Titel
Athen. Geschichte und Archäologie


Autor(en)
Sinn, Ulrich
Reihe
Beck'sche Reihe 2336. C. H. Beck Wissen
Erschienen
München 2004: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
117 S.
Preis
€ 7,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Schwarz, Berlin

Rechtzeitig zu den Olympischen Spielen in Athen ist ein Buch erschienen, dessen Spannungsbogen konzis über mehr als 3000 Jahre hinweg führt. Der Verfasser dieser kurzen Einführung in Athens Geschichte und Archäologie, Ulrich Sinn, ist Professor für Klassische Archäologie in Würzburg. Als Kenner der Materie weist er sich vor allem dadurch aus, dass er ein Jahrzehnt lang am Deutschen Archäologischen Institut in Athen gearbeitet hat. Seine Stadtgeschichte lässt er in der Blütezeit der mykenischen Kultur mit einem Palast auf dem Akropolisfelsen beginnen. Der Herrensitz wurde im 13. Jahrhundert v.Chr. mit einer starken Umfassungsmauer umgeben. Ein Felsbrunnen hat der Burganlage ermöglicht, auch einer Belagerung standzuhalten. Doch nicht deshalb sollte Athen die Zerstörung der mykenischen Machtzentren um 1200 v.Chr. weitgehend unbeschadet überstehen. Es war wohl einfach zu unbedeutend, um Raubzüge auf sich zu ziehen.

Eine erste Zäsur setzt Sinn im 7. Jahrhundert v.Chr. mit der Gesetzgebung Drakons. In ihrer sprichwörtlich gewordenen Schärfe versuchte sie, die Praxis der Blutrache einzudämmen. Der Reformer Solon hat die Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt geschaffen. Unter der Tyrannis der Peisistratiden blühte im 6. Jahrhundert vor allem das athenische Töpferhandwerk auf. Im Jahr 514 wurde Hipparchos, der Bruder des Tyrannen Hippias ermordet. Sinn weist darauf hin, dass die Attentäter Harmodios und Aristogeiton keineswegs Freiheitshelden waren. Letzterer sei der Liebhaber des Harmodius gewesen. Als Hipparchos versucht hat, um Harmodios zu werben, wurde er das banale Opfer einer Eifersucht. Sinn schließt diese Phase der Stadtgeschichte gegen Ende des 6. Jahrhunderts mit den Reformen des Kleisthenes, deren Hauptakzent auf der Herstellung von Rechtsgleichheit unter den Bürgern lag.

Das 5. Jahrhundert v.Chr. sah Athen auf dem Höhepunkt seiner Macht. Erfolgreich wehrte die Stadt den Angriff der persischen Großmacht ab. Die ökonomische Grundlage für den Aufstieg Athens wurde mit der Ausbeutung von Sklaven in den Silberminen von Laurion gelegt. Für die kulturelle Blüte der Stadt stehen bei Sinn die Dramatiker Aischylos, Sophokles und Euripides. Die von Themistokles initiierte Flottenrüstung befestigte die militärische Macht Athens. Die Stadt wurde zum Zentrum eines Seebundes, dessen Kasse Perikles von der Insel Delos nach Athen verlegen ließ. Die Mittel verwendete er auf ein Projekt zur Neugestaltung der Akropolis, deren bedeutendster Tempel das Parthenon wurde. Sinn stellt aber auch kleinere Tempel wie das Hephaisteion an der Westseite der Agora vor. Bequem lassen sich die beschriebenen Gebäude und Plätze anhand einer Übersichtskarte auf der Innenseite des Buchumschlags lokalisieren. Gern hätte man aber mehr darüber gewusst, wie es die Athener im 5. Jahrhundert mit der Demokratie gehalten haben. Sinn deutet das Thema an (S. 33), ohne Ausführungen folgen zu lassen.

Athen ruinierte sich schließlich im Peloponnesischen Krieg. Im Jahr 404 musste es vor der Übermacht Spartas kapitulieren. Als Gewinn aus dem Verlust der Macht verbucht Sinn die fünf Philosophenschulen Athens. Er stellt die Akademie Platons und das Lykeion des Aristoteles vor. Antisthenes und Epikur öffneten eigene Schulen, Zenon von Kition gründete die Stoa. Im Jahr 87 v.Chr. belagerten die Römer erfolgreich die Stadt. Athen zehrte in der römischen Kaiserzeit noch von seinem kulturellen Kapital. Doch als der christliche Kaiser Justinian 529 n.Chr. die Schließung der heidnischen "Schule von Athen" dekretierte, war es mit der antiken Stadt vorbei. Was von ihr noch übrig war, wurde 1458 von Sultan Mehmed II. eingenommen und blieb dann mehr als 370 Jahre lang unter türkischer Herrschaft. Bei der Belagerung der Stadt im Jahr 1667 ließ der venezianische General Francesco Morosini die Akropolis beschießen. Das Parthenon wurde dabei schwer beschädigt.

Sinns Buch endet mit einem Kapitel, in dem die Rückkehr Athens an die Macht geschildert wird. Der Unabhängigkeitskampf Griechenlands begann 1821, elf Jahre später zogen die Türken endgültig aus Athen ab. Die Stadt war zu diesem Zeitpunkt zur völligen Bedeutungslosigkeit herabgesunken, gerade noch ein paar tausend Einwohner harrten in ihr aus. Die europäischen Großmächte verständigten sich darauf, einen Spross aus dem philhellenischen Hause Wittelsbach als griechischen Regenten einzusetzen. Unabhängig vom desolaten Zustand der Ansiedlung rund um die Akropolis kam für den neuen König Otto nur Athen als Hauptstadt Griechenlands in Frage. Wer heute nach Athen reist, begegnet im Stadtbild überall den Spuren der Vergangenheit. Einen guten Kulturreiseführer kann und will Sinns Einführung nicht ersetzen. Doch diesen ergänzt der Archäologe, indem er auch weniger augenfällige Denkmäler Athens vom Lysikrates-Rundtempel über den Turm der Winde bis zum Philopappus-Monument nicht nur beschreibt, sondern im historischen Zusammenhang erklärt.

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