A. Berg: Die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg

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Titel
Die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939.


Autor(en)
Berg, Angela
Reihe
Rheinisch-Westfälische Hochschulschriften 3
Erschienen
Anzahl Seiten
308 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jan Eckel, Historisches Seminar, Universität Freiburg

Die Internationalen Brigaden, eine rund 45.000 Soldaten aus fünfzig Nationen zählende Kampfeinheit im Spanischen Bürgerkrieg, sind eines der mythenumrankten Themen der europäischen Zwischenkiegsgeschichte. Praktisch von Beginn an boten sie den Stoff für literarische Bearbeitungen, und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie zum Streitobjekt in den ideologisch aufgeladenen Debatten des Kalten Krieges, in denen sie von der einen Seite als heroische Kämpfer für die Menschlichkeit romantisiert und von der anderen als Agenten des internationalen Kommunismus verteufelt wurden. Bei der Unmenge an Schrifttum über ihre Geschichte hinkte jedoch die wissenschaftliche historische Erforschung die längste Zeit nach, sodass bis heute relativ wenige eingehende, aktengestützte Studien vorliegen.

Genau hier hat die in Essen entstandene Dissertation von Angela Berg ihren Ansatzpunkt. Berg geht es um eine „Versachlichung und Entmythologisierung“ des Themas (S. 9). Diese versucht sie über eine empirische Untersuchung der Geschichte dieser internationalen Kampfformation zu erreichen, die sich vor allem auf Fragen der Organisation, der innneren Struktur und des Kriegsalltags der Brigaden richtet. Hauptsächlich stützt sich Berg auf einen im Anschluss an den Bürgerkrieg von Spanien nach Moskau verbrachten Aktenbestand, der später an die DDR übergeben wurde und sich heute im Berliner Bundesarchiv befindet. Somit liegt der Fokus des Buches auf den deutschen Spanienkämpfern, ohne dass allerdings die anderen Nationalitäten aus dem Blick geraten.

Der eigentlichen Analyse ist ein Abriss der spanischen Geschichte seit dem symbolträchtigen Verlust der letzten Kolonien im Jahr 1898 vorgeschaltet. Dieser Rahmen erscheint nicht zwingend notwendig, da er keine spezifischeren Informationen bietet als die, die sich auch in den gängigen Gesamtdarstellungen nachlesen lassen. Die folgende Untersuchung ist als ein systematischer, themenbezogener Durchgang angelegt, der Einblick in ein breites Spektrum von Aspekten der Geschichte der Brigaden gibt. So zeigt Berg in einem ersten Teil („Außenansichten“), dass die Entstehung der Brigaden auf eine spontane Bewegung ‚von unten’ zurückzuführen ist, die sich aus heterogenen Motiven speiste und von den kommunistischen Parteien in erster Linie organisatorisch kanalisiert wurde. Ferner schildert sie das aufgrund ungeklärter Kompetenzfragen komplizierte Verhältnis zwischen der spanischen Regierung und der Basis der Brigaden in Albacete, hebt die Konflikte im Verhältnis zwischen den ausländischen Spanienkämpfern und der einheimischen Zivilbevölkerung hervor und beschreibt die Propagandatätigkeit der Soldaten ebenso wie die Durchsetzung des Konzepts des „Volksheeres“ zuungunsten des Milizsystems.

Der zweite Teil der Studie befasst sich mit der Führungsebene der Internationalen Brigaden. Dabei arbeitet Berg eine Reihe von Faktoren heraus, die deren Kampfkraft mindern mussten und daher zum militärischen Scheitern beitrugen: den paranoiden Überwachungswahn der kommunistischen Parteien, die militärische wie persönliche Inkompetenz der Kader sowie das beträchtliche Ausmaß an Disziplinverstößen bis hin zu Desertionen. Entgegen verbreiteten Annahmen wurde nicht nur der politischen Schulung, sondern auch der militärischen Ausbildung der Soldaten ein großer Stellenwert eingeräumt, doch blieb die konkrete Umsetzung der Instruktion mangelhaft. Schließlich beschreibt Berg die Einrichtung der „Politkommissare“ als ein umfassendes, politisches, moralisches und physisches Disziplinierungsinstrument und widmet sich der politischen Arbeit sowie dem politischen Aktionismus innerhalb der Einheiten.

Im letzten Teil untersucht Berg die Ebene der Soldaten. Die politische Motivation der Spanienkämpfer veranschlagt sie hoch – insbesondere der Gedanke der Volks- und Einheitsfront spielte demnach eine wichtige Rolle –, weist aber auf eine große Bandbreite persönlicher Lebensumstände hin, die im Einzelfall für die Beteiligung am Krieg ausschlaggebend sein konnten. Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Nationalitäten innerhalb der Brigaden präsentiert sich als ein problematisches, konfliktbeladenes Miteinander, das wiederum der Kampfleistung abträglich war. Dazu trug auch ein durch Entbehrungen, Überanstrengung und Fehlorganisation geprägter Frontalltag bei, der zusammen mit dem verlustreichen Kriegsverlauf einen zentralen Grund für die stetig sinkende Kampfmoral darstellte.

Die Ergebnisse der Analyse sind durchweg plausibel, wenn sich Berg in ihrer Argumentation auch oft von unrealistischen Idealbildern absetzt, wie etwa der hohen Qualität der Kader oder der nationalen Harmonie in den Einheiten, die in der (älteren und Memoiren)-Literatur verbreitet sein mögen, aber aus einer kritisch-historischen Sicht schon von vorneherein wenig Plausibilität beanspruchen können. Bahnbrechende oder auch nur überraschende Neuerkenntnisse ergeben sich aus der Untersuchung indes nicht. Ihr Wert liegt vielmehr vor allem in der materialgesättigten Beschreibung und der genauen Rekonstruktion, durch die verschiedene Fragen der Geschichte der Internationalen Brigaden stärker als zuvor geklärt werden, und somit in der empirischen Fundierung und Differenzierung. Dadurch wird das Buch einerseits seinem eigenen Anspruch gerecht. Andererseits machen die sehr langen Aktenreferate und die kontinuierliche Aneinanderreihung von Fallbeispielen die Lektüre recht mühsam. Ihr methodisches Postulat, einen Beitrag zur „modernen Militärgeschichte“ zu leisten, löst Berg mit ihrer Studie insofern ein, als sie sich von der Schlachtenbeschreibung abwendet und dem Kriegsalltag der Soldaten breiten Raum gibt. Zu tiefer reichenden kultur- oder mentalitätsgeschichtlichen Einsichten, etwa über die soldatische Kriegswahrnehmung, gelangt sie hingegen nicht, was sicherlich auch an der Materialbasis liegt.

Schließlich lässt sich Bergs Studie auch als ein Indiz für den gegenwärtigen Stand der spanischen Zeitgeschichtsforschung betrachten. Denn ähnlich wie Berg es im Bereich der Bürgerkriegsgeschichte anmahnt, steht derzeit die eingehende Bearbeitung und weiterführende Interpretation zahlreicher, und zwar gerade der ‚großen’ Themen und Fragen der spanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts noch aus. Sowohl der schwierige Rekonstruktionsprozess der spanischen Geschichtswissenschaft nach dem Ende der Franco-Ära als auch der im weitesten Sinne kulturgeschichtliche Umbruch in der Historiografie der letzten rund 15 Jahre haben es mit sich gebracht, dass sich heute ein breites Spektrum offener Forschungsfelder darbietet.1 Dieses erstreckt sich von einer Wahrnehmungsgeschichte des Epochenjahres 1898 über die Kulturgeschichte des spanischen Militärs im 19. und 20. Jahrhundert und die gesellschaftliche Einwurzelung des Frankismus in der Nachkriegszeit bis hin zu den grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen seit den 1960er-Jahren wie dem Technokratismus, Konsumismus, Wertewandel oder den Transfers aus dem westlichen Ausland. Insofern darf man auf die weitere Erforschung der spanischen Zeitgeschichte gespannt sein.

1 Vgl. Bernecker, Walther L.; Brinkmann, Sören, Zwischen Geschichte und Erinnerung. Zum Umgang mit der Zeitgeschichte in Spanien, in: Nützenadel, Alexander; Schieder, Wolfgang (Hg.), Zeitgeschichte als Problem. Nationale Traditionen und Perspektiven der Forschung in Europa, Göttingen 2004, S. 78-106.

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