G. Peters: Vom Urlauberschiff zum Luxusliner

Cover
Titel
Vom Urlauberschiff zum Luxusliner. Die Seetouristik des VEB Deutsche Seereederei Rostock


Autor(en)
Peters, Gerd
Erschienen
Anzahl Seiten
335 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christopher Görlich, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Mit dem Buch „Vom Urlauberschiff zum Luxusliner. Die Seetouristik des VEB Deutsche Seereederei Rostock“ legt Gerd Peters eine Dokumentation der Hochseepassagierschifffahrt der DDR vor und präsentiert erstmals Fakten und Geschichten aus ihrer über dreißigjährigen Entwicklung. Dabei ist Peters gänzlich in seinem Metier. Nachdem er seine Lehre als Stahlschiffbauer absolvierte, zog es ihn selbst aufs Meer. Von 1972 bis 1981 führte er gelegentlich in Vertretung des Stammkapitäns das Kommando des DDR-Kreuzfahrtschiffes „MS Völkerfreundschaft“. Wenn Peters schließlich gerade nicht zur See fuhr, so arbeitete er in der Generaldirektion der Deutschen Seereederei Rostock und wirkte als Moderator, Dokumentarfilmer und Drehbuchschreiber maritimer Sendungen im DDR-Fernsehen.

Die Geschichte der DDR-Urlauberschiffe, die Peters ausführlich beschreibt, begann mit der „Selbstverpflichtung“ der Mathias-Thesen-Werft in Wismar auf dem V. Parteitag 1958, außerplanmäßig ein Schiff für die Werktätigen der DDR zu bauen. Die im Rahmen der großen Solidaritätskampagne gebaute „GTMS Fritz Heckert“ wurde am 1. Mai 1961 dem FDGB übergeben, doch bald erwies sie sich als unwirtschaftlich. Bereits Ende 1959 kaufte die DDR zudem die schwedische „MS Stockholm“, die wenige Jahre zuvor bekannt geworden war, als der italienische Luxusliner „Andrea Doria“ nach einer Kollision mit der „Stockholm“ unterging. Seit 1960 kreuzte die Ex-„Stockholm“ als „MS Völkerfreundschaft“ 25 Jahre lang unter der DDR-Flagge über die Weltmeere. Erst 1985 wurde sie durch die „MS Arkona“ ersetzt. Dieses Schiff, das vormals als „MS Astor“ in der ZDF-Serie „Traumschiff“ zu sehen war, fuhr allerdings zum Zeitpunkt, als die DDR ihr Kaufinteresse bekundete, unter südafrikanischer Flagge. Unter strenger Geheimhaltung wurde der Ankauf durch die DDR schließlich über einen westdeutschen Vermittler abgewickelt, da die DDR wegen des Apartheidregimes nicht mit Südafrika in Verbindung gebracht werden wollte.

Bis zum Jahre 1963 waren die beiden Urlauberschiffe „Diener zweier Herren“. Während die Deutsche Seereederei Rostock die Schiffe in ihrer Flotte führte und technisch betreute, kümmerte sich der FDGB-Feriendienst um die Organisation der Reisen. Der FDGB allerdings sei damit – so Peters – „total überfordert“ gewesen, so dass zum 1.1.1964 die volle Verantwortung für die Schiffe der Seereederei übertragen wurde, wobei dem FDGB weiterhin 60 Prozent der Reisen zugesichert wurden. Die übrigen Reisen wurden zu deutlich höheren Preisen durch das Reisebüro der DDR vermittelt oder seit den 1970er-Jahren im Rahmen so genannter „ZK-Reisen“ an verdiente Funktionäre vergeben. Zudem wurden die Schiffe an andere Reiseveranstalter verchartert, wobei ein gesamteuropäischer Markt bedient wurde. So fuhren die Schiffe u.a. für polnische und schwedische Reisebüros, aber auch für die westdeutsche TUI. Anders als beim Einsatz mit DDR-Passagieren blieb die Routenplanung im Charterbetrieb nicht auf das sozialistische Ausland beschränkt. Für das tschechische Reisebüro „Cedok“ beispielsweise lief die „MS Völkerfreundschaft“ 1967 auf einer Mittelmeerkreuzfahrt Ziele wie Cannes, Valencia und Palma di Mallorca an.

Ausführlich berichtet Peters über den Bau bzw. die Ankäufe der Schiffe. Er schreibt über die technischen Daten der Schiffe, ihre Ausstattung und die Besatzung. Er beschreibt nahezu jede Reise, zitiert Reiseberichte und Logbucheintragungen, berichtet von Havarien, Zusammenstössen mit anderen Schiffen und weiteren Missgeschicken auf hoher See. Selbst vor der Schilderung von Liebesbeziehungen, Hochzeiten, Geburten und Todesfällen an Bord macht er nicht halt.

Bei solcher Detailkenntnis ist es jedoch schlicht ärgerlich, wenn Peters zwar Archivmaterialien mit Zugangsnummern zitiert, ohne jedoch das Archiv zu erwähnen, Zitate oftmals nicht durch Anführungsstriche kennzeichnet und die Bilder ohne Quellenangabe belässt. Gedankensprünge und abrupte Themenwechsel sind der strikten Chronologie geschuldet, die sich Peters unnötiger Weise auferlegt, so dass sich der Leser im Meer der Einzelheiten regelrecht verliert. Übergeordnete Fragestellungen oder wenigstens den Versuch, den Detailreichtum in einer nicht nur chronologischen Ordnung zusammenzuführen, sucht man vergeblich.

Peters – gewiss mehr Zeitzeuge als Historiker – bleibt stets dem Mikrokosmos seiner ehemaligen Arbeitsplätze verhaftet. Somit gelingt es ihm nicht, die Geschichte der Passagierschiffe mit der politischen Entwicklung in der DDR zu verbinden. Dort, wo sich eine solche Verbindung nicht ignorieren lässt, zeigt Peters wenig Distanz zur damaligen Propaganda: Dass ein FDGB-Urlauber am 16. August 1961, als die „MS Völkerfreundschaft“ wenige Tage nach dem Mauerbau im griechischen Hafen Piräus anlegte, zur Abfahrt nicht wieder an Bord erschien, führt Peters beispielsweise auf die „reißerisch aufgemachten Schlagzeilen und unsachlichen Sensationsreportagen über die Grenzsperrungen“ in westlichen Zeitungen zurück, die es im Hafen zu kaufen gab (S. 37).

Im Ganzen erscheinen die Urlauberschiffe in diesem Buch beinahe als politikfreie Räume. Bezeichnender Weise umfasst das Kapitel über die Politoffiziere an Bord nur sechs Seiten, auf denen die Aufgabe dieser Parteivertreter an Bord zwar kurz umrissen wird, die Darstellung sich dann aber in der ermüdenden Aufzählung und kurzen Charakterisierung der Personen verliert. Schließlich werden das propagandistische Umfeld, das die Schiffe stets begleitete, und die Bedeutung der Schiffsreisen für die Legitimation der DDR von Gerd Peters zwar gelegentlich erwähnt, doch sein Interesse lenkt er nicht auf diese Gebiete. Die Einbindung der Passagierschiffe in das politische System der DDR oder gar eine politische Kulturgeschichte – das ist seine Sache nicht. Wer allerdings jenseits wissenschaftlicher Fragen eine Dokumentation über die Passagierschiffe der DDR sucht oder das Buch als Materialsammlung nutzen möchte, wird mit diesem reich illustrierten Werk gut bedient.

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