Cover
Titel
The Roman Banquet. Images of Conviviality


Autor(en)
Dunbabin, Katherine M. D.
Erschienen
Anzahl Seiten
XVII, 291 S.
Preis
£ 50,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Konrad Vössing, Historisches Seminar, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Dieses Buch füllt eine große Lücke. Obwohl einiges an bildlichen Darstellungen römischer Mahlszenen erhalten ist, gab es bislang dazu keine monografische Abhandlung. Die Autorin, Professorin für 'Classics' an der kanadischen McMaster University (Hamilton), war für diese Aufgabe durch zahlreiche Vorarbeiten geradezu prädestiniert.

Der Text ist übersichtlich in sechs Kapitel gegliedert. Auf eine Einleitung (S. 1-10), in der die Forschungsgeschichte kurz skizziert, der zeitliche Rahmen umrissen und die Vorgehensweise erklärt wird, folgt ein Überblick über die antiken Bankettsitten (in Ost und West) sowie die Behandlung des in der Antike so prestigeträchtigen Speisebetts ("On the Banqueting Couch": S. 11-35); hier blickt die Autorin auch kurz auf die frührömischen und etruskischen Traditionen zurück. Kapitel 2 behandelt, von der Republik bis ins 2. Jahrhundert n.Chr., die Reste oder Darstellungen von Räumlichkeiten (es geht vor allem um Speiseräume in Wohnhäusern, aber auch um solche in Tempeln und um Essplätze unter freiem Himmel), die Aufschluss über die Form römischer Bankette geben können; einen besonderen Platz hat dabei natürlich die Vesuv-Archäologie. Die beiden zentralen Kapitel sind dagegen mehr thematisch orientiert: Im dritten geht es um das Bankett in der Öffentlichkeit (S. 72-102), im vierten um Darstellungen des Totenmahls (S. 103-140). Kapitel 5 beschäftigt sich mit Bankett-Szenen in der Kunst des 3. und 4. Jahrhunderts (S. 141-174), während im Schlusskapitel die Übernahme dieses Themas in der christlichen Kunst und in der ausgehenden Antike behandelt wird ("The Last Banqueters": S. 175-202). Die beiden letzten Kapitel überschreiten den geografischen Rahmen der früheren, die auf Rom und Italien beschränkt sind; Darstellungen, die provinziale Besonderheiten spiegeln, wurden bewusst ausgeschlossen, etwa das Mosaik aus Thysdrus (Africa) mit den im Amphitheater tafelnden Kämpfergilden oder das Grabmahl von Igel. Die größere Uniformität der Bankettdarstellungen in der Spätantike erlaubt es dagegen, den Untersuchungsraum auszuweiten. Den Abschluss bilden eine Zusammenfassung (S. 203-208), die Anmerkungen (S. 209-249, leider ohne Bezug zu den einzelnen Seiten, was etwas umständlich ist), ein Glossar (S. 251-258), eine Bibliografie (S. 261-280) sowie erfreulicherweise leistungsfähige Indizes: nicht nur einer der Quellen (S. 281-284), sondern auch einer der Fundorte und Monumente (S. 285-288) und ein "General Index" (S. 289-291). Das Buch ist mit 120 Abbildungen (davon 16 in Farbe) hervorragend illustriert.

Die Frühzeit der römischen Bankette ist für uns durch die Quellenproblematik verdunkelt. Dunbabin beschränkt sich im ersten Kapitel auf das Wissbare: spätestens im 3. Jahrhundert v.Chr. war das Liegen auf dem Speisesofa auch in Rom übliche Praxis, das 2. Jahrhundert brachte mit der Beute und den Importen aus dem Osten das ganze Spektrum des dortigen Speiseluxus. Wie früher in Griechenland wurde dieser bald auch von unteren Schichten imitiert, nicht erst zu Trimalchios Zeiten. Signifikante Unterschiede zum 'klassischen' Symposion der Griechen waren die geringere Bedeutung eines vom Mahl getrennten Trinkgelages (die mit höherer Wertschätzung des Essens und der Speisen korrelierte), die größere Individualisierung der Trinksitten (der das Mischungsverhältnis Wasser/Wein bestimmende Symposiarch lebte zwar als Reminiszenz altgriechischer sympotischer Geselligkeit weiter, stand aber nicht im Zentrum der römischen Trinkkultur) und die regelmäßige Teilnahme 'ehrbarer' Frauen, die ebenso zu Tisch lagen, wie die Männer.1

Dunbabin vermeidet die häufig gezogene (voreilige) Schlussfolgerung, diese Unterschiede seien ausschließlich Ergebnis des römischen Bedürfnisses nach sozialer Differenzierung. Sie nimmt stattdessen mit guten Gründen an, dass sich vieles schon bei den Banketten der hellenistischen Oberschicht in diese Richtung verändert hatte (S. 25). Hinzufügen könnte man hier, dass dies wohl auch für andere angeblich römische Neuerungen gilt, die ebenfalls die Gleichheit der altgriechischen Symposiasten auflösten: dass man nämlich auf großen, einzeln gestellten lecti für drei und mehr Personen lagerte, wobei jedes Bett einen kleinen Sozialkosmos darstellen konnte und hinter den Liegen Platz für die Sklaven der Gäste blieb (s.u.); dass der Gastgeber und seine Leistungen eine große Rolle spielten, während egalisierende 'bottle-parties' an Bedeutung verloren; dass schließlich die Tischunterhaltung und der Spott oft zu Lasten der 'kleinen' Gäste ging, die in vieler Hinsicht benachteiligt wurden. Unsere schwache Kenntnis der hellenistischen Bankette verhindert, dass wir bestimmen können, inwieweit die Römer hier hellenistische Tendenzen noch verstärkt haben. Interessant ist, dass ihr ideeller Bezugspunkt, ungeachtet der tiefgehenden Diskrepanzen, ohnehin das Symposion der klassischen Zeit war und wie man sich über diesen Bruch hinwegtäuschte.2 Das ist natürlich vornehmlich ein Problem der literarischen Quellen (und liegt insofern außerhalb des Hauptinteresses der Autorin), bildet aber auch eine Voraussetzung für das an verschiedenen Stellen des Buches behandelte Phänomen, dass bildliche Darstellungen gerade nicht die zeitgenössische Wirklichkeit spiegeln.

Im 2. Kapitel ("Place Settings") steht natürlich das triclinium im Vordergrund, d.h. die Anordnung dreier großer Speisebetten (ca. 2,20 x 1,20 m) in Form eines griechischen Pi und die entsprechenden Räume. Anders als Dunbabin (S. 46f.) annimmt, könnten jedoch auch hier hellenistische Vorbilder bestimmend gewesen sein. Polybios' vieldiskutierte Beschreibung (30,26,3) einer großen öffentlichen Einladung Antiochos’ IV. (166 v.Chr.), der den römischen Siegesfeiern des Aemilius Paullus etwas entgegenstellen wollte, ist hierfür allerdings kein Beleg: Er ließ für die Gäste 1.000 und einmal sogar 1.500 triklina aufschlagen. Dass der König in dieser Situation mit der Aufstellung von Dreibettgruppen 'philo-römische Tendenzen' zeigte (S. 219, Anm. 26), ist wenig wahrscheinlich; denn römische Bankette galten damals sicher nicht als nachahmenswert und luxuriös. Außerdem ist sehr fraglich, ob es zu dieser Zeit überhaupt schon die Zusammenstellung zahlreicher Dreibettgruppen zu einem Bankett gegeben hat. Anzunehmen ist also, dass triklinon hier nichts anderes als das Speisebett für drei Personen ist.3

Was Darstellungen von Banketten in Pompeji angeht, sei hier deren Konzentrierung auf den Weingenuss und seine Gerätschaften und auf Symposiasten-Paare hervorgehoben, was von Dunbabin überzeugend als Reflex der griechischen Tradition interpretiert wird (S. 63ff.). Wir haben hier ein Beispiel für das eben schon erwähnte Auseinanderfallen von Bild und Realität. Im Medium der repräsentativen Kunst hatte die Schilderung üppiger und kunstvoll zusammengestellter Mahlzeiten offenbar keinen Platz; hier galten andere Wertmaßstäbe als bei literarischen Darstellungen. Hierzu gehört meines Erachtens auch das Phänomen, dass halbrunde ('sigmaförmige') Betten zwar schon in Speiseräumen der flavischen Zeit üblich waren (vgl. Mart. 9,59,9; 10,48,6; 14,87), dennoch aber - als 'Import' aus der Welt des formlosen Picknicks - offenbar nicht genug Dignität hatten, um ihren Besitzern als Bild Prestige zu verschaffen. Eine weitere Diskrepanz ist die Darstellung der teilnehmenden Frauen, die auf den Bildern der Vesuvstädte - anders als in Wirklichkeit - nicht Mitglieder der Oberschicht sind, sondern meist zur (sexuell verfügbaren) so genannten Halbwelt gehören. Gern wüssten wir näheres über diesen Widerspruch: War die Realität, die Teilnahme der Matrone am Bankett, immer noch nicht 'vorzeigbar', hatten die Auftraggeber gewissermaßen immer noch nicht Frieden geschlossen mit dieser Emanzipation, oder fehlten einfach die künstlerischen Vorlagen, die ja zu einem Gutteil der hellenistischen Malerei entstammten?

Ein ähnliches Problem stellt sich bei den funerären Darstellungen, wie in Kapitel 4 gezeigt wird. Auch beim Totenmahl ist die Frau nicht gleichberechtigte Teilnehmerin: Sie liegt nicht auf dem Sofa, sondern sitzt meist, wie in der griechischen Grabkunst, neben ihrem liegenden Mann auf einem Stuhl. Hier hätte es, zumindest theoretisch, mit den frühen etruskischen Bankettszenen andere Vorbilder gegeben (S. 27f.). Dass sie nicht genutzt wurden, dürfte mit der Dominanz der griechischen Modelle seit dem späteren 4. Jahrhundert v.Chr. zusammenhängen; spezifisch etruskische Einflüsse 4 auf die Bilder von römischen Banketten sind danach kaum mehr nachweisbar (S. 33). Diese Umorientierung muss jedoch nicht bedeuten, dass die neuen Modelle nun auch die soziale Praxis bestimmten (wie ja umgekehrt, wie gesagt, die tatsächliche Bankettgestaltung in manchen Bereichen ohne Einfluss auf die Darstellungen blieb). Wenn man nicht annehmen will, dass das Zu-Tisch-Liegen beider Geschlechter zweimal und mit unterschiedlicher Bedeutung nach Rom kam, ist durchaus vorstellbar, dass in manchen Familien der römischen Oberschicht die Frau seit etruskischer Zeit liegend am Bankett teilnahm. Die kürzlich aufgestellte These, die übliche Lagerung der Frau 'vor' dem Mann sei durchgängig als Zeichen von "sexual propriety" zu verstehen5, müsste dann erheblich differenziert werden; denn die etruskischen Darstellungen des 5. Jahrhunderts, in denen zwar das griechische Schema 'Symposiast mit Hetäre' teilweise übernommen wird, die Frau jedoch niemals nackt, sondern kostbar gekleidet und im selben Habitus der sozialen Dominanz dargestellt wird wie der Mann, sprechen eine ganz andere Sprache.

Im 3. Kapitel stehen einzelne Monumente aus Italien - Aquileia (?), Sentinum, Amiternum - im Vordergrund, die Bankette in der Öffentlichkeit zeigen. Teilweise sind die Speisenden dabei sitzend dargestellt, was Dunbabin als Hinweis auf ihren niedrigeren Status oder auf "a more casual setting" (S. 82) versteht. Es geht hier auch um die Unterschiede, die bei der Bewirtung größerer Gruppen gemacht wurden (etwa cena gegenüber nur crustulum et mulsum oder gegenüber sportulae), sogar zwischen den Mitgliedern eines Kollegiums. Breit gefächert sind auch die räumlichen Möglichkeiten eines epulum: sie reichen von einem kleinen Vereinslokal bis hin zum Kolosseum, wo Kaiser Domitian die Bürgerschaft bewirtete (Suet. Dom. 4,5).

Kapitel 5 und 6 behandeln die spätantiken Darstellungen. Auch hier kann Dunbabin interessante Verschiebungen von sozialer Realität und ihren ikonografischen Reflexen herausarbeiten; so taucht erst jetzt die schon in der frühen Kaiserzeit literarisch bezeugte (Lucan. 10,126; Sen. epist. 47,5) Dienerschar beim Bankett auf, passend zur generellen Tendenz, dass sich die spätantiken Bilder stärker von den griechischen Modellen lösen und eine eigene Formensprache entwickeln, die soziale Hierarchien und Statusunterschiede deutlicher betont. Das runde oder halbrunde Sigma-Mahl ist jetzt darstellbar, teilweise sogar vorherrschend geworden. Was die christlichen Bankette angeht, lässt sich dies leicht mit der konzentrischen Ordnung um einen Mittelpunkt herum erklären, die zur besonderen, kultischen Bedeutung des Einheit stiftenden Mahls viel besser als ein Triklinium passt. Aber auch in profanen Darstellungen dominiert ab dem 4. Jahrhundert das 'Sigma', meist in für die spätantike Villenarchitektur typischen Apsiden oder Trikonchen (S. 169-173). Hierfür eine einleuchtende Erklärung zu finden, ist schwerer. Dass die mit dem sigma verbundene Aura des zwanglosen Freundschaftsessens ausschlaggebend war, passt nicht zur bei spätantiken Banketten generell zu beobachtenden stärkeren Ritualisierung. Entscheidend scheint vielmehr eine schon öfter beschriebene Tendenz zu sein, die Perspektive der Betrachter auf das Bankett stärker zu gewichten als die Blickachsen der Teilnehmer (S. 173). Es ist klar, dass ein sich dem 'Zuschauer' öffnendes halbrundes Bankett (namentlich in einer Apsis) für diese Art der Visualisierung besser geeignet ist als die den Speiseraum füllende Kombination dreier Sofas.

Die Zusammenfassung resümiert nicht die einzelnen Ergebnisse, sondern blickt auf die generellen Bedingungen der Interpretation von Bankettbildern zurück, besonders auf die Schwierigkeiten, ihren (meist verlorenen) ursprünglichen Kontext zu rekonstruieren, den Adressatenkreis zu bestimmen und das Verhältnis von Auftraggeber und Künstler zu gewichten - Probleme, die in vielen archäologischen Untersuchungen auftauchen, die konkrete Repräsentationen des gesellschaftlichen Lebens behandeln. Bankett-Szenen sind jedoch immerhin so häufig, dass man meist zwischen der üblichen Darstellung und der Ausnahme, also zwischen Norm und Variante unterscheiden kann (S. 207) und dass zumindest die historische Abfolge der unterschiedlichen Typen klar ist. Diese privilegierte Situation endlich genutzt zu haben, ist das große Verdienst der Verfasserin.

Wer einen großflächigen Überblick geben will, muss sich beschränken. Deshalb wird man der Autorin nicht vorwerfen können, wichtige schriftliche Quellen, die römische Banketträume und -installationen beschreiben, nicht behandelt zu haben (z.B. Stat. 4,2; Suet. Cal. 26,3; HA Heliog. 25,3). Ihr Thema sind die realen Bilder (die, wie sie mehrfach betont, nicht als Illustrationen literarischer Beschreibungen verstanden werden dürfen), und hier ist das Material umfassend und kenntnisreich ausgewertet. Was die Lektüre darüber hinaus zum Genuss macht, ist die Kombination von bewundernswerter Literaturkenntnis, klarer Beschreibung und genauer, immer differenzierender Interpretation. So gelingt es tatsächlich, die römische Bankettikonografie dort zu situieren, wo sie hingehört: ins Spannungsfeld zwischen den Beharrungskräften traditioneller Modelle und den ideologischen Aussagen einer sich wandelnden Praxis.

Anmerkungen:
1 Hier könnte man an Sekundärliteratur ergänzen: Burton, J. B., Women's Commensality in the Ancient Greek World, G&R 45 (1998), S. 143-165; Pailler, J.-M., Une place pour elle à table: le cas de Rome, Clio (Histoire, Femmes et Sociétés) 14 (2001), S. 119-131.
2 Vössing, K., Mensa Regia. Die Bankette beim hellenistischen König und beim römischen Kaiser, München 2004, S. 253ff.
3 Ebd., Appendix 2 (S. 561-566).
4 Zum Bankett im etruskisch dominierten Rom vgl. jetzt Zaccaria Ruggiu, A., More regio vivere. Il banchetto aristocratico e la casa di età arcaica, Roma 2003.
5 Roller, M.,B., Horizontal Women. Posture and Sex in the Roman Convivium, American Journal of Philology 124 (2003), S. 377-422, hier 415.

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