Cover
Titel
Impossible Missions?. German Economic, Military and Humanitarian Efforts in Africa


Autor(en)
Berman, Nina
Erschienen
Anzahl Seiten
271 S.
Preis
$50.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wolfgang G. Schwanitz, Deutsches Orient-Institut Hamburg

Dieses Buch erhellt das Denken und Fühlen von Deutschen, die auszogen, um Afrika zu verbessern. Dabei spannt Nina Berman einen weiten Bogen an Beispielen von Ägypten um 1900 über Gabun, Ostafrika und Somalia bis zu modernen Touristen in Kenia. Da geht es um den Ingenieur Max Eyth, der den Dampfpflug an den Nil brachte. Oder um Albert Schweitzer, der ein halbes Jahrhundert Afrikaner zwischen Wasser und Urwald „zivilisieren“ wollte. Und mit dem Flugass Ernst Udet werden nicht nur die grünen Hügel Afrikas, sondern auch tiefere Strukturen aus der deutschen Kolonialzeit im Osten des Kontinents aufgedeckt. Nach einem Sprung in die Gegenwart dreht es sich um Bodo Kirchhoff und den humanitären Einsatz der Armee in einer friedenserhaltenden Mission am Horn von Afrika. Im Nachbarland stellt die Autorin von der Ohio State University das Leben deutscher Touristen und Migranten vor, wobei sie Ehen mit Ausländern erfassen kann.

Auf den ersten Blick erscheint der Band mit seinen bunten Fällen disparat. Das mag mit dem Ansatz von Berman zusammenhängen, die in Göttingen Germanistik, Arabistik und Geschichte studiert hat und jetzt diese drei Sparten in kreativen Vorhaben zwischen Amerika, Afrika und Europa zu vereinen sucht. Sie war vor der Millenniumswende mit ihrem Buch über das Orientbild in der deutschsprachigen Literatur hervorgetreten. Doch wer genauer hinsieht, erkennt ihr Werk als Teil auf dem Weg einer ambitionierten Idee. Dafür mögen nun Einblicke in Einführung und Ergebnisse der Expertin sprechen, die multiple Identitäten ergründet.

Einleitend überschaut Berman den Stand der Literatur zum Thema. Wie war das mit dem Fortschritt, den Deutsche nach Afrika bringen wollten und wie ist er beschrieben worden? Auffällig sei eine enorme Spannbreite von Konzepten, die in sich schon je eine gewisse Selektivität bedeuten. Die Autorin vergleicht dies mit Amerika, wo man sich auf Momente wie Ethnizität und Politik konzentriert habe - wie üblich in dieser modernen Gesellschaft von Einwanderern. In dem Zusammenhang, sagt sie, sei die Betrachtung von Strukturen der Beziehungen zwischen Aus- und Inländern aus dem Blickfeld geraten. So lautet eine ihrer Prämissen: wie die Gelehrten in Amerika zu sehr die Rolle der Ethnizität untersuchten, unterschätzten ihre europäischen Kollegen häufig die Bedeutung ethnischer Parameter.

Stichwort postkoloniale Studien. Die Kulturwissenschaftlerin überschaut dies Feld und weist auf die Grenzen des Begriffes hin. Sie betont etwa, dass Länder wie China, die Türkei und Iran nie Kolonien waren. Deren Literatur könne heute wohl schlechterdings nicht postkolonial genannt werden, nur weil die ganze Welt jetzt in einer postkolonialen Ära angelangt sei. Sie beklagt das Fehlen historischer Studien, die selektiv argumentierenden Texte und die getroffenen Generalisierungen. Dies habe insbesondere bei den Studien zur Ethnizität ein differenzierteres Verstehen der Beziehung zwischen Macht, Wirtschaft und Kultur erschwert.

In den jüngsten Dekaden hätten sich Arbeiten über die Anwesenheit von Deutschen in Afrika nur langsam entwickelt. Andere verwiesen bereits auf diese Lücke. Während sich britische und französische Akademiker gut mit Kolonialisierung und Dekolonialisierung befassten, seien Deutsche sehr bemüht gewesen, den Zweiten Weltkrieg zu begreifen. Das traf für Westdeutsche zu, indes Ostdeutsche die 'antifaschistische Geschichte' für sich beansprucht haben (während sie die Bundesrepublik als Erben der Nazi-Ära ansahen) und alles unter dem größeren Rahmen des Kapitalismus betrachteten. In diesem sei das Interesse am Kolonialismus als Teil des Imperialismus entstanden. Ostdeutsche Historiker wie Kurt Büttner, Heinrich Loth und Helmut Stöcker, so bilanziert Berman, hätten früh differenziertere Analysen über den Kolonialismus vorgelegt.

Schließlich haben in der Germanistik nur wenige Einheimische aus den betreffenden Ländern und Regionen Fuß gefasst. Erst in den späten 1990er-Jahren hätte sich dieses Fach auch für postkoloniale Studien interessiert.

Eine zweite Prämisse Bermans sei herausgegriffen. Sie meint, mehr Forschung sei geboten, um besser die Beziehungen zwischen Mutterland und Kolonie, Heimat und Ausland, kolonialer Politik und was dann Praxis wurde, zu verstehen. Dies treffe auch auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Kolonien zu. Dabei müssten gleichwohl die mündliche Überlieferungsgeschichte über die Kolonialzeit einbezogen wie auch Archive in Afrika selbst erschlossen werden. An dieser Stelle sei auf ein herausragendes Beispiel aus der ostdeutschen akademischen Tradition verwiesen. Der Berliner Gelehrte Peter Sebald, der Ende der 1980er-Jahre mit einem bahnbrechenden Werk über das Werden der deutschen Musterkolonie Togo hervorgetreten war, weilt daselbst jährlich zu dreimonatigen Studien in Archiven. Was er nun seit 16 Jahren an historischen Goldadern freigelegt hat, sucht seinesgleichen.

Andererseits, da ist Berman beizupflichten, gehen die Ergebnisse schwer in andere Disziplinen ein. Sie jedenfalls ziele mit ihrem Band darauf ab, die Denkweisen solcher Menschen aufzuhellen, die Afrika entwickeln wollten und zu wissen glaubten, was das Richtige für die Menschen dort sei. Keines ihrer Fallbeispiele sei direkt mit deutschen Kolonialvorhaben verknüpft gewesen. Dabei stützt sie sich auf die Breite der Quellen, von Publikationen derselben aus der damaligen Zeit bis hin zu den biografischen und autobiografischen Texten.

Nun zu den Schlussfolgerungen. Die paradigmatischen Fallstudien aus Geschichte und Gegenwart hätten manches gemein. Max Eyth glaubte mit seiner Maschinerie in Ägypten die Einheimischen zu befähigen, ihr Land zu modernisieren und an der Technologie teilzuhaben. Aber er vermochte nicht zu erkennen, dass sein Tun und Treiben das Land am Nil noch abhängiger von den Europäern gemacht hat. Berman nennt es einen Fall versagender Entwicklung.

Während Albert Schweitzer vielen Afrikanern als Arzt geholfen hat, hat sein symbolischer Status in Afrika die westliche Dominanz über den Kontinent legitimiert. Paternalistisch ging er von der Warte der Überlegenheit Europas aus.

Bei Ernst Udet sei die Beziehung zwischen Repräsentation und Aktion weniger offensichtlich gewesen. Dennoch erschien er in der dominanten Position. Im Bereich der Fotografie trat er als Pionier auf, der das Land nach Möglichkeiten für Projekte der Entwicklung erkundete. Das Fazit Bodo Kirchhoffs Besuch in Somalia sei es gewesen, keine humanitären Aktionen mehr zu starten. Aber was würde passieren, wenn das in der Tat geschähe? Berman macht bei ihm ein kulturistische und gar rassistische Ansicht von grundlegenden Unterschieden zwischen den Gesellschaften aus.

Schließlich zu den Touristen, die Kenia zu besuchen pflegen: Es reifte eine intensive Wechselbeziehung heran, der auch Ehen entsprungen sind. Dabei betrachteten die Touristen sich selbst als eine Art Entwicklungshelfer. Dies erstaunt als Folge aus dem jahrzehntelangen Diskurs über Hilfe für Afrika. Einerseits schaffe das langfristig Probleme. Andererseits haben diese Besucher versucht, jene Bedingungen zu fördern, bei denen Afrikaner sich helfen konnten, so im Bildungsbereich und im Wohnungsbau.

Über Unterschiede des deutschen Kolonialismus gegenüber anderen europäischen Kolonialismen formuliert Berman eine These. In der kurzen Periode des deutschen Kolonialismus zwischen 1871 und 1918 hätten die Deutschen nicht versucht, die Einheimischen zu „germanisieren“. Ihre Ansätze, diese zu „zivilisieren“, wollten aus Afrikanern kulturell keine Deutschen machen. Bei Deutschen habe der Schwerpunkt auf der wirtschaftlichen Modernisierung und Christianisierung gelegen. Haben sie daher kulturelle Unterschiede akzeptiert? Mit der scheinbaren Toleranz ging eine kulturelle Unvergleichbarkeit einher. So wie Deutsche die Einheimischen nicht gezwungen haben, Deutsch zu lernen, so haben sie diese aber auch nicht zu Bürgern ihres Landes gemacht wie dies Briten und Franzosen erlaubten. Das Besondere der deutschen Politik und des deutschen Verhaltens, folgert die Autorin, resultiert aus dem Rassismus in Deutschland, der die Gegnerschaft zur Immigration und zur Änderung der entsprechenden Gesetze bedeutete. Das sei noch lange nach der Kolonialzeit der Fall gewesen.

Alles in allem hat Nina Berman anhand deutsch-afrikanischer Beispiele einen recht lohnenswerten Band über Kulturgeschichtliches und Aktuelles der reisenden Weltverbesserer vorgelegt.

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