Ch. Berns: Grabbauten der frühen Kaiserzeit in Kleinasien

Titel
Untersuchungen zu den Grabbauten der frühen Kaiserzeit in Kleinasien.


Autor(en)
Berns, Christof
Reihe
Asia Minor Studien 51
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 282 S., 32 Taf.
Preis
€ 90,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Oliver Hülden, Historisches Seminar, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Mit den "Untersuchungen zu den Grabbauten der frühen Kaiserzeit in Kleinasien" legt Christof Berns nunmehr die überarbeitete Fassung seiner 1996 an der Universität Köln bei Henner v. Hesberg abgeschlossenen Dissertation vor. In seinem einleitenden Kapitel skizziert Berns nach einer knappen Darstellung der Forschungsgeschichte seine Fragestellung sowie seine weitere Vorgehensweise. Er möchte die Gestaltungsmuster frühkaiserzeitlicher Grabbauten und ihre Beziehung zu ihrer Umgebung untersuchen, wobei er von der These ausgeht, "dass die zuvor [im Hellenismus] bestimmenden, auf Distanzierung des Bauherrn von seinen Mitbürgern abzielenden Leitmotive seit etwa augusteischer Zeit aufgegeben wurden und dass an ihre Stelle Entwürfe traten, die in zunehmendem Maße die Integration der Auftraggeber in die lokale Gesellschaft propagieren sollten" (S. 4). Diese Zielsetzung möchte Berns vor allem anhand dreier Fallstudien aus jeweils unterschiedlichen Regionen Kleinasiens erreichen, die das Kernstück seiner Studie bilden.

Bevor allerdings auf diese Fallstudien eingegangen wird, soll ein genauer Blick auf die Hauptthese von Berns geworfen werden. Wer sich schon einmal mit römischen Grabbauten beschäftigt hat, dem dürfte sie nämlich bekannt vorkommen: "Gräberstraßen verstand man zunehmend [nach der Festigung des Prinzipats] im Ensemble als Teil eines geschlossenen Stadtbildes und weniger aus der Spannung miteinander konkurrierender Bauten."1 In diesem Zitat von Henner v. Hesberg ist freilich nicht von Kleinasien die Rede, sondern von den stadtrömischen und italischen Nekropolen. Dagegen war v. Hesberg im Osten des Imperiums für die frühe Kaiserzeit von einem weitgehenden Festhalten an traditionellen Grabformen ausgegangen.2 Außerdem hob er das Fehlen regelrechter Gräberstraßen als dichter Folge von Monumenten hervor, wie er überhaupt auf die verhältnismäßig geringe Zahl von Grabbauten hinwies. Einen Wandel wollte v. Hesberg erst im 2. Jahrhundert n.Chr. feststellen, als tatsächlich dichte Reihen von Grabbauten die Straßen vieler Siedlungen säumten. Als Ursache für diese Veränderung gab er den wachsenden Wohlstand in den Provinzen an, der sich nicht zuletzt im gleichzeitigen Ausbau der Städte zeigte. Spiegelt man diese herkömmliche Auffassung nun an der Zielsetzung von Berns, so zeichnet sich eine gänzlich andere Sichtweise ab. Ob er diese auch hinlänglich zu begründen weiß, wird sich im Folgenden zeigen.

In seinem zweiten Kapitel widmet sich Berns zunächst den späthellenistischen Nekropolen. Sie sieht er einerseits geprägt von verhältnismäßig schlichten Ritualräumen, die insbesondere dem Totenkult der Familie dienten, und andererseits von Einzelmonumenten, die sich durch einen ostentativen Prunk auszeichneten. Bei den letztgenannten möchte Berns zwei Leitmotive erkennen: Distanzierung und Konkurrenz. Das bewusste Distanzverhältnis zum Betrachter lasse sich dabei an den hohen Sockelzonen der Monumente ebenso wie am Fehlen von Zugängen oder der Unbenutzbarkeit von Sitzbänken festmachen. Die zwischen den Auftraggebern herrschende Konkurrenz arbeitet Berns am Beispiel der Grabbauten von Ephesos heraus, wobei ihm ihre Plazierung und Größe sowie das breite Spektrum ihrer Gestaltungselemente als Kriterien dienen. Keine "Gliederungselemente des urbanen Raums" seien diese Bauten gewesen (S. 50), und bei ihrer Gestaltung hätte man versucht, sich gegenseitig durch neue Grundmuster und Details immer wieder zu übertreffen, um dadurch die Überlegenheit gegenüber den Mitbürgern zu demonstrieren. Die Motivation der Auftraggeber erklärt Berns vor dem Hintergrund eines im 2. Jahrhundert v.Chr. mit dem Ende der Monarchien einsetzenden Veränderungsprozesses, als "prominenten Bürgern die entscheidende Rolle in der Gestaltung ihrer Städte zufiel" (S. 51).

Kapitel 3 ist den eingangs erwähnten Fallstudien gewidmet. Die drei Beispiele - Ephesos, Assos und Olba - sind gut gewählt, handelt es sich doch um eine der großen kleinasiatischen Metropolen, eine kleinere Stadt an der Nordwestküste sowie eine abgelegene und in der frühen Kaiserzeit noch wenig urbanisierte Region. War bislang ein Entstehen der kaiserzeitlichen Gräberstraße vor dem Westtor von Assos im 2. Jahrhundert n.Chr. postuliert worden, so nimmt Berns nun Umdatierungen mehrerer der dortigen Bauten in die frühe Kaiserzeit vor. Den Ausgangspunkt für seine chronologischen Überlegungen bildet das Grabmal des P. Varius Aquila, dessen Umdatierung an das Ende des 1. Jahrhunderts v.Chr. er mit seiner topografischen Situation, der Form und dem Inhalt der zugehörigen Inschrift und mit einer entsprechenden stilistischen Einordnung des bekrönenden Girlandenpostaments begründet. Dieses Grabmal soll den Impetus für die Anlage weiterer und typologisch ähnlicher frühkaiserzeitlicher Grabbauten gegeben haben, die sich in lockerer Streuung entlang einer neu konzipierten Gräberstraße aneinanderreihten. Aus den vergleichbaren Abmessungen und einer gewissen Zurückhaltung bei der Ausstattung möchte Berns auf ein Bemühen der Grabherren schließen, ihre Gräber einander anzugleichen.

Die Analyse der frühkaiserzeitlichen Grabbauten von Ephesos beschränkt sich zum größten Teil auf deren Wiedergewinnung aus Spolien. Besonders hervorzuheben sind dabei vier Grabbauten, deren Inschriftenplatten in der Marienkirche verbaut sind und die wahrscheinlich als Altargräber nach italischem Vorbild zu rekonstruieren sind. Insgesamt ist aber die tatsächliche Gestaltung der behandelten Gräber und ihre Datierung verhältnismäßig unsicher. Dennoch gelangt Berns zu dem Schluss, dass es auch in Ephesos im 1. Jahrhundert n.Chr. eine formale Abstimmung der einzelnen Gräber gegeben habe. Auch bei seinem letzten Beispiel, dem Gebiet des kilikischen Olba, nimmt Berns Umdatierungen zahlreicher Grabbauten vom 2. in das 1. Jahrhundert n.Chr. vor, wobei er sich auf eine erstmalige systematische Untersuchung der regionalen Bauornamentik stützt. Schon vor der Mitte des 1. Jahrhunderts n.Chr. soll demnach, etwa in Elaiussa-Sebaste, eine Nekropole entstanden sein, deren Gräber sich locker entlang der Ausfallstraße aufreihten. Wenig überraschend dürfte es sein, dass Berns auch hier die Ähnlichkeit der Gräber als bewusst von den Auftraggebern beabsichtigte Angleichung deutet.

Um seine zuvor erzielten Ergebnisse weiter abzusichern, führt Berns in seinem vierten Kapitel eine stichprobenartige Überprüfung an frühkaiserzeitlichen Grabbauten anderer kleinasiatischer Nekropolen durch. Insgesamt stellt er dabei in ihnen ein erhebliches Spektrum von Grabtypen fest. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf seinen Vorschlag hinzuweisen, das Zoilos-Monument von Aphrodisias sowie zwei vergleichbare Anlagen in Milet und Perinth als Grabbezirke nach italischem Vorbild zu interpretieren. Am Ende seiner Analyse, die durch einen Ausblick auf Grabbauten der mittleren Kaiserzeit abgerundet wird, gelangt Berns ganz im Sinne seiner Hauptthese zu dem Urteil, die Auftraggeber hätten bei der Errichtung ihrer Grabbauten bestimmten Standards genügen und nicht ihre Mitbürger übertreffen wollen. Dahinter hätte das Bedürfnis gestanden, nach der Etablierung des Prinzipats die eigene Integration in die Polisgemeinschaft zu betonen. Ein fünftes Kapitel, das dieses Ergebnis und den Weg dorthin nochmals in kompakter Form zusammenfasst, beendet den Textteil, auf den der umfangreiche Katalog mit den behandelten Grabbauten folgt. Dieser besticht durch die zahlreichen, eigens angefertigten Rekonstruktionszeichnungen; die Bildqualität und der Umfang des Tafelteils fällt dagegen stark ab, was freilich nicht dem Autor anzulasten ist.

Berns' Arbeit stellt eine - abgesehen von punktuellen Schwächen 3 - solide und strikt an ihrem Leitgedanken orientierte Untersuchung dar, die einen erheblichen Beitrag zur Kenntnis der frühkaiserzeitlichen Grabbauten in Kleinasien darstellt. Leider wird man seiner Hauptthese aber kaum beipflichten wollen. Die Richtigkeit seiner Datierungen vorausgesetzt, sind viele Beobachtungen, die Berns hinsichtlich der Entwicklung in den Nekropolen macht, zwar plausibel, der postulierte Wandel in der Motivation der Auftraggeber lässt sich meines Erachtens aber keineswegs feststellen. Diese Auffassung kann hier freilich nicht in aller Breite begründet werden. Insofern mag der Hinweis genügen, dass beispielsweise der altarförmige Grabbau des Freigelassenen C. Stertinius Orpex in Ephesos (Kat. 11D4) neben dem eigentlichen Grabtitulus in lateinischer Sprache eine vollständige Dokumentation seiner Stiftungstätigkeit auf Griechisch trug. Hier wurde nicht zuletzt durch die Wahl eines italischen Grabtyps zweifellos der Versuch unternommen, sich von den lokalen ephesischen Eliten deutlich abzusetzen. Ähnliches spiegeln die Reliefs des Zoilos-Monuments von Aphrodisias wider, die wohl kaum als Erfüllung eines bestimmten Standards anzusehen sind, sondern vielmehr die herausragende Stellung des Zoilos gegenüber seinen Mitbürgern zum Ausdruck brachten. Schließlich fehlt der Hypothese von Berns der historische Hintergrund, vor dem der geforderte Wandel - ein letztendlich gesellschaftlicher Wandel - hätte ablaufen können. Henner v. Hesberg konnte einen solchen Wandel für Rom und Italien mit dem Ende der Bürgerkriege und der weitgehenden Aufgabe des Kampfes um politische Herrschaftsansprüche durch die Aristokratie begründen 4 - einer Aristokratie, die an diesen Vorgängen unmittelbar beteiligt war. Auf die lokalen Eliten Kleinasiens ist dies allerdings kaum übertragbar, und sie dürften ihr Konkurrenzverhalten im Rahmen ihrer jeweiligen Polis durch die Etablierung des Prinzipats auch nicht geändert haben.5

Anmerkungen:
1 v. Hesberg, Henner, Römische Grabbauten, Darmstadt 1992, S. 33.
2 Vgl. hierzu und zum Folgenden v. Hesberg (wie Anm. 1), S. 46-52.
3 Eine Fehleinschätzung liegt beispielsweise vor, wenn Berns die Anlage von Tumuli im phrygischen Hierapolis mit dessen angeblich pergamenischer Gründung verbindet (S. 19f.): Seit geraumer Zeit gilt die sicher schon vorhellenistische Siedlung als eine Umgründung durch Antiochos I. oder II.; vgl. zuletzt Filges, Axel, Stadtentwicklung im Gebiet des oberen Mäander. Die lydisch-phrygische Grenzregion am Beispiel von Blaundos, in: Schwertheim, Elmar; Winter, Engelbert (Hgg.), Stadt und Stadtentwicklung in Kleinasien, Bonn 2003, S. 41 mit Anm. 30. Zudem ist der Rückgriff auf den Tumulus als traditionelle phrygische Grabform wesentlich wahrscheinlicher als dessen Import aus Pergamon.
4 v. Hesberg (wie Anm. 1), S. 26-42.
5 In diesem Zusammenhang fällt insbesondere die offensichtliche Unkenntnis der grundlegenden Arbeit von Friedemann Quaß auf (Die Honoratioren-Schicht in den Städten des griechischen Ostens: Untersuchungen zur politischen und sozialen Entwicklung in hellenistischer und römischer Zeit, Stuttgart 1993).

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