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Titel
Medium Ausstellung. Lektüren musealer Gestaltungen in Oxford, Leipzig, Amsterdam und Berlin


Autor(en)
Scholze, Jana
Reihe
Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement
Anzahl Seiten
298 S.
Preis
€ 25,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Susanne Hagemann, Berlin

Das Erscheinen des Buches “Medium Ausstellung. Lektüren musealer Gestaltung in Oxford, Leipzig, Amsterdam und Berlin” wird in Museologenkreisen sicherlich auf Interesse stoßen. Denn die im Jahr 2002 als Dissertation angenommene Untersuchung verspricht eine weitere Lücke in der fortschreitenden museumstheoretischen Auseinandersetzung zu schließen.1 Die Museums- und Ausstellungstheorie beginnt – u.a. in der Folge der angelsächsischen “Museums Studies” und “Material Culture Studies” – hierzulande erst allmählich, ein solides wissenschaftliches Fundament zu entwickeln, welches sich auch in entsprechenden Monografien niederschlägt. Scholze selbst benennt in ihrer Einleitung zutreffend dieses Desiderat eines Begriffsinstrumentariums sowie eines methodischen Ansatzes für die Analyse des Mediums Ausstellung als eine Motivation ihrer Untersuchung: “Dieses Vorhaben verweist auf einen Mangel an Analysemethoden und Beschreibungsmodellen von Ausstellungen, der sich in der alltäglichen Museumsarbeit bis hin zu den Ausstellungskritiken der Feuilletons widerspiegelt. Eine Ursache hierfür liegt in der ausgeprägt fachwissenschaftlichen und nur eingeschränkt museologischen Ausrichtung der Museen und ihres Personals.” Und: “[F]ür ein genaues Betrachten und kritisches Beschreiben von Ausstellungen sind spezifische Begriffe und Methoden zwingend erforderlich.” (S. 13f.) Sie verweist außerdem auf die “akademische Tradition europäischer Museen” und die “beschränkte und sehr unterschiedliche museologische Aus- und Weiterbildung” als Ursachen (S. 14). Somit ist das wissenschaftliche Unternehmen Scholzes tatsächlich dankenswert.

Ein zentrales Ziel der Arbeit sei es, so Scholze, auf der Grundlage detaillierter Beschreibungen konkreter Raumgestaltungen von Ausstellungen “Schlussfolgerungen über die Bedingungen für die Ausrichtung, Beschränkung oder Fokussierung von Codes hinsichtlich intendierter sowie möglicher Ausstellungsinhalte zu treffen” (S. 25). Damit ist auch schon der vielleicht wesentlichste Erkenntnisgewinn, den diese Publikation bietet, angerissen. Es ist keine Selbstverständlichkeit und kann beileibe nicht vorausgesetzt werden, dass sowohl Ausstellungsmacher wie -rezipienten sich stets darüber bewusst wären, dass sie es bei der Ausstellung mit einem ungemein komplexen, vielschichtigen Medium zu tun haben. Scholze legt im Folgenden plausibel dar, wie Kommunikationsprozesse in Ausstellungen funktionieren (können). Sie stellt grundlegend fest, dass musealen Ausstellungen “als sich an die breite Öffentlichkeit wendenden Medien eine Kommunikationsabsicht unterstellt werden” muss (S. 271). Die Problematik dieser Kommunikationsprozesse besteht aber vor allem in der “Polysemie”, die den Ausstellungen zu eigen ist. Mit Roland Barthes erläutert Scholze, dass das Spektrum der Interpretationsmöglichkeiten von räumlichen Arrangements dinglicher, akustischer, textlicher u.a. Elemente grundsätzlich immer so weit ist, dass es nie nur eine einzige Deutungsweise geben kann, so wie nie zwei Besucher dieselben Erfahrungen in einer Ausstellung machen. “Denn zum einen sind die Objektcodes kaum auf einen einzigen zu reduzieren, zum anderen sind die Assoziationsketten der Besucher weder vorauszusehen noch zu verallgemeinern. Ausstellungen sind, und müssen dies auch sein, vielfältig in ihren Kommunikationsangeboten und offen hinsichtlich verschiedener Wahrnehmungen und Deutungen. Diese Vielfältigkeit und Offenheit basieren auf der Relativität der Gültigkeit und Wahrhaftigkeit von Geschichtsschreibung bezogen auf die Ausstellungsinhalte sowie auf den Anspruch, so wenig Publikum wie möglich auszuschließen.” (S. 24)

Scholze unternimmt diesen Nachweis in insgesamt sehr klar gegliederter Struktur, indem sie sich zunächst auf die semiotischen Konzepte vor allem Ecos und Barthes‘ bezieht. Sie beginnt mit einer Einführung in diese Theorien, ohne allerdings weit in die komplexe Materie auszuschweifen. Nur was Scholze für ihre Zwecke notwendig erscheint, wird knapp definiert und zwar zunächst noch abstrakt, aber gut nachvollziehbar erläutert. Die zentralen Begriffe der “Deskription”, “Denotation”, “Konnotation” und “Metakommunikation” sowie des Zeichencharakters der Dinge verwendet sie, um den Prozess der “Codierungen” des Mediums Ausstellung im Folgenden am Beispiel von vier Ausstellungen aus dem westeuropäischen Kontext 2 nachvollziehbar zu machen. Ihr Anliegen ist es, ausgehend von bestehenden Konventionen der Ausstellungsgestaltung und -rezeption, eine Typologie von “Präsentationsformen” auszuarbeiten, die es ermöglicht, paradigmatische Konzepte erkennbar zu machen. Diese wiederum sollen dazu dienen, Ausstellungspraxis und -theorie auf eine begriffliche Basis zu stellen. Die typologischen Präsentationsformen, die sie auch in ihrer Entwicklung im Gesamtkontext der Museumsgeschichte beschreibt, benennt Scholze vorweg mit “Klassifikation”, “Chronologie”, “Inszenierung” und “Komposition” und gibt damit die vier folgenden Kapitel der Untersuchungen an, in denen sie entsprechend das “Pitt-Rivers-Museum” in Oxford, das “Zeitgeschichtliche Forum” in Leipzig, das “Tropenmuseum” in Amsterdam, in einem Exkurs das “Freilichtmuseum” in Schwerin-Muess und schließlich das “Museum der Dinge – Werkbundarchiv” in Berlin untersucht.

Indem sie jedes der vier bzw. fünf exemplarischen Museen kurz in seiner Entstehungsgeschichte, seiner Sammlung, seinem Konzept, seiner Trägerschaft etc. skizziert, erhält der Leser nicht nur ein methodisches Grundlagenwerk zur Ausstellungsanalyse, sondern auch einen abwechslungsreich zu lesenden Einblick hinter die Kulissen verschiedenster europäischer Museumsinstitutionen. Die detaillierten Beschreibungen der Ausstellungen beschränkt Scholze auf ausgewählte Bereiche und Phänomene. Sie werden durch Bildmaterial ergänzt, d.h. Grundrisse der Ausstellungsflächen und Fotos von Räumen und Vitrinen bzw. Installationen. Aufgrund der mangelhaften s/w-Qualität ist allerdings auf den kleinen Bildern bisweilen nur wenig zu erkennen und sie scheinen damit z.T. wenig illustrativ. 3

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es Scholze gelingt, die Unterschiede der Präsentationsformen in ihrer kommunikativen Wirkweise, ihre jeweiligen Vor- und Nachteile, ihre Möglichkeiten und Beschränkungen klar herauszuarbeiten. Ihre Präferenz der “Komposition”, wie sie im Museum der Dinge praktiziert wird, ist deutlich und die Propagierung dieser musealen Präsentationsform als besonders zukunftsträchtig ebenso. Zweifel bleiben jedoch bestehen, ob diese Präsentationsform auch für kulturhistorische Themenausstellungen, die über assoziativ und künstlerisch gestaltete Räume hinausgehen wollen, geeignet ist. Vermutlich wird es ein Fortbestehen vielfältiger Ansätze geben, insofern sie für ihre jeweiligen Anliegen ihren Zweck erfüllen. Grundsätzlich ist dieser Text in der Lage, das notwendige Bewusstsein v.a. bezüglich der metakommunikativen Aspekte des Mediums Ausstellung zu schärfen. Zu wünschen wäre es, dass durch das Wissen um die (nun besser begrifflich fassbare) Komplexität ein Prozess der Selbstreflexion bei Ausstellungsmachern wie -rezipienten verstärkt in Gang kommt. Das methodische Instrumentarium, das Scholze entwickelt hat, ist ein sehr nützlicher Ansatz, der sich nun in – hoffentlich zahlreichen – Anwendungen wird bewähren müssen und entsprechend in der Praxis weiterentwickelt werden kann.

Anmerkungen:
1 Siehe auch einige deutschsprachige Publikationen, die zur Schließung der Forschungslücke beigetragen haben: Dech, Uwe C., Sehenlernen im Museum. Ein Konzept zur Wahrnehmung und Präsentation von Exponaten, Bielefeld 2003; Carstensen, Jan (Hg.), Die Dinge umgehen? Sammeln und Forschen in kulturhistorischen Museen, Münster 2003; Korff, Gottfried, Museumsdinge. Deponieren – Exponieren, hrsg. v. Eberspächer, Martina; König, Gudrun M.; Tschofen, Bernhard, Köln 2002; Hünnekens, Annette, Expanded Museum. Kulturelle Erinnerung und virtuelle Realitäten, Bielefeld 2002; Dawid, Evelyn; Schlesinger, Robert, Texte in Museen und Ausstellungen. Ein Praxisleitfaden. Bielefeld 2002; Schwarz, Ulrich; Teufel, Philipp (Hgg.), Handbuch Museografie und Ausstellungsgestaltung, Ludwigsburg 2001; Klein, Alexander, Expositum. Zum Verhältnis von Ausstellung und Wirklichkeit, Bielefeld 2004.
2 Die Analysen von Museen in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden sind damit noch stärker als nur “europäisch begrenzt” (S. 29), wie es bei Scholze heißt.
3 Das letzte Bild fehlt gleich ganz (S. 255). An dieser Stelle muss, aller positiven Kritik zum Trotz, angemerkt werden, dass der besprochene Band bedauerlicherweise ausgesprochen schlecht redigiert ist, was den Lesefluss doch erheblich einschränkt. Man wäre geneigt dieses Manko dem Verlag anzulasten, der hier eine schnell und billig produzierte Dissertationsschrift herausgegeben hat, wenn nicht das Impressum darüber informierte, dass Lektorat und Satz von Scholze selbst besorgt worden sind.

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