St. Berrens: Sonnenkult und Kaisertum

Cover
Titel
Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193-337 n.Chr.).


Autor(en)
Berrens, Stephan
Reihe
Historia Einzelschriften 185
Erschienen
Stuttgart 2004: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
283 S.
Preis
€ 44,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Monika Schuol, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Stephan Berrens legt die Meßlatte für die vorliegende, als Dissertation an der Universität Duisburg-Essen eingereichte Monografie hoch; in einer ersten kurzen Auseinandersetzung mit der älteren Forschung formuliert er: "Deshalb hoffe ich, dass durch meine Untersuchung eine neue Sichtweise aufgezeigt und frischer Wind in die Diskussion eingebracht werden kann." (S. 7) Diese Bemerkung zielt auf die Werke von Franz Cumont und Gaston H. Halsberghe und ihre Rezeption in neueren Publikationen1, deren Würdigung bei Berrens allerdings sehr kurz und mitunter auch polemisch geraten ist.2 Gegenstand der Arbeit von Berrens ist die Verbindung zwischen Sonnenkult und Kaisertum, die Einbindung des Sonnenkultes in die kaiserliche Selbstdarstellung. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Berrens der Verwendung der aus dem Sonnenkult entlehnten Symbolik in der kaiserlichen Selbstdarstellung. Zentral sind dabei die Fragen nach den dadurch besonders betonten Eigenschaften des Herrschers und nach möglichen Verbindungen zwischen politischen Ereignissen und dem Auftreten des Sonnengottes als Münzbild. Im Unterschied zu der ikonografisch angelegten Untersuchung der griechischen und römischen Sonnenkulte von Petra Matern liegt der Schwerpunkt von Berrens' Arbeit also auf der politischen Dimension der von den Kaisern benutzten solaren Symbolik.3 Als Quellen werden in erster Linie die Münzprägung als eines der wichtigsten kaiserlichen Propagandainstrumente, daneben aber auch literarische, epigrafische und archäologische Zeugnisse herangezogen. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von Septimius Severus (193-211) bis Constantin I. (306-337).

Die Thematik wird in drei Schritten behandelt. In einem ersten einleitenden Teil werden die politischen und religiösen Rahmenbedingungen (S. 17-38) dargelegt. Im Vordergrund steht zum einen die Charakterisierung der Sonnenkulte als Teil der traditionellen römischen Religion gegenüber der älteren Forschung, die den Ursprung der Sol-Verehrung im Osten sucht. Zum anderen bietet Berrens hier in Anlehnung an die traditionelle Deutung der Epoche eine pauschale Charakteristik des 3. Jahrhunderts als "Krisenzeitraum" (S. 38). Wünschenswert wäre eine differenziertere Sichtweise dieser Zeitspanne mit zeitlich und regional begrenzt wirkenden Krisenphänomen als eine Periode der Transformation des Römischen Reiches, wie es auch sonst in der neueren Literatur geschieht.4

In einem zweiten Teil, der das Zentrum der Untersuchung ist, untersucht Berrens die Verwendung solarer Symbolik in der Zeit von Septimius Severus (193-211) bis Constantin I. (306-337). Insbesondere durch die umfassende Auswertung der numismatischen Zeugnisse gelingt es Berrens, das Verhältnis der einzelnen Kaiser zum Sonnenkult überzeugend herauszuarbeiten. In der Münzprägung der Severer steht Sol als pacator orbis in Verbindung mit den militärischen Erfolgen der Kaiser gegen die Parther, präsentiert aber auch die kaiserliche virtus sowie die Unvergänglichkeit des Reiches (aeternitas imperii) und des Kaisertums. Neben die solare Symbolik treten häufig Astralsymbole; zu den für die Kaiser bedeutenden und dementsprechend herausgestellten Gottheiten gehören jedoch auch die traditionellen römischen Götter, wie etwa Iuppiter, Mars und Hercules. Als besonders bedeutsam für die Beziehung des Sonnenkultes zum Kaisertum bewertet Berrens die Herrschaft Gordians III., der sich erstmals als von Sol in die Weltherrschaft eingesetzt - der Sonnengott überreicht dem Kaiser in einem Investiturakt den Globus - darstellen lässt, aber auch die Programmatik von oriens und aeternitas wieder aufgreift. Ein besonderes Nahverhältnis zu Sol wird auch für Gallienus herausgearbeitet, der als erster von Rom anerkannter Kaiser den Sonnengott mit dem Beinamen invictus bezeichnet.

Die Bedeutung von Sol steigert sich unter Aurelian noch einmal: Die entsprechenden Darstellungen auf Münzen nehmen nach dem erfolgreichen Feldzug gegen Palmyra zu, andere Gottheiten treten in den Hintergrund. So übernimmt Sol spätestens seit 273 fast vollständig die Aufgaben Iuppiters als Bewahrer der Herrschaft des Kaisers (conservator Augusti) und erscheint ebenso wie der Kaiser selbst als der nach der Wiedereroberung der Ostprovinzen siegreiche Triumphator und Erneuerer des Reiches (restitutor Orientis). Die Bevorzugung Sols ist durch die Errichtung eines Sol-Tempels in Rom und die Schaffung eines Pontifikalkollegiums für den Sonnengott dokumentiert, ohne dass von der Etablierung einer monotheistischen Religion die Rede sein kann. In einem Exkurs untermauert Berrens seine These, dass der unter Aurelian in Rom etablierte Sol-Kult nicht als eine romanisierte orientalische Religion gelten könne. Vielmehr weisen die Einrichtung der pontifices dei Solis und auch die Konzeption des templum Solis Parallelen auf zur Herausstellung des Apollon unter Augustus; die Verwendung des Solporträts lässt sich bereits in der Münzprägung der Republik und gemeinsam mit anderen Gottheiten auch in augusteischer Zeit im Zusammenhang mit militärischen Erfolgen des Kaisers nachweisen. Die Nachfolger Aurelians führen die solare Sieges- und Erneuerungspropaganda weiter. Als Neuerungen stellt Berrens für Probus die Inanspruchnahme Sols als kaiserlichen Weggefährten (comes Probi Augusti) und für Carus und seine Söhne die Münzen mit Doppelporträts Sol und Kaiser fest.

Als Kennzeichen des Zeitalters Diocletians und Constantins I. konstatiert Berrens die Doppelfunktion des Sonnengottes als Garant militärischer Erfolge und das Fortdauern der kaiserlichen Herrschaft auf der einen Seite und die Angleichung des Kaisers an Sol als Aspekt der Selbstdarstellung auf der anderern Seite, wenngleich unter den Tetrarchen Iuppiter und Hercules als die wichtigsten Gottheiten in den Vordergrund gerückt werden. Vor allem für Constantin stellt Berrens Solprägungen in großem Umfang fest, deren Typenvielfalt und flächendeckende Ausgabe nur mit den Emissionen Aurelians vergleichbar seien. Als Ausdruck des Konflikts zwischen Constantin und Licinius erkennt Berrens ein Spannungsverhältnis zwischen Iuppiter conservator und Sol invictus comes.

In einem dritten systematischen Teil (S. 205-228), der zugleich zusammenfassenden Charakter hat, stellt Berrens zunächst die Eigenschaften des Sonnengottes vor und analysiert in einem weiteren Abschnitt die für die Verbindung von Sonnenkult und Kaisertum wichtigen Einzelaspekte. Die Benutzung des Sonnengottes und der solaren Symbolik wird von Berrens als zentraler Bestandteil der Herrscherideologie und der Herrschaftslegitimation gewertet, der angesichts der innen- und außenpolitischen Schwierigkeiten des 3. und 4. Jahrhunderts ständig an Bedeutung gewinnt.

In einem Ausblick (S. 229-234) beleuchtet Berrens das Interesse der christlichen Kaiser am Sonnenkult: Er gelangt zu dem Schluss, dass in der Münzprägung zwar keine Sol-Darstellungen mehr begegnen, aber weiterhin die solare Symbolik und der Sonnenvergleich eines Herrschers Verwendung finden würden. Kaiserliche Propaganda bediene sich also immer noch der weithin bekannten und allgemein verständlichen paganen Symbolik, ohne bei den Christen Anstoß zu erregen. Die Untersuchung wird durch eine Zusammenfassung, einen Personenindex, ein Stellenregister und einen Tafelteil mit Münzabbildungen abgeschlossen.

Berrens gelingt es, die stetig zunehmende Bedeutung des Sonnenkultes für das Kaisertum aufzuzeigen und diese Entwicklung zum Einen mit der religiösen Vorliebe der einzelnen Kaiser in Verbindung zu bringen; zum Anderen arbeitet er überzeugend ein den Krisenphänomenen des 3. Jahrhunderts entgegengestelltes übergreifendes Konzept heraus, das mit seinen zentralen Themen (Kontinuität und Legitimität der Kaiserherrschaft, kaiserliche Sieghaftigkeit und Rückkehr des saeculum aureum) über Constantin I. hinaus Bestand hatte.

Anmerkungen:
1 Cumont, Franz, Die Mysterien des Mithra. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit, Leipzig 1911; Ders., Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, Leipzig 1931; Halsberghe, Gaston H., The Cult of Sol Invictus, Leiden 1972.
2 Diese Probleme werden bereits in früheren Rezensionen angesprochen: Lambrecht, Ulrich, in: Plekos 7, 2005 (http://www.plekos.uni-muenchen.de/2005/rberrens.html); Hesse, Michael, in: Bryn Mawr Classical Review 2005.06.18 (http://ccat.sas.upenn.edu/bmcr/2005/2005-06-18.html).
3 Matern, Petra, Helios und Sol. Kulte und Ikonographie des griechischen und römischen Sonnengottes, Istanbul 2002.
4 Stellvertretend seien hier genannt: Strobel, Karl, Das Imperium Romanum im '3. Jahrhundert'. Modell einer historischen Krise?, Stuttgart 1993; Witschel, Christian, Krise - Rezession - Stagnation? Der Westen des römischen Reiches im 3. Jahrhundert n.Chr., Frankfurt am Main 1999; Sommer, Michael, Die Soldatenkaiser, Darmstadt 2004. Ausführlich zur Soldatenkaiserzeit demnächst auch Johne, Klaus-Peter; Gerhardt, Thomas; Hartmann, Udo (Hgg.), Deleto paene imperio Romano. Transformationsprozesse des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n.Chr. und ihre Rezeption in der Neuzeit; Johne, Klaus-Peter (Hg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n.Chr. (235-284).

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