X. Toscani (Hg.): Visite pastorali in diocesi di Pavia

Cover
Titel
Visite pastorali in diocesi di Pavia nel Cinquecento. Una documentazione guadagnata alla storia


Herausgeber
Toscani, Xenio
Reihe
Annali dell'Istituto Storica italo-germanico in Trento Quarderni 61
Erschienen
Bologna 2003: Il Mulino
Anzahl Seiten
308 S., 1 CD-ROM
Preis
€ 28,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Elena Taddei, Institut für Geschichte, Universität Innsbruck

Die vorliegende Studie ist der Zusammenarbeit einer Gruppe von Wissenschaftlern aus Pavia mit dem Centro per gli studi storici italo-germanici in Trient zu verdanken, die mit der Schaffung einer Datenbank zu den Bischofsvisitationen im 16. Jahrhundert einen wichtigen Beitrag zur Aufwertung eines wenig beachteten Quellentypus leisten. Mit der Untersuchung der Diözese Pavia sind neue, vielfältige und aufschlussreiche Informationen in die stets wachsende Datenbank eingeflossen, die das Mosaik der Visitationen weiter vervollständigen. Es handelt sich hierbei um Besuche hoher geistlicher Würdenträger in Pavia – von Amicus de’Fossulanis im Jahr 1460 (für Bischof Iacopo Ammannati Piccolomini), von Kardinal Ippolito De’Rossi 1561-1567 und von Bischof Alessandro Sauli im Jahr 1592. Gut überlegt war die Entscheidung des Herausgebers, die vollständigen Texte der drei Visitationen dem Band als CD-Rom mit weiteren Hilfsmitteln, wie Karten der Diözese und einem alphabetischen Verzeichnis der Pfarrgemeinden hinzuzufügen. Die Beiträge selbst sind ausführliche Kommentare der einzelnen Visitationen mit ersten Erkenntnissen über die Art und Weise des Kontrollbesuchs, über die Vorgangsweise bei der Befragung des Klerus und über die daraus gewonnenen Informationen, über die Beschreibung der einzelnen besuchten Gemeinden etc.

Welch mühsame und minuziöse Arbeit der Publikation vorausgegangen ist, beschreibt der Herausgeber in der Einleitung und im ersten Beitrag, in dem er die Vorgangsweise und die Schwierigkeiten, auf welche die Forschergruppe gestoßen ist, Revue passieren lässt. Die blattweise Durchsicht der Dokumente war eine unumgängliche Voraussetzung dafür, die einzelnen Visitationen vollständig rekonstruieren zu können. Neben der Tatsache, dass einige Diözesanarchive noch ungeordnet waren, kam erschwerend die durch das Pertinenzprinzip der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verursachte Unordnung hinzu. Dieses nach dem Vorbild des Mailänder Archivars Luca Peroni konzipierte neue Ordnungssystem sah die Aufspaltung ganzer Bestände und Faszikel, ja sogar die Zerschneidung einzelner Schriftstücke zur ‚besseren‘ Einordnung nach Sachgebieten vor. Berichte wurden zu Berichten, Fragebögen zu Fragebögen eingeordnet – die Einheit der Visitationen war damit aufgehoben. Aus diesem Grund galten viele Schriftstücke zu den Visitationen bisher als verloren gegangen und konnten nur im Zuge der Neuordnung und systematischen Durchsicht wieder zutage gefördert werden. Natürlich war diese aufwändige Rekonstruktionsarbeit nur mit Heranziehung zahlreicher Parallelquellen wie z.B. der Nuntiaturberichte möglich. Schließlich hatten die Forscher auch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen, etwa damit, dass im 16. Jahrhundert weniger Pfarreien existierten als im 19. Jahrhundert, als das Archiv neu geordnet wurde. Die Vorgangsweise der Arbeitsgruppe war entsprechendfolgendermaßen gegliedert: a) Auflistung der Register der Pastoralvisiten, b) Auflistung der Berichte oder zumindest der davon erhaltenen Teile der Visitationen, c) Rekonstruktion der zerschnittenen Dokumente, d) Übersicht, welche Pfarreien wann, von wem, für wie lange etc. visitiert wurden.

Cesare Sora beschäftigt sich in seinem Beitrag speziell mit der Visitation von Kardinal Ippolito De’Rossi in den Jahren 1561-1567. Neben der Beschreibung des mühsam rekonstruierten Kontrollgangs durch die Diözese filtert er einige interessante Eigenheiten heraus und vergleicht sie mit anderen Visitationen des 16. Jahrhunderts. So hält der Autor fest, dass die in den Quellen benutzte Sprache nicht einheitlich ist. Während die Berichte vorrangig auf Latein geschrieben sind, wird in den Befragungen mehrheitlich das italienische Volgare benutzt. Bei den Befragungen geht es vor allem um „statistische Angaben“ (S. 117ff., 246f.) zur Pfarrgemeinde (wie viele Gläubige, Kirchen, Kapellen, Wallfahrtsorte), um ihre Vermögenssituation, um Probleme des Klerus mit der Bevölkerung (Häresiefälle, Armut, Auseinandersetzungen mit den Laienbruderschaften), aber auch umgekehrt um Probleme des Kirchenvolks mit seinen ‚Hirten‘ (Absenzen, Trunkenheit, Vermögensveruntreuung, Amtsmissbrauch, Unfähigkeit aufgrund mangelhafter Vorbereitung etc.). Auf jeden Fall ist der Einfluss des Konzils von Trient bereits erkennbar. Das Motto der posttridentinischen Visitationen lautet: Kennen und präsent sein, um zu urteilen und zu leiten (S. 107).

Mario Giorgi behandelt die Visitation durch den neuen Bischof von Pavia, Alessandro Sauli, im Jahr 1592. Auch in diesem Fall kann der Autor den genauen Hergang des Besuchs rekonstruieren: Der Bischof inspizierte nach der Messe das Tabernakel, das Baptisterium und die Sakristei, unterhielt sich mit den Kanonikern, kontrollierte die Pfarrbücher auf Taufen, Eheschließungen und Bestattungen und überprüfte die Ausstattung der Kirche. Die Aufnahme des Protokolls und die Befragung der übrigen Kleriker überließ er oft seinen Mitarbeitern. Es zeichnet sich hier eine deutlich gesteigerte Aktivität der Befragten und Visitierten im Vergleich zu den von Sora untersuchten Visitationen ab. Auch die Rolle der Laien scheint an Bedeutung gewonnen zu haben, wenn sich ihre Tätigkeiten auch mehr auf das Außerkirchliche konzentrierten. Die angeführten Beispiele zu den Laiengemeinschaften als unterstützende Institutionen bei der Pflege und Versorgung von Alten und Kranken sind besonders wertvoll, da ihre Tätigkeiten und ihre Organisationsform sonst kaum quellenmäßig belegt sind. Es fehlen auch in diesem Beitrag nicht die Vergleiche mit anderen Bischöfen und deren mehr oder weniger gut dokumentierten Visitationen.

Die in vielerlei Hinsicht wertvolle und für die weitere Erforschung der Pastoralvisitationen wichtige Arbeit der Forschergruppe wird von einer reichhaltigen Bibliografie und einem Personenregister abgerundet. Man kann nur hoffen, dass weitere flächendeckende und akkurate Archivrecherchen bald zum angestrebten Ziel einer Datenbank mit sämtlichen Visitationen des 16. Jahrhunderts führen werden.

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