Cover
Titel
Geschichte Afrikas.


Autor(en)
Ansprenger, Franz
Reihe
C. H. Beck Wissen in der Beck'schen Reihe 2189
Erschienen
München 2002: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
128 S.
Preis
€ 7,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christoph Marx, Fachbereich Geschichte, Universität Essen

Wenn ein Autor den Versuch unternimmt, die Geschichte eines ganzen Kontinents auf knapp 130 Seiten darzustellen, geht er ein erhebliches Wagnis ein. Denn allzu viel muss er weglassen und ausblenden, sich auf die ganz großen Linien und Strukturentwicklungen beschränken. Da die Reihe „Beck Wissen“ sich an ein breites Lesepublikum richtet, muss er zudem gegen Vorurteile über „Stammesfehden“ und dergleichen ankämpfen und sie zu widerlegen suchen, ein im Fall des deutschen populären Afrikabildes, das immer noch von Autoren wie Scholl-Latour bestimmt wird, so notwendiges wie lobenswertes Unterfangen. Dieses Kunststück ist Franz Ansprenger, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, der sich seit Jahrzehnten mit den Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent befasst, gelungen. Er setzt Schwerpunkte, zeichnet Entwicklungen nach, arbeitet Strukturen und ihren Wandel heraus.

Als Politikwissenschaftler interessiert er sich besonders für die Zeitgeschichte. Diese fachliche Orientierung bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Darstellung, sie schlägt sich in Methode und Ergebnissen nieder. Der Schwerpunkt liegt klar auf der politischen Geschichte, während die neuere kulturgeschichtliche Forschung und ihre Ergebnisse nur ansatzweise und eher beiläufig Erwähnung finden.

Als sehr sinnvoll erweist sich Ansprengers Entscheidung, statt die Geschichte des gesamten Kontinents chronologisch zu verfolgen, die Geschichte einzelner Regionen auszugliedern und als solche zu erzählen, etwa Äthiopiens (Kap. 3), des Islam in West- und Ostafrika (Kap. 4), Südafrikas (Kap. 6). Daneben behandelt er aber auch die großen Themen einer gesamtafrikanischen Geschichte wie den Sklavenhandel (Kap. 5), die Kolonialeroberung und Missionierung (Kap. 8), die Kolonialherrschaft und Entkolonialisierung (Kap. 9) sowie die Geschichte des postkolonialen Afrikas, die er besonders im Licht des Verhältnisses afrikanischer Staaten zu den Vereinten Nationen beleuchtet (Kap. 10). Dabei verschweigt er nicht die Schattenseiten wie Diktaturen und Bürgerkriege, hebt aber auch die Demokratisierungsansätze und die Versuche regionaler und kontinentweiter Zusammenarbeit hervor. Afrikaner als Akteure zu sehen und nicht nur als Spielbälle europäischer Täter, ist ihm wichtig und er widmet der afrikanischen Staatenbildung zwischen Sklavenhandel und Kolonialeroberung, d.h. im 19. Jahrhundert, ein ganzes Kapitel.

Die Geschichte des afrikanischen Kontinents, darauf legt er großen Wert, lässt sich nicht auf die Geschichte von Fremdeinflüssen und externen Anstößen reduzieren. Ausdrücklich betont er, dass die Geschichte Ägyptens integraler Bestandteil der Geschichte Afrikas ist und er begründet dies, indem er sie in den größeren Kontext der Bevölkerungsverdichtung im Niltal durch die Austrocknung der Sahara stellt, wobei er die notwendige Distanz zu den Thesen von Scheik Ante Diop ebenso hält wie er Spekulationen über die rassische Zugehörigkeit der alten Ägypter als wenig relevant zurückweist. Das zweite Thema, dem er sich zuwendet, ist das höchst komplizierte Problem der so genannten Bantu-Wanderungen, über die es in der Literatur eine Vielzahl von Thesen gegeben hat und von denen Ansprenger die wichtigsten nennt. Allerdings hätte er vielleicht noch stärker betonen sollen, dass es sich nicht unbedingt um „Völkerwanderungen“ handelte, sondern primär um die Ausbreitung von Sprachen, die durchaus von bereits ortsansässigen Menschen übernommen worden sein könnten.

Wenn Ansprenger den Schwerpunkt auf die jüngere Geschichte legt, so sind in der Tat die Schwächen seiner Darstellung eher im Bereich der vorkolonialen Geschichte zu finden, wobei in Rechnung zu stellen ist, dass Verlage, die ihrerseits damit auf ein zumindest vermutetes Leserinteresse reagieren, eine starke zeitgeschichtliche Schwerpunktsetzung solcher Überblicksdarstellungen fordern. Wer das Wagnis einer Geschichte eines Kontinents auf 130 Seiten eingeht, muss mit Kritik rechnen, die sich im Fall des Rezensenten auf das Kapitel sechs, das sich mit Südafrika befasst, konzentriert. Hier fällt auf, dass die Afrikaner die Europäer zu gewaltsamem Eingreifen „provozierten“, seien es die Zulu 1879 oder die Buren 1899 (S. 60). Bei aller notwendigen Verkürzung der Darstellung ist eine solche Sichtweise zu einseitig, zumal in beiden Fällen eindeutig Großbritannien der Aggressor war und nur nach Vorwänden suchte, um diese Völker zu unterwerfen. Die Geschichte des „Mfecane“ entspricht nicht dem neuesten Forschungsstand. Nach dem berühmten Aufsatz von Julian Cobbing aus dem Jahr 1989 1, auf den Ansprenger eingeht, hat sich das Bild des „Mfecane“ weitgehend aufgelöst und einer komplexen Geschichte des Strukturwandels platzgemacht, der durch die Kolonialfrontier verursacht wurde.2 Norman Etherington hat in seiner jüngsten Publikation auch die historiografische Apartheid, die „Mfecane“ und den großen Treck als zwei getrennte Ereignisse erfasst hatte, überwunden und beides als einen großen, in sich verwobenen Ereigniszusammenhang und Strukturwandel dargestellt.3 Doch handelt es sich bei solchen Einwänden nur um Mäkeleien angesichts der Syntheseleistung, die dieses Büchlein darstellt.

Triftiger ist sicher der Einwand, dass als Titel des Buches „Politische Geschichte Afrikas“ vielleicht doch angemessener gewesen wäre, da viele der Forschungsergebnisse der neueren kulturgeschichtlichen Forschung in die Darstellung keinen Eingang fanden und wohl auch nicht finden konnten. Unabhängig von dieser Kritik hat der Beck-Verlag eine gute Wahl mit seinem Autor getroffen und uns ein kleines Buch beschert, das wir bedenkenlos Studenten, Freunden, Bekannten, Touristen, Journalisten und ganz normalen Menschen zur Lektüre empfehlen können.

Anmerkungen:
1 Cobbing, Julian, The Mfecane as Alibi. Thoughts on Dithakong and Mbolompo, in: Journal of African History 30 (1989), S. 487-519.
2 Hamilton, Carolyn (Hg.), The Mfecane Aftermath. Reconstructive Debates in Southern African History, Johannesburg 1995.
3 Etherington, Norman, The Great Treks. The Transformation of Southern Africa, 1815-1854, London 2001.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension