Cover
Titel
Imperator et Episcopus. Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christlicher Kirche zwischen dem 1. Konzil von Nicaea (325) und dem 1. Konzil von Konstantinopel (381)


Autor(en)
Just, Patricia
Reihe
Potsdamer altertumswissenschaftliche Beiträge 8
Erschienen
Stuttgart 2003: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
251 S.
Preis
€ 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau

Einem hochinteressanten Thema widmet Patricia Just ihre Augsburger Dissertation: dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche bzw. Kaiser und Bischof im 4. Jahrhundert, eingegrenzt auf den Zeitraum zwischen den beiden Konzilien von Nicaea (325) und Konstantinopel (381), einem Rahmen, innerhalb dessen der arianische Streit die christliche Kirche spaltete und so zugleich eine wichtige Legitimationsgrundlage des spätantiken Kaisertums zu gefährden schien. Selbst in dieser Beschränkung auf die von den beiden ersten ökumenischen Konzilien eingerahmten Jahrzehnte hat es Just mit einer überbordenden Fülle an Quellen und Literatur zu tun, die es methodisch und inhaltlich zu zügeln gilt.

Das Thema verfolgt Just mit der "Frage nach den vielfältigen Beziehungen zwischen den römischen Kaisern und den Bischöfen, da diese Beziehungen die zentrale Schnittstelle im Verhältnis von römischem Staat und christlicher Kirche im 4. Jahrhundert darstellen" (S. 14). Just sucht also dem Verhältnis von Staat und Kirche über das hierfür verantwortliche Personal näher zu kommen, wobei sie an vorhandene Untersuchungen zum Umgang einzelner Kaiser mit einzelnen Bischöfen anknüpft 1 und diese Sichtweise zu einer "'Gesamtschau' für die Zeit zwischen Constantinus I. und Theodosius I." (S. 14) auffächert, um personenübergreifende, allgemeine Ergebnisse formulieren zu können. Dieses Unterfangen wird schließlich - eher oberflächlich - in einen konflikttheoretischen Ansatz eingebettet, so dass unter weitgehender Ausblendung anderer, zumal theologischer oder kirchengeschichtlicher Gesichtspunkte der Machtkampf zwischen Staat und Kirche in den Mittelpunkt rückt, zwischen Kaiser und Bischöfen, zwischen verschiedenen Kaisern untereinander mit Hilfe der Instrumentalisierung von Bischöfen wie zwischen unterschiedlichen dogmatischen Auffassungen von Kirchenvertretern (nizänischen und so genannten arianischen) unter Einbeziehung der Kaiser. Für diesen Untersuchungsgang stehen vielfältige, doch tendenziöse Quellen zur Verfügung: Die nizänische Sicht, die sich schließlich durchgesetzt hat, ist in den zeitgenössischen Auseinandersetzungen und denen späterer Zeit dominant, die nichtnizänische kaum erhalten, als "unerwünschtes Wissen zwar unterworfen, aber nicht vernichtet" (S. 17).

Zur Behandlung ihres Themas ordnet Just die Kontrahenten bzw. Partner in zwei große Kapitel ein: Im ersten untersucht sie das Verhältnis von Staat und Kirche von der Ebene der Bischöfe aus, im zweiten von der kaiserlichen. Damit ist zwar ein sinnvoller Perspektivenwechsel für die Sicht auf die Beziehungen zwischen bestimmten Kaisern und Bischöfen bzw. die Streitfälle gegeben, doch werden letztlich streckenweise, wie ein Vergleich der entsprechenden Teilkapitel zu bestimmten Kaiser-Bischof-Konstellationen schnell zu zeigen vermag, dieselben Grundaussagen unter verändertem Blickwinkel wiederholt, vertieft und erweitert, was die ohnehin vorhandene Gleichförmigkeit der Arbeit in Aufbau und Durchführung nur unterstreicht. Das erste dieser beiden Kapitel ("Die Ebene der Bischöfe") ist unterteilt in den Ausbruch des arianischen Streites (Eusebius von Caesarea), dessen Hauptakteure (Eusebius von Nikomedien, Athanasius von Alexandria) und Nebenfiguren (Valens von Mursa, Ursacius von Singidunum, Ossius von Cordoba, Lucifer von Calaris, Julius von Rom, Liberius von Rom), den Vermittler (Hilarius von Poitiers) sowie die Beendigung des arianischen Streits (Basilius von Caesarea und Ambrosius von Mailand) und ordnet in den Unterkapiteln diesen Personen die Kaiser zu, mit denen sie es zu tun hatten. Im nächsten Teil ("Die Ebene der Kaiser") ist es dann umgekehrt: Als Hauptpersonen im arianischen Streit werden Konstantin der Große, Constantius II. und Theodosius der Große in ihrem Verhältnis zu den jeweiligen Bischöfen betrachtet, als Nebenakteure Konstantin II., Constans und Valens behandelt.

Dabei führen diese Kapitel zunächst jeweils in den Forschungsstand ein und sind darüber hinaus durchaus Quellen orientiert, auch wenn kaum Textauslegung praktiziert, stattdessen vielmehr ausgewählte Ergebnisse und Bewertungen nur mitgeteilt werden. Zumeist stellt Just die Ansicht der Forschung zu einem Teilaspekt vor bzw. unterschiedliche Ansichten gegenüber, leitet aus der Literatur und ihrer eigenen oder übernommenen Quellenbeurteilung eine Gegenthese ab oder formuliert eine neue Synthese, die sie dann in Auseinandersetzung mit Quellen und Literatur zu untermauern bemüht ist. Von dieser methodischen Vorgehensweise weicht sie im Grunde nirgends ab. Ihre Argumente sucht sie wegen der meist nizänischen Tendenz der Quellen zum Teil bewusst gegen die Quellenaussagen und die sich auf diese Quellen stützende Literatur zu formulieren und gewinnt auf diese Weise oft Einsichten, die sich von der bislang gängigen Einschätzung unterscheiden, doch in den Zusammenhang mit ihren Hauptaussagen über die Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche, Kaiser und Bischöfen (mehr "Spiel um die Macht" als echte Sorge um den richtigen Glauben) und in die Tendenzen eines Teils vor allem der neueren Literatur sich gut einzufügen wissen.

Ein Beispiel mag dies illustrieren: Just enttarnt den angeblichen Einfluss des Eusebius von Nikomedien am Hof Konstantins des Großen nach der Rückkehr aus der Verbannung im Jahre 328 als eine Folge der Darstellung des Athanasius und weist auf die "dogmatische" Entwicklung Konstantins in Richtung auf die gemäßigten Subordinatianer noch vor der Rückkehr Eusebs, also ohne dessen Einwirkung, hin (vgl. S. 39-41; S. 149-152). Der Kaiser habe in dieser Neuausrichtung auf eine von ihm als mehrheitsfähig eingeschätzte Position eine Möglichkeit gesehen, die Glaubenseinheit des Reiches zu fördern. Während Athanasius den Bruch des Kaisers mit ihm zu Unrecht auf den Einfluss des Eusebius am Hof zurückführte, um die Schuld hierfür nicht Konstantin selber anzulasten, blieb der Bischof von Nikomedien wegen seiner früheren Verbindungen zu Licinius in den Augen des Kaisers nach wie vor eine politisch missliebige Person, was Just durchaus einsichtig zu machen versteht.2

Die materialreichen Untersuchungen des Verhältnisses von Staat und Kirche zur Zeit Konstantins des Großen und vor allem seines Sohnes Constantius II. verlaufen generell auf diese oder ähnliche Art, so dass Just die Interaktionen von Kaisern und Bischöfen in dem Zeitraum der dreieinhalb Jahrzehnte von 325 bis 361 im Sinne ihrer Zielsetzung gut auszuleuchten und durchweg plausibel zu begründen vermag. Gegenüber diesem respektablen Niveau fallen die Schlusskapitel in den beiden Teilen über das Verhältnis zwischen Kaiser Theodosius und Bischof Ambrosius von Mailand deutlich ab. Zunächst liegen die wesentlichen Kontakte zwischen diesen beiden Kontrahenten jenseits von Justs abgestecktem Zeitrahmen mit dem Schlusspunkt durch das Konzil von Konstantinopel im Jahre 381. Auch das Verhältnis zu arianischen Richtungen spielt in den Beziehungen zwischen dem Kirchenrepräsentanten und dem Kaiser keine Rolle; dazu hätte Just sich um die Kontakte zwischen Ambrosius und Valentinian II. bemühen müssen. Wenn es dogmatische Unterschiede zwischen Theodosius und Ambrosius nicht gab, bleibt nur das jetzt nicht mehr auf dem Hintergrund des arianischen Streites ausgetragene "Spiel um Macht" übrig, wie es gerade in der neueren Literatur zu Ambrosius intensiv herausgestellt worden ist.3 Passt die Darstellung Justs schon nicht in den Zeitrahmen - die, so hat man den Eindruck, ersatzweise bemühte Parallelität zwischen Ambrosius und Eusebius von Caesarea (vgl. S. 124f.) wirkt etwas weit hergeholt -, vermag sie auch über die bekannten Ansätze in der jüngsten Literatur hinaus nichts Erhellendes zur Sache beizutragen. Sie bietet keine wirkliche Interpretation, keine eigene Auseinandersetzung mit Quellen, übernimmt und skizziert vielmehr lediglich die Ergebnisse anderer.

Dabei böten die Auseinandersetzungen zwischen Theodosius und Ambrosius, wenn man die Affäre von Kallinikon und das Blutbad von Thessalonike schon behandelt, obwohl sie zum Themenrahmen nicht unbedingt dazugehören, auch die Gelegenheit herauszustellen, dass diese Machtproben nach dem Ende der Auseinandersetzung um die Subordinatianer anderen, neuen, in die Zukunft des Verhältnisses von Kirche und Staat weisenden Zielen dienten (Kaiser als Mitglied der Kirche, humilitas als Herrschertugend). Selbst so ambrosiuskritischen Althistorikern wie Frank Kolb schießen Bewertungen der Art, Theodosius habe den Mailänder Bußakt "in einen 'public relations triumph' umwenden" 4 können, weit über das Ziel hinaus.5 Die Reflexion über das Neue an der Auseinandersetzung fehlt aber bei der Erörterung des Verhältnisses zwischen Theodosius und Ambrosius durch Just; was wie ein Nachspiel um die Macht nach dem arianischen Streit abgehandelt wird, ist in Wirklichkeit schon weit mehr als das Vorspiel zu einer neuen Runde, deren Voraussetzung die Beendigung der dogmatischen Auseinandersetzung war und die zur Neupositionierung des Kaisers in der einen Kirche führte, damit aber den Grund für eine neue Ausrichtung des Verhältnisses von Staat und Kirche legte. Dieser Weg war versperrt, solange die Kircheneinheit nicht als wirklich hergestellt gelten konnte. Die Chance, mit dem Thema Ambrosius und Theodosius auf die neue Qualität in der machtpolitischen Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche hinzuweisen, hat Just vertan. Sie verwendet es nur als Schlusspunkt oder Nachspiel eines schon vorher beigelegten Streites, so dass sie in Vorstellungskategorien befangen bleibt, die von der Vergangenheit diktiert werden - und damit wird man Theodosius und Ambrosius nicht gerecht.

Von dieser Einschränkung abgesehen, hat Justs Untersuchung durchaus positive Einzel- und Gesamtergebnisse: Sie kann nachweisen, dass die Kaiser selbst gegenüber den so genannten Hofbischöfen eigenständig agierten, die Exilierung von Bischöfen aus politischen Gründen ausgesprochen wurde, die dogmatische Position von Bischöfen und Kaisern ihr Verhältnis zueinander kaum beeinflusst hat, weil nicht zuletzt das Handeln von Bischöfen und Kaisern realpolitisch bzw. pragmatisch fundiert war, selbst auf den Reichssynoden. Die Untersuchung will sichtbar machen, "dass [...] dem Faktor der Machtpolitik im Verhältnis von Bischöfen und Kaisern, und damit zugleich von Kirche und Staat im 4. Jahrhundert, wesentlich mehr Bedeutung zukommt als bisher angenommen" (S. 229). Damit liegt Just auf der Linie einer generellen Tendenz bezüglich ihrer Einschätzung der Rolle der christlichen Kirche im Rahmen der spätantiken Gesellschaftsverhältnisse und folgt einer ganzen Reihe von Einzelforschungen der letzten Zeit, die sie in einen Zusammenhang einordnet und in der zentralen Frage des Verhältnisses von Kirche und Staat in den Jahren der dogmatischen Auseinandersetzung zwischen Nizänern und Subordinatianern von 325 bis 381 zu einem Gesamtbild zu vervollständigen sucht. Über Einzelergebnisse Justs und Bewertungen mag man mit Fug und Recht streiten, nicht aber über zwei den Lektürefluss behindernde Einschränkungen: Mehr als einmal zeigt sich, dass Just mit der Interpunktion auf Kriegsfuß steht. Darüber hinaus leistet sie sich stilistische Unebenheiten und grammatische Fehler in der deutschen Sprache, die den Eindruck mangelnder Eleganz in Aufbau und Argumentationsfolge auch im Kleinen betont. Nicht von ihr zu verantworten wird das blasse Druckbild sein, das zu Entzifferungsschwierigkeiten namentlich bei griechischen Textpassagen führt.

Anmerkungen:
1 Vgl. beispielsweise diverse Arbeiten von Timothy D. Barnes; ferner Drake, Harold Allen, Constantine and the Bishops. The Politics of Intolerance, Baltimore 2000.
2 Gegen die communis opinio beruft sich Just (S. 149, Anm. 96; S. 151, Anm. 109) für die Einschätzung von Eusebs Einfluss beim Kaiser auf Warmington, B. H., Did Constantine Have "Religious Advisers"?, StPatr 19 (1989), S. 117-129, und stützt dessen Standpunkt mit weiteren Argumenten ab.
3 Vgl. McLynn, Neil B., Ambrose of Milan. Church and Court in a Christian Capital (The transformation of the classical heritage 22), Berkeley 1994; Groß-Albenhausen, Kirsten, Imperator christianissimus. Der christliche Kaiser bei Ambrosius und Johannes Chrysostomus (Frankfurter Althistorische Beiträge 3), Frankfurt am Main 1999.
4 S. 201 mit Bezug auf McLynn (wie Anm. 3), S. 323.
5 Vgl. Kolb, Frank, Herrscherideologie in der Spätantike (Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt), Berlin 2001, S. 135.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension