P. C. Mayer-Tasch u.a. (Hgg.): Porträtgalerie der politischen Denker

Cover
Titel
Porträtgalerie der politischen Denker.


Herausgeber
Mayer-Tasch, Peter C.; Mayerhofer, Bernd
Reihe
Kleine politische Schriften 10
Erschienen
Göttingen 2004: Wallstein Verlag
Anzahl Seiten
326 S.
Preis
€ 27,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Reinhard Mehring, Institut für Philosophie, Humboldt-Universität zu Berlin

Die bundesdeutsche Politikwissenschaft hat seit den 60er-Jahren – mit ungewisser Zukunft – die politische Theorie und Ideengeschichte als ein Kernelement politikwissenschaftlicher Institute (neben Innenpolitik und Internationaler Politik) etabliert und reiche Hilfsmittel ihres Studiums hervorgebracht. Zu nennen sind hier vor allem die von Hans Maier, Heinz Rausch und Horst Denzer herausgegeben „Klassiker des politischen Denkens“; 1968 erstmals in zwei Bänden erschienen und seitdem mehrfach überarbeitet wieder aufgelegt, bieten sie mit philosophischer Zielsetzung zahlreiche Einführungen in „klassische“ Autoren und legen das Schwergewicht dabei auf die philosophische Tradition. Zu nennen ist auch das von Iring Fetscher und Herfried Münkler herausgegebene fünfbändige „Handbuch der politischen Ideen“, das weiter gefasst mit „frühen Hochkulturen“ beginnt; es präsentiert die einzelnen Autoren im Kontext historischer Epochenanalysen, löst die jeweiligen Ideen so aus einem transhistorisch-klassischen Anspruch heraus und stellt sie enger in den Rahmen ihrer Zeit und Verfassung. Damit folgt es der Etablierung der Politikwissenschaft als historischer Sozialwissenschaft. Heute gibt es eine starke akademische Spezialisierung der politischen Ideengeschichtsschreibung. Bestimmte Autoren, Epochen und methodische Ansätze wurden durchdekliniert.

Der Mitherausgeber Mayer-Tasch nennt die nun vorliegende „Porträtgalerie“ einen alten Wunsch und Plan, den er sich endlich, nach seiner Emeritierung, erfüllen konnte. Die Gesamtauffassung ähnelt den „Klassikern des politischen Denkens“. Die Herausgeber lesen die Galerie „beim Durchschreiten langer Flure“ als Arbeit an „einem Haus und Haushalt“ im „großen Oikos des Politischen“; sie nennen „Ordnung und Unordnung [...] die Pole, Friede und Gerechtigkeit die Pfeiler, zwischen die sich das Bogenfeld des Politischen spannt“; zentral sei die „Frage nach der guten, der besseren und der besten politischen Ordnung“ (S. 7). Ähnlich klang es schon in Hans Maiers Einleitung in die „Klassiker des politischen Denkens“ von 1968. Der Ordnungsbegriff nur ist in der Tradition Eric Voegelins noch etwas prononciert. Jedenfalls steht diese Galerie in der Münchner Tradition normativer Orientierung Politischer Philosophie, die Thies Marsen1 näher darstellte.

Einige personenzentrierte Lexika erschienen in den letzten Jahren. Ich nenne nur Metzlers Philosophen-Lexikon, das von Michael Stolleis herausgegebene biografische Lexikon der „Juristen“, die vorzügliche, von Bruno Jahn versammelte „Enzyklopädie deutschsprachiger Philosophen“ oder auch das bei Kröner bald erscheinende Lexikon „Politische Theorie der Gegenwart“. Weitere vergleichbare Werke und Projekte wären zu nennen. Was die „Porträtgalerie“ in diesem Umfeld charakterisiert, ist die Orientierung am Autorenkanon der „Klassiker des politischen Denkens“ einerseits und an der literarischen Form des Breviers andererseits. Die einzelnen Beiträge nennen biografische und historisch-politische Daten nur kurz und wollen ohne besonderen Anspruch locker und abgeklärt in wenige elementare Einsichten der politischen Denker einführen. Auffällig ist der Verzicht auf jeden bibliografischen Nachweis. Die Beiträge enthalten keinerlei Fußnoten oder sonstigen Apparat. Es handelt sich also nicht um ein lexikalisches Arbeitsbuch, das einen akademischen Einstieg ins weitere Studium eröffnen möchte. Damit richtet es sich nicht an Studienanfänger und ähnelt eher einem meditativen Brevier, einem Gedanken- und Erinnerungsbüchlein, das man wie eine Pocket-Bibel für reflexionswillige Akteure bei sich führt und gelegentlich aufschlägt. Die Herausgeber sprechen diesen Adressatenkreis recht deutlich an; sie meinen: „Beim Durchschreiten der Porträtgalerie wird auf den Kundigen ein ganzes Assoziationsgewitter des Erinnerns und Vernetzens niedergehen; dem mit diesen Dimensionen des Denkens nicht oder wenig Vertrauten mag immerhin ein erster Eindruck von der Tiefe und Weite der geistigen Räume vermittelt werden, die sich hinter den Miniaturen der in diese Galerie aufgenommenen Schlüsselgestalten der Politischen Philosophie eröffnen.“ (S. 15) Dem Anfänger mag sie eine lockende Hintertreppe sein. In erster Linie aber ist „der Kundige“ angesprochen.

Wie kann das geschehen? Wie kann man den Kundigen, den gebildeten Weltweisen, ohne gelehrten Aufwand mit den einfachen historisch-politischen Grundeinsichten erneut ansprechen? Dafür steht vor allem der Autorenkreis. Etwa die Hälfte aller Beiträge wurde von einigen Altmeistern des Geschäfts verfasst, die über ihre „Klassiker“ lange gereifte Einsichten lässig vermitteln können. Peter J. Opitz beispielsweise schreibt über Konfuzius und Laotse (dies sind die einzigen außereuropäischen Autoren) und Voegelin, Manfred Fuhrmann über Cicero und Seneca, Wolfgang Kluxen über Thomas von Aquin, Dieter Wyduckel über Althusius, Alois Riklin über Harrington und Sieyes, Henning Ottmann über Nietzsche, Mayer-Tasch über zahlreiche weitere „Klassiker“. Aus der jüngeren Generation haben der Mitherausgeber Bernd Mayerhofer sowie Hans-Martin Schönherr-Mann zahlreiche weitere Beiträge verfasst. Die griechische Antike kommt mit Platon und Aristoteles etwas kurz. Gleiches gilt für das christliche Mittelalter mit Augustinus und Thomas, Dante und Marsilius von Padua. Die Galerie liest sich dabei durchaus als Entdeckungs- und Stufengang, der wesentliche Elemente komplexer freiheitlicher Verfassung als ordnende Antwort auf bestimmte historisch-politische Voraussetzungen einsichtig macht. Über die Auswahl lässt sich immer streiten. Das 20. Jahrhundert ist durch Max Weber, Lenin, Carl Schmitt, Voegelin, Hans Jonas, Hannah Arendt, John Rawls, Luhmann und Habermas vertreten. Armin Nasshedi endet mit dem Spagat, Luhmann und Habermas zu präsentieren. Zur Porträtgalerie gehören noch Bilder von jedem behandelten Autor, die einige Beiträge auch physiognomisch deuten. Angesichts der heutigen Wirrungen und Wandlungen liest sich diese Galerie, dieser Bildungsschatz, erbaulich als Brevier vom Trost der Politischen Philosophie.

Anmerkung:
1 Marsen, Thies, Zwischen Reedukation und Politischer Philosophie. Der Aufbau der Politischen Wissenschaft in München nach 1945, Paderborn 2001.

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