A. Ortlepp: Auf denn, Ihr Schwestern!

Cover
Titel
"Auf denn, Ihr Schwestern!". Deutschamerikanische Frauenvereine in Milwaukee, Wisconsin, 1844-1914


Autor(en)
Ortlepp, Anke
Reihe
Transatlantische Historische Studien 17
Erschienen
Stuttgart 2003: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
309 S.
Preis
€ 37,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kerstin R. Wolff, Archiv der deutschen Frauenbewegung

Mit der Arbeit von Anke Ortlepp liegt nun der 17. Band der Transatlantischen Historischen Studien, herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut Washington vor. Die seit 1992 bestehende Reihe hat sich bereits mit seinem 16. Band 1 Fragestellungen und Untersuchungsgegenstände der Frauen- und Geschlechtergeschichte zugewandt. Dieses Interesse wird mit dem 17. Band fortgesetzt; in dem die Ergebnisse der Dissertation von Ortlepp über Deutschamerikanische Frauenvereine in Milwaukee zwischen 1844 und 1914 vorgestellt werden.

Milwaukee hat im 19. Jahrhundert eine beachtliche deutsche Einwanderung zu verzeichnen gehabt. Von ersten deutschen Einzelpersonen in der Mitte der 1830er-ahre über eine erste größere Einwanderungsbewegung um 1848/49 und der Mitte der 1850er-Jahre, erreichte Milwaukee die größte deutsche Einwanderungswelle zwischen 1880 und 1890. Kein Wunder also, dass 1890 68,8 Prozent der Einwohner Milwaukees in Deutschland geboren waren (vgl. S. 33f.) und der Ort bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts als der am stärksten durch deutsche Einflüsse geprägte Ort in den Vereinigten Staaten galt (S. 13).

Ortlepp hat sich diese schnell wachsende Stadt mit einem hohen Anteil an DeutschamerikanerInnen ausgesucht, um sich das Vereinswesen der weiblichen Mitglieder dieser Gruppe anzusehen. Ganz bewusst rückt sie eine Stadt in den Mittelpunkt der Analyse und folgt damit Ansätzen der neuen Einwanderungsgeschichte (S. 20f.). Ortlepp betont, dass im Gegensatz zu den männlichen Vereinsstrukturen die weiblichen Vereinsstrukturen von Deutsch-Amerikanerinnen bisher noch nicht untersucht worden sind. Die Begründung für dieses Manko, die „deutschamerikanische[n] Frauen hätten an einem öffentlichen Engagement kaum Interesse gehabt und sich wenn überhaupt nur sehr zögerlich organisiert“ (S. 12) tritt Ortlepp entgegen, in dem sie auf die Ergebnisse sowohl der amerikanischen als auch der deutschen Frauen- und Geschlechtergeschichte verweist, die nicht nur weibliches Engagement sichtbar gemacht haben, sondern auch gezeigt haben, dass „Frauenorganisationen wichtige kommunikative Räume waren, in denen Frauen zusammenkamen, um sich ihrer Bedürfnisse und Interessen bewusst zu werden, diese zu artikulieren und sich ihre eigenen sozialen Netzwerke zu schaffen“ (S. 12).

Vier Fragekomplexe liegen der Arbeit zugrunde. Erstens die Frage nach dem Umfang, der Art und der evtl. Veränderung eines weiblichen Vereins- Engagements. Hierunter gehört auch die Frage nach der Funktion der Vereine für die Frauen und für die städtische Gemeinde (S. 14). Zweitens geht es um die Frage nach der Funktion des Engagements und darum, welche Ziele mit dem Engagement verbunden wurden, ob es zum Beispiel um das Durchsetzen von neuen weiblichen Handlungsspielräumen ging (S. 15). Der dritte Fragenkomplex dreht sich um die Frage, welche Bedeutung die „Kategorie gender – die Geschlechterdifferenz – beim Entwurf einer ethnischen Identität durch Milwaukees Deutschamerikaner hatte“ (S. 15). Dieser Frage liegt die Einsicht der Konstruktion beider Begriffe zu Grunde, deren Bedeutung daher einem permanenten Wandel unterzogen sind. Viertens soll untersucht werden „inwiefern die dem Entwurf der ethnischen Identität zugrundeliegenden Weiblichkeitsentwürfe und Geschlechternormen die Akkulturationserfahrung deutschamerikanischer Frauen in Milwaukee beeinflussen“ (S. 16). Um dieses vielschichtige Fragenpaket abarbeiten zu können, führt Ortlepp nach einer kurzen Einführung in die soziale und politische Geschichte von Milwaukee dem Lesenden 8 Abschnitte vor, in denen jeweils ein Vereinstyp untersucht wird. Die Anordnung der Abschnitte ergibt sich dabei aus der zeitlichen Abfolge der Entstehung der jeweiligen Organisationsform. Den Beginn machen die Frauenvereine der katholischen Kirchengemeinden (S. 49-68), die als erste 1844 einen Frauenverein gründeten. Es folgen so genannte Wohltätigkeitsvereine (S. 69-97), Frauenvereine von Turnvereinen (S. 98-131), Frauenbildungsvereine (S. 132-164), Frauenvereine der Freien Gemeinden (S. 165-184), Sozialistische Frauenorganisationen (S. 185-214), die Gewerkschaften der Shopschneiderinnen (S. 215-234) und schließlich Frauenvereine von Logen und Orden (S. 235-256). Schlussbemerkungen und ein 9-seitiger Schaubilder und Tabellen enthaltener Anhang runden das Buch ab.

Die einzelnen Vereins-Kapitel sind immer ähnlich aufgebaut. Zuerst gibt es einleitende Passagen zur Situation des Vereinstypes, in diese werden dann die Entwicklungen der Frauenvereine eingebettet. Dieses logisch aufgebaute Verfahren birgt allerdings den Nachteil, dass bei einer durchgängigen Lektüre diese etwas anstrengend wird, da immer wieder dieselben Rahmenbedingungen chronologisch geschildert werden. Dadurch dass die Vereinstypen in ihrer chronologischen Entwicklung aufgezeigt werden, fehlt gelegentlich der stadthistorische Gesamtüberblick, der sich aus der Schilderung aller Faktoren (also politische, soziale, kulturelle und gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen) zu einem bestimmten Zeitpunkt ergeben hätte. So stehen die Entwicklungen der einzelnen Vereine gelegentlich recht isoliert nebeneinander. Allerdings ist die Einbettung der weiblichen Vereinsbewegung in einen stadthistorischen Gesamtüberblick bei der Fülle der hier vorzustellenden Frauenvereine ohne weiteres nicht leistbar, so dass die Beschränkung auf die Frauenvereine durchaus Sinn macht.

Dass Ortlepp zu dem Ergebnis kommt, dass „in den Jahrzehnten zwischen 1844 und 1914 [die] Milwaukee Deutschamerikanerinnen eine vielschichtige und lebendige Vereinskultur hervor [brachten]“ (S. 257), ist nach den Vorbemerkungen und dem Stand der historischen Forschung nicht weiter verwunderlich.2 Auch die Tatsache, dass es zu einer Vernetzung zwischen mehreren Organisationen kam und hierbei das Geschlecht keine Rolle spielte, haben andere Arbeiten – allerdings für das deutsche Kaiserreich – auch schon aufgezeigt.3 Viel spannender ist die Erkenntnis, dass der Stellenwert der Frauenvereinsarbeit nicht hoch genug eingeschätzt werden darf. Sie ist zu sehen „als entscheidender Beitrag zu Prozessen des community building und community maintaining“ (S. 259). Die praktische Arbeit der Frauenvereine ist damit als Politik auf kommunaler Ebene zu bewerten die „über die deutsche Gemeinde hinaus zur Schaffung sozialstaatlicher Strukturen“ beitrug (S. 260). Es ist ein kleines Manko dieser Arbeit, dass Ortlepp diesen Schluss zwar zieht, bei ihrer Schilderung von politischen Prozessen innerhalb der einzelnen Vereine allerdings nur auf das Fehlen des Wahlrechtes zu sprechen kommt bzw. das Wahlrecht als einzige Möglichkeit einer politischen Partizipation wahrnimmt (S. 208f.). Ausgesprochen spannend ist die Frage nach dem Spannungsfeld zwischen weiblicher auf der einen und ethnischer Identität auf der anderen Seite. Ortlepp kommt hierbei zu dem Schluss, dass deutschamerikanische Frauen, die ein traditionelleres Rollenverständnis lebten sich sehr viel schwerer mit einer kulturellen Annäherung an die amerikanische ‚Dominanzkultur’ machten, als die Frauen, für die dieses Rollenverständnis nur noch eine begrenzte Gültigkeit hatte. Ein Arbeiten für die Emanzipation aber noch lange keine Gleichberechtigung innerhalb der ‚neuen Gesellschaft’ bedeutete (S. 265).

Die Arbeit von Anke Ortlepp kann eindrucksvoll bestätigen, dass Frauen ein aktiv handelnder Teil der Gesellschaft waren, und dass dieser Teil bewusst und zielstrebig durch verschiedene Methoden und Verfahren seine Interessen – nicht nur – in der städtischen Kommune durchsetzten konnte.

Anmerkungen:
1 Schüler, Anja, Frauenbewegung und soziale Reform. Jane Addams und Alice Salomon im transatlantischen Dialog, 1889–1933, Stuttgart 2004.
2 Vgl. hierzu: Huber-Sperl, Rita (Hg.), Organisiert und engagiert. Vereinskultur bürgerlicher Frauen im 19. Jahrhundert in Westeuropa und den USA, Königstein im Taunus 2002.
3 Vgl. z.B.: Nitsch, Meinolf, Wohltätigkeitsvereine im Kaiserreich. Die praktische Umsetzung der bürgerlichen Sozialreform in Berlin, Berlin 1999.

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