wünschenswert gewesen; aber dies gehört zu den oben erwähnten Desiderata.

Zusammenfassend ergibt sich folgendes Urteil: Die Einleitung zu Leben und Werk ist zwar merklich knapp ausgefallen, verzichtet aber auf keinen unmittelbar wesentlichen Aspekt, sieht man einmal von der Textkritik und -edition ab; er lässt hingegen mittelbar wichtige Fragen wie die Gattungsgeschichte oder den ereignisgeschichtlichen und literaturhistorischen Kontext aus. Der Kommentar selbst kann dagegen als durchaus vollständig und umfassend bewertet werden. Das Werk dient dabei nicht nur als aussagekräftiger Kommentar zu Florus, sondern bietet darüber hinaus einen profunden Ein- und Überblick in die Forschungsliteratur und die antiken Parallelstellen zu den beiden von Florus (epit. 2,12-13) behandelten Abschnitten der Geschichte der späten römischen Republik. Für Studierende wie Studierte ist Embergers historisch-philologischer Kommentar damit in jedem Falle zu empfehlen.

Anmerkungen:
1 Vgl. Heftner, Herbert, Plutarch und der Aufstieg des Pompeius. Ein historischer Kommentar zu Plutarchs Pompeiusvita, Teil I: Kap. 1-45, Frankfurt am Main 1995; Müller, Markus, Das Bellum Africum. Ein historisch-philologischer Kommentar der Kapitel 1-47, Diss. Universität Trier, Trier 2004.
2 Holger Koch (Universität Rostock): Augustus. Ein historisch-philologischer Kommentar zu Florus (epit. 2,14ff.). Gemeinsame Betreuung durch Sigrid Mratschek (Alte Geschichte) und Christiane Reitz (Latinistik).
3 Florus, Römische Geschichte. Lateinisch und deutsch. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Günter Laser, Darmstadt 2005.
4 Zuletzt Neuhausen, K. A., Der überhörte "Schwanengesang" der augusteischen Literatur. Eine Rekonstruktion der Originalfassung (um 15 n.Chr.) des bisher dem 2. Jahrhundert zugeordneten Geschichtswerkes des Florus, in: ACD 30 (1994), S. 207.
5 Steinmetz, Peter, Untersuchungen zur römischen Literatur des zweiten Jahrhunderts nach Christi Geburt, Wiesbaden 1982, S. 128.
6 Havas, László (Hg.), P. Annii Flori opera quae exstant omnia, Debrecen 1997, S. 163ff. u. 165ff.
7 Malcovati, Enrica (Hg.), Annius Florus, Epitome Bell. Omn. Ann. DCC, in: L. Annaei Flori Quae Exstant, Milano 1972. Zu Laser vgl. Anm. 3.

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