Cover
Titel
Support Any Friend. Kennedy's Middle East and the Making of the U.S.-Israel Alliance


Autor(en)
Bass, Warren
Reihe
Council on Foreign Relations Book
Erschienen
Anzahl Seiten
336 S.
Preis
£18.99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wolfgang Schmidt, Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung im Rathaus Schöneberg, Berlin

Unter Präsident Eisenhower hatten die Vereinigten Staaten den Nahen und Mittleren Osten in ihre globale Strategie gegen den Sowjetkommunismus voll einbezogen. Die Interventionen in der Suez-Krise 1956 und im Libanon 1958 hatten das vitale amerikanische Interesse an prowestlichen Regimen und an Stabilität in diesem Teil der Erde deutlich gemacht; die so genannte Eisenhower-Doktrin von 1957 dokumentierte dies offiziell.

Der Schutz der bedrohten Existenz des Staates Israel spielte zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Zwar hatten die USA 1948 mit der sofortigen Anerkennung Israels bei der Staatsgründung Pate gestanden. Doch weder unter Truman noch unter Eisenhower gab es ein voll entwickeltes amerikanisch-israelisches Bündnis, wie Warren Bass eingangs und immer wieder betont. Damit entlarvt er die heutzutage vielfach vorgetragenen Beschwörungen als Mythos. (S. 5 f., 34, 247f.) Amerika unterstützte den jüdischen Staat vor allem finanziell, weigerte sich in den fünfziger Jahren aber hartnäckig, schwere bzw. technisch hochentwickelte Waffen an Israel zu verkaufen, um die Ministerpräsident Ben-Gurion in Washington immer wieder nachsuchte. Bei einem Verkauf, so die damalige Sorge der USA, würden sich die Araber um sowjetische Waffenlieferungen bemühen; ein regionaler Rüstungswettlauf käme in Gang und Moskaus Einfluss in der Region würde gestärkt.

Während und nach der Suez-Krise im November 1956 wurde für alle Welt sichtbar, dass ein Bündnis zwischen den USA und Israel, wie wir es heute kennen, noch nicht existierte. Eisenhower betrachtete beide Seiten im Nahost-Konflikt mit Misstrauen und bemühte sich grundsätzlich um eine unparteiische Politik gegenüber Arabern und Israelis. (S. 38, 44). Waren die amerikanisch-israelischen Beziehungen in der Ära Eisenhower eher kühl, so war das Verhältnis der USA zum ägyptischen Staatspräsident Gamal Abd el Nasser, der sich 1952 an die Macht geputscht hatte, frostig. Außenminister John Foster Dulles nahm Nasser als verkappten Kommunisten und damit als Bedrohung wahr (S. 65), als Ägypten ab 1955 Waffen in der Tschechoslowakei kaufte. Später bezog Ägypten Kampfflugzeuge, Bomber und Panzer aus der Sowjetunion. Das erklärte Ziel des von den Massen gefeierten panarabischen Revolutionärs war nicht nur die Vernichtung Israels, sondern auch der Sturz der mit dem Westen verbündeten konservativen Monarchien Arabiens. Auch wenn Washington Kairo seit 1958 wieder geringfügige Hilfen gewährte und Eisenhower sich wenige Monate vor dem Ende seiner Amtszeit mit Nasser im Waldorf Astoria Hotel in New York zum ersten und einzigen Gespräch traf, blieben die Beziehungen beider Länder belastet. (S. 67f.)

Doch als John F. Kennedy im Januar 1961 die Regierungsverantwortung übernahm, wagte seine Administration ganz im Sinne ihrer optimistischen New-Frontier-Mentalität und im Unterschied zu ihrer Vorgängerin auch im Nahen und Mittleren Osten einen neuen Ansatz. Die Botschaft Kennedys bei seiner Rede zur Amtseinführung lautete: In der globalen Auseinandersetzung mit dem Sowjetkommunismus galt es für Amerika, jeden Freund zu unterstützen und vor allem in der Dritten Welt neue Freunde zu gewinnen (S. 1-5). Anders als Dulles glaubte vor allem die araberfreundliche Nahostabteilung im State Department – unterstützt durch Kennedys Berater im National Security Council (NSC) – an die Chance, Nasser und mit ihm die „modernen“ nationalistischen Araber wie auch andere „Neutrale“ in der Dritten Welt von sowjetischem Einfluss fernhalten zu können, indem man den wirtschaftlichen Aufbau und die innere Entwicklung dieser Staaten finanziell unterstützte (S. 65, 77f.). Ab März 1961 wandte sich der amerikanische Präsident in mehreren Schreiben an Nasser, der sich in seinen Antworten durchaus geneigt zeigte, auf die Angebote verstärkter Zusammenarbeit und erhöhter amerikanischer Entwicklungshilfe einzugehen. Dabei machte Kennedy eines immer wieder deutlich – und das glich der Quadratur des Kreises: Washington wollte bessere Beziehungen mit Kairo, unbeschadet der besonderen Beziehungen Amerikas mit Israel und seiner guten Beziehungen mit den arabischen Monarchien (S. 129).

Im Juni 1962 erreichte die amerikanisch-ägyptische Annäherung ihren Höhepunkt (S. 95-97). Doch dann brach Nassers Neigung zu militärischen Abenteuern durch. Als im September 1962 im Jemen die Monarchie gestürzt wurde und ein Bürgerkrieg begann, intervenierte Nasser mit 20.000 Mann zugunsten der nasseristischen Revolutionäre, während Saudi-Arabien die Royalisten unterstützte. Ein von den Amerikanern vorgelegter Plan für den Abzug der ägyptischen Truppen und die Einstellung saudischer Hilfen wurde nicht umgesetzt. Der Krieg eskalierte im Sommer 1963 erneut, wobei Ägypten sehr wahrscheinlich auch Senfgas eingesetzt hat (S. 133-35).

Sowohl die Monarchien in Saudi-Arabien und Jordanien als auch Israel drängten seit 1961 – und mit Beginn des Kriegs im Jemen immer stärker – darauf, dass Amerika seine (bescheidene) Hilfe für Ägypten komplett einstellen und die Bemühungen um bessere Beziehungen mit Kairo beenden solle. Auch die amerikanischen Ölfirmen, die wegen Nasser um ihr Geschäft in Saudi-Arabien fürchteten, wurden im Weißen Haus vorstellig (S. 114). Nachdem im Februar 1963 Nasser-Anhänger in Syrien und Irak erfolgreich geputscht hatten, die wenig später mit Ägypten die Vereinigte Arabische Republik wiedererrichteten, und im April 1963 Unruhen in Jordanien ausgebrochen waren, demonstrierten die USA, wo die rote Linie lag, die Nasser nicht überschreiten durfte. Der zunehmend über Nasser verärgerte Kennedy entsandte im Juli 1963 US-Luftstreitkräfte nach Saudi-Arabien, die im Falle eines Angriffs ägyptischer Truppen eingreifen sollten.

Am 7. November 1963 strich der US-Senat die amerikanischen Hilfe für das Land am Nil in Reaktion auf den vermuteten Giftgaseinsatz im Jemen und die Anerkennung Nordkoreas und Nordvietnams durch Ägypten. Die Kennedy-Administration protestierte zwar gegen diese Beschneidung ihrer außenpolitischen Manövrierfähigkeit, doch die Grundlage für ihre Annäherungsversuche an Nasser war zuvor schon weggefallen. Dazu hatten auch die seit 1961 immer enger werdenden Beziehungen zwischen den USA und Israel beigetragen. Vor allem aber hatte Nasser das Angebot amerikanischer Freundschaft abgewiesen, um stattdessen seinen Krieg im Jemen verlustreich weiter zu führen, weil er im innerarabischen Konflikt nicht das Gesicht verlieren wollte (S. 143).

Israel unter Daniel Ben-Gurion wünschte dagegen unbedingt das Bündnis mit den USA, um die Existenz des jüdischen Staates militärisch abzusichern. Dabei setzte Jerusalem große Hoffnungen in die Kennedy-Administration, die Israel im Gegensatz zur Eisenhower-Regierung nicht als potenziell aggressiven Staat ansah (S. 146) und auch diesen Freund Amerikas unterstützen wollte. Die Geburtsstunde des militärischen Bündnisses war der erstmalige Verkauf amerikanischer Boden-Luft-Raketen des Typs Hawk im August 1962 an Israel, dem im November 1963 erstmals gemeinsame Sicherheitsgespräche und – während der Präsidentschaft Johnsons – weitere Verkäufe von amerikanischen Flugzeugen und Panzern folgten.

Mit den Hawk-Raketen sollte die Verteidigung Israels gegen die mit sowjetischen Flugzeugen ausgerüstete ägyptische Luftwaffe verbessert werden. Das Ausmaß der von Ägypten ausgehenden Bedrohung wurde indes von Israel überzeichnet – auch mit Hilfe der Israel-Lobby in den USA, deren damaligen Einfluss Bass aber als weitaus geringer als heute veranschlagt (S. 55-60). Aufgrund französischer und britischer Waffenlieferungen verfügten die israelischen Streitkräfte durchaus über eine ausreichende Bewaffnung und waren dem Gegner keineswegs unterlegen. Die Amerikaner wussten dies (S. 154f.), wie sie auch überzeugt waren, dass eine von den Ägyptern entwickelte kleine Rakete, die im Juli 1962 getestet worden war, keine wirkliche Gefahr für Israel darstellte, wenngleich ihre Existenz der Argumentation Jerusalems natürlich in die Hände spielte.

Über die mit dem Hawk-Deal vollzogene Wende der amerikanischen Nahost-Politik ist innerhalb der US-Administration lange gerungen worden. Das State Department beugte sich schließlich dem Druck des NSC und des Pentagon, obwohl die Furcht vor einem Rüstungswettlauf im Nahen Osten, den dieser Schritt auslösen konnte (und tatsächlich auslöste), noch immer bestand. Man tröstete sich mit dem Verweis auf den defensiven Charakter der Raketen, die ein Beitrag zum Erhalt des regionalen Gleichgewichts seien, und verbuchte eine Minderung des US-Zahlungsbilanzdefizits. Ursprünglich hatte die Administration den Verkauf von der israelischen Zustimmung zu einem Plan für die Regelung der palästinensischen Flüchtlingsfrage abhängig machen wollen (S. 165-69). Der unrealistische und von Israel kategorisch abgelehnte Johnson-Plan wurde von Kennedy aber bald fallen gelassen (S. 176); der Verkauf der Raketen blieb davon unberührt. Es ging dem Präsidenten, wie Bass anhand dieses Beispiels überzeugend darlegt, nie um eine umfassende Lösung des vertrackten Nahost-Konflikts, sondern um möglichst gute Beziehungen mit allen Staaten in der Region und die Wahrung des Gleichgewichts (S. 247f.). Letzteres ist Kennedy indes nicht gelungen, was nicht nur an den heillos verfeindeten Akteuren im Nahen Osten lag. Seine Administration gab mit den Waffenverkäufen an Israel die Gleichgewichtigkeit ihrer Politik auf. Die Folgen dieser Entscheidung wirken in der arabischen Welt bis heute nach.

Die Erweiterung und Vertiefung der amerikanisch-israelischen Beziehungen war allerdings nicht ohne erhebliche Reibungen zustande gekommen, was Bass eindrucksvoll und spannend beschreibt (S. 186-238). Für Streit sorgte Israels Streben nach atomarer Bewaffnung. Noch Präsident Eisenhower war mit Berichten konfrontiert worden, Israel baue in Dimona in der Negev-Wüste eine von Frankreich gelieferte Atomanlage zur Produktion waffenfähigen Plutoniums. Die israelischen Versicherungen, es handele sich um eine Anlage zur rein friedlichen Nutzung der Kernenergie haben weder Eisenhower noch seinen Nachfolger überzeugt. Zwar durften amerikanische Wissenschaftler 1961 und 1962 die Anlage besuchen, doch von ernsthaften Inspektionen konnte keine Rede sein. Viel zu leicht war man in Washington geneigt, den israelischen Beteuerungen und Ausflüchten Glauben zu schenken.

Als Kennedy nach der Kuba-Krise die Verhinderung nuklearer Proliferation praktisch zu seinem wichtigsten außenpolitischen Thema machte, versuchte er mit dem expliziten und scharfen Hinweis, andernfalls seien die Beziehungen zu Israel ernsthaft gefährdet, einen unnachgiebigen Ben-Gurion zu halbjährlichen Inspektionen zu zwingen. Dessen Nachfolger Levi Eshkol zeigte sich zwar im Sommer 1963 weitaus flexibler und konzilianter, aber wirkliche Inspektionen der Anlage in Dimona, die das Geheimnis hätten lüften können, ließ auch er nicht zu (S. 232f.). Kennedy gab sich schließlich mit einem Teilerfolg zufrieden, der das Problem allerdings nicht löste, und sein Nachfolger Johnson interessierte sich für die Frage kaum mehr. Seit Mitte der sechziger Jahre ist Israel vermutlich im Besitz der Bombe.

Die von Warren Bass vorlegte diplomatiegeschichtliche Studie, die alle zugänglichen Quellen detailliert und stets ausgewogen analysiert und dabei gut zu lesen ist, öffnet viele neue und überraschende Einsichten in ein bisher wenig beachtetes Gebiet der Außenpolitik Kennedys.

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