K. Ruchniewicz u.a. (Hgg): "Mein Polen..." - Polenfreunde in Porträts

Cover
Titel
"Mein Polen...". Deutsche Polenfreunde in Porträts


Herausgeber
Ruchniewicz, Krzysztof; Zybura, Marek
Reihe
Mitteleuropa. Geschichte und Landschaft
Erschienen
Anzahl Seiten
312 S.
Preis
€ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Oliver Loew, Deutsches Polen-Institut Darmstadt

Die Annäherung zwischen Polen und Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten ist nicht nur eine Folge geopolitischer Wandlungsprozesse und politischer Pragmatik, sondern auch Ergebnis des unermüdlichen Einsatzes von Deutschlandfreunden hie und Polenfreunden dort. Diese Personen haben sich eine ganz besondere Aufmerksamkeit verdient. Der zu besprechende Sammelband wählt bewusst einen Akteursbezug. Dadurch wird die Beziehungsgeschichte fokussiert, die Bedeutung einzelner individueller Biografien für die säkulare Entwicklung jedoch tendenziell überbetont.

Der Band von Krzysztof Ruchniewicz und Marek Zybura, die am Breslauer Willy-Brandt-Zentrum – ersterer als Direktor – tätig sind, vereint jedoch nicht nur Porträts von Polenfreunden der Gegenwart, sondern gewinnt seinen Reiz und einen gewissen Überraschungseffekt durch den Einbezug von Polenfreunden vergangener Jahrhunderte. Dabei ist der Begriff „Polenfreund“ selbst anscheinend sehr dehnbar, denn schon im Auftaktbeitrag behandelt Zybura „Deutsche ‚Wohnpolen’ in der alten Adelsrepublik“. Er liefert eine relativ uninspirierte Aneinanderreihung von Namen und Begebenheiten, die jedoch immerhin einen Einblick in die Intensität des oft symbiotischen Verhältnisses von Polen und Deutschen zwischen dem Hochmittelalter und dem 18. Jahrhundert bietet.

Einen klassischen Mittler zwischen den Kulturen stellt Markus Krzoska in einem schönen biografischen Abriss über Johannes Dantiscus vor, der - aus einer deutschen Danziger Familie stammend - sein Leben mit dem polnischen Hof verband. Während Jacek Staszewski in seiner ähnlich auch schon anderenorts nachlesbaren Darstellung der sächsischen Zeit in Polen kein Porträt zeichnet, kommt Mieczyslaw Klimowicz das Verdienst zu, mit Lorenz Mitzler de Kolof einen eher unbekannten Polenfreund vorzustellen. Mitzler hatte sich in Leipzig mit der Musik beschäftigt, ehe er im Alter von 32 Jahren nach Polen zog, wo er als Hauslehrer, Bibliothekar, Arzt und später Herausgeber deutschsprachiger gelehrter Zeitschriften wirkte. Er spielte im Netzwerk der polnischen Aufklärer eine wichtige Rolle. Mit dem Warschauer Hofbuchhändler und Drucker Michael Gröll beschäftigt sich Elzbieta Herden. Auch der von ihr porträtierte Nürnberger Bortenmachersohn suchte sein Glück in Polen, und auch er spielte für die Vermittlung westlichen Gedankenguts in Polen eine nicht unwesentliche Rolle.

Eine andere Art von Polenfreundschaft pflegte der Dichter Gustav Schwab – er hatte sich, wie Marek Halub schildert, auf der Welle der deutschen Poleneuphorie nach dem Novemberaufstand von 1831/32 zu zahlreichen Polengedichten inspirieren lassen. Zudem legte er wenig später auch die erste deutsche Übersetzung von Adam Mickiewiczs Krim-Sonetten vor. Sehr kenntnisreich stellt Ursula Püschel das politische Engagement Bettina von Arnims für die polnische Sache dar, insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Korrespondenz mit Friedrich Wilhelm IV.

Mit einem in Deutschland vergessenen Polenfreund wartet Izabela Surynt auf: Ihre biografische Skizze von Julius Roger macht auf die emsige Tätigkeit des bei Ratibor lebenden, aber aus Württemberg stammenden Arztes aufmerksam, der sich sehr für das polnischsprachige oberschlesische Volk engagierte und unter anderem 546 oberschlesische Volkslieder sammelte und veröffentlichte. Sein Freund Hoffmann von Fallersleben übersetzte zahlreiche davon ins Deutsche. Hubert Gerlich widmet sich dem in Breslau wirkenden Osteuropahistoriker Richard Roepell und hebt besonders die wichtige Rolle hervor, die dieser in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die Entwicklung der polnischen Historiografie spielte.

Es folgt ein großer zeitlicher Sprung. Krzysztof Ruchniewicz beleuchtet die Tätigkeit von Berthold Beitz im besetzten Polen, wo er sich als Manager für die in seinem Betrieb beschäftigten Juden einsetzte. Betont wird die politische Rolle, die Beitz als Krupp-Manager seit dem Ende der 1950er-Jahre spielte. Bei mehrfachen Reisen nach Polen lotete er Möglichkeiten zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Volksrepublik und der Bundesrepublik aus. Mitherausgeber Ruchniewicz steuert noch zwei weitere Porträts bei: vor dem Hintergrund der persönlichen Kontakte mit Enno Meyer schreibt er über diesen Mitbegründer der deutsch-polnischen Schulbuchkommission. Zudem widmet er sich dem Wirken von Günter Särchen, der als Mitarbeiter der katholischen Kirche in der DDR wesentlich zum Entstehen der Aktion Sühnezeichen beitrug.

Der Sammelband enthält schließlich noch zwei Porträts von Übersetzern: Irena Swiatlowska behandelt Hermann Buddensieg, der erst mit mehr als 60 Jahren polnische Literatur kennen lernte und sich so begeisterte, dass er nicht nur die „Mickiewicz-Blätter“ ins Leben rief, sondern auch das Hauptwerk des polnischen Romantikers, den „Pan Tadeusz“, in Hexametern ins Deutsche übertrug. Hubert Orlowski blickt in einem anspruchsvollen, wenn auch stellenweise aufzählenden Text auf Leben und Werk von Karl Dedecius. Dieser habe das „Programm einer Akkulturation, also einer gleichwertigen Begegnung zweier Literaturen bzw. Kulturen“ (S. 301) vertreten und sich mit all seinem symbolischen Kapital den „Großideologien des 20. Jahrhunderts“ (S. 306) entgegengestemmt. Das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt, das Dedecius fast 20 Jahre lang leitete, setzt seine Arbeit fort, lässt sich allerdings nicht, wie Orlowski bekümmert schreibt, „von der Tagespolitik“ (S. 310) einholen, sondern ist heute an der Schnittstelle zwischen den Disziplinen, zwischen Wissenschaft, Kultur und Nicht-Wissenschaft tätig.

„Mein Polen“ ist ein sehr heterogener Sammelband. Er bietet gute Einsichten in die Intensität der historischen wie der aktuellen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. Allerdings ist die Auswahl der behandelten Personen recht zufällig, und sie werden von den einzelnen Autoren auch ganz unterschiedlich behandelt: Manche liefern erudierte Studien mit ausgedehntem wissenschaftlichen Apparat ab (etwa über Roepell oder Arnim), manche bescheiden sich mit knappen Skizzen und verweisen lediglich auf vier oder fünf Werke der Sekundärliteratur. Es handelt sich also weder um Beiträge zur Forschungsliteratur noch haben wir es mit Essays von einem gewissen literarischen Rang zu tun. Der Band erweckt dadurch den Eindruck von Beliebigkeit und Konzeptlosigkeit; er wirkt wie die Zusammenstellung einer Reihe von Gelegenheitstexten. Schade, denn das Thema hat viel mehr Potential. So macht das Buch zumindest Lust auf eine intensivere Beschäftigung mit den Akteuren der deutsch-polnischen Beziehungen, die methodisch abgesichert und vor allem komparatistisch erfolgen sollte.

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