R. Butterwick (Hg.): The Polish-Lithuanian Monarchy

Titel
The Polish-Lithuanian Monarchy in European context. C. 1500-1795


Herausgeber
Butterwick, Richard
Erschienen
New York 2001: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
264 S.
Preis
$ 75.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Oliver Loew, Deutsches Polen-Institut Darmstadt

Überblickswerke zur polnischen Geschichte sind in westlichen Sprachen mittlerweile keine Seltenheit mehr, ganz im Gegensatz zu Grundrissen einzelner historischer Epochen des polnisch-litauischen Reiches. 1 Der hier zu besprechende Sammelband vereint zwar Texte aus verschiedenen Federn, hat aber durchaus den Anspruch einer Einführung in die frühneuzeitliche Geschichte Polen-Litauens. Richard Butterwick, Dozent an der Belfaster Queen’s University und ausgewiesener Kenner der polnischen Geschichte in der Zeit der Aufklärung 2, hat dafür die Ergebnisse einer 1999 in Belfast stattgefundenen Konferenz um Karten, ausführliche Literaturhinweise, Herrscherlisten und ein Glossar ergänzt. Es geht ihm aber um noch mehr – um eine Kontextualisierung Polens im europäischen Rahmen. In seiner Einleitung fragt Hg. vor dem Hintergrund der jüngsten Absolutismus-Debatten nach den möglichen Entwicklungswegen der Republik und regt eine Neubewertung der polnischen „Sonderwegs“-Debatte an: Ließe sich zeigen, daß die polnischen Institutionen besser funktionierten, daß die Einflußmöglichkeiten des Königs größer waren, als dies gemeinhin angenommen wird, so entfiele auch ein wesentlicher Bestandteil jener Argumentationen, die von einer weitgehenden polnischen Differenz vom übrigen Europa ausgehen. (S.6)

Zehn Historiker aus fünf Ländern stellen im folgenden Aspekte dieser angenommenen polnischen Differenz dar. Robert J.W. Evans bemüht sich um eine komparatistische Verfassungsgeschichte Europas und vergleicht Polen mit anderen Reichen der frühen Neuzeit, dem Heiligen Römischen und dem Habsburger Reich. Zu seinen Ergebnissen zählt die ironische Parallele, daß all diese Reiche im Grunde erst nach ihrem Untergang zu identitätsstiftenden Konstrukten wurden und daß erst der jeweilige Untergang notwendige Modernisierungsprozesse in Gang setzte. (S. 34, 36). Insofern könne von einem Sonderweg Polen-Litauens nicht die Rede sein. Ian Green hält seinen westeuropäischen Blick dagegen, indem er eingefahrene Lehrmeinungen wie jene von den großen Verfassungsunterschieden Englands und Frankreichs hinterfragt. Das zeitgenössische „Reden über“ verstelle vielfach bis heute die Sicht. Damit sekundiert er Butterwicks Versuch, die polnische Staatsgeschichte neu zu bewerten.

Die weiteren Autoren präsentieren dann Ausschnitte aus der politischen Geschichte Polen-Litauens. Almut Bues spricht sich in ihrem Beitrag über die Formierung der polnisch-litauischen Monarchie im 16. Jahrhundert für die Sonderwegsthese aus (S. 62) und weist – das ist nichts Neues – auf die zentrale Bedeutung der Interregna für die Veränderung des legislativen Gefüges hin. Jurate Kiaupiene vertritt einen Standpunkt der litauischen Forschung, wenn sie die polnische Nation der frühen Neuzeit als Verbund mehrerer „polnischer Kulturen“ und „polnischer Sprachen“ versteht und die Polonisierung des litauischen Adels in Frage stellt (S. ??). Man mag dies als anregende Frage verstehen, denn natürlich hat es im Adel als politischer Nation der Republik Differenzen gegeben, ob dies aber als Argument für die Dekonstruktion der frühneuzeitlichen Nation genügt, erscheint zweifelhaft.

Karin Friedrich schildert in Anlehnung an ihre jüngst erschienene Monographie 3 überblickend die Stellung des Königlichen Preußen innerhalb der Republik. Anna Grzeskowiak-Krwawicz stellt die zeitgenössische polnische Sicht auf andere europäische Monarchien dar und kommt zu dem wenig überraschenden Schluß, daß der Adel die absolutistischen Länder des Westens zwar schätzte, sie aufgrund der geringen dort herrschenden Freiheit aber nicht liebte. (S.129) Jerzy Lukowski widmet sich den politischen Diskussionen in Polen um den Widerstreit zwischen zentraler Königsmacht und adligem Freiheitsstreben. Auch Robert I. Frost schreibt über die Königsmacht, sehr anregend übrigens – er beginnt mit der tränenreichen Abdankung des alten Jan Kazimierz im Jahre 1668. Anschließend stellt er sowohl die Gründe für den Erfolg als auch das letztliche Scheitern der Wasa-Dynastie und damit einer starken Stellung des Königs in Polen dar.

Ähnlich wie Lukowski hat auch Mariusz Markiewicz seinen Beitrag als problemorientierten Überblick angelegt, indem er das Funktionieren der Monarchie unter den Sachsenkönigen behandelt, allerdings sehr kursorisch und traditionell. Schließlich präsentiert der Herausgeber Richard Butterwick seine Sicht auf die „aufgeklärte Monarchie“ des Stanislaw August Poniatowski zwischen Reformbemühungen, russischer Kontrolle und einheimischem Widerstand.

Insgesamt hält der Sammelband nicht, was er verspricht: Weder ist er ein Überblick über die polnische Geschichte der frühen Neuzeit, noch diskutiert er konsequent den europäischen Kontext der Republik. Er bietet allerdings interessante Einblicke und manche Anregung, insbesondere für die angelsächsische Welt, denn im deutschsprachigen Raum, das darf an dieser Stelle in aller Bescheidenheit vermeldet werden, weiß man das, was hier präsentiert wird, im Grunde schon seit längerem.

Anmerkungen:
1 Zuletzt: Daniel Stone: The Polish-Lithuanian State, 1386–1795, Seattle u. London 2001.
2 Richard Butterwick: Poland’s Last King and English Culture: Stanislaw August Poniatowski, 1732-1798, Oxford 1998.
3 Karin Friedrich: The other Prussia: Royal Prussia, Poland and liberty, 1569-1772, New York 1999.

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