B. Sösemann (Hg.): Öffentliche Kommunikation

Titel
Öffentliche Kommunikation in Brandenburg/Preußen. Eine Spezialbibliographie


Herausgeber
Sösemann, Bernd
Reihe
Beiträge zur Kommunikationsgeschichte 13
Erschienen
Stuttgart 2002: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
365 S.
Preis
€ 48,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Rosseaux, Lehrstuhl für Sächsische Landesgeschichte, Technische Universität Dresden

Zu den Indizien für die Bedeutungszunahme einer Forschungsrichtung gehört die Veröffentlichung von thematisch entsprechend spezialisierten Bibliografien. Für die Kommunikationsgeschichte wurde eine solche von Bernd Sösemann und Albrecht Hoppe vorgelegt, welche die Bezeichnung Spezialbibliografie in doppelter Hinsicht beansprucht. Zum einen durch die thematische Fokussierung auf die öffentliche Kommunikation und zum anderen durch eine räumliche Beschränkung auf Brandenburg/Preußen. Dass es noch eine weitere Spezialisierung gibt - eine chronologische Eingrenzung auf die Zeit "vom 16. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts", erfährt man allerdings erst auf S. 35. Zuvor findet der Benutzer einen Aufsatz von Albrecht Hoppe, der Überlegungen zu einer internetgestützten Literaturdatenbank zur allgemeinen preußischen Geschichte präsentiert (S. 9-34). Welchen Bezug dieser Text zur nachfolgenden Spezialbibliografie besitzt, ist nicht ersichtlich. Sie wird dort nicht behandelt, ja nicht einmal erwähnt, und umgekehrt ist nicht erkennbar, dass der Inhalt des Aufsatzes eine Rolle bei ihrer Zusammenstellung gespielt hat.

Wie jede Bibliografie muss sich auch diese Spezialbibliografie an ihrer Vollständigkeit und Benutzbarkeit messen lassen. Zusätzlich gilt es die Umsetzung der inhaltlichen, räumlichen und chronologischen Schwerpunkte zu bewerten. Um es kurz zu machen: Das Ergebnis fällt insgesamt unbefriedigend aus. Die Schwierigkeiten beginnen bei der Chronologie. Abgesehen davon, dass es wenig benutzerfreundlich ist, auf dem Buchtitel eine zeitlich nicht limitierte Spezialbibliographie anzukündigen, um dann tatsächlich nur eine solche für den Zeitraum zwischen dem 16. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts zu liefern, bleibt die chronologische Zuständigkeit trotz dieser Präzisierung unklar. Die zur Festsetzung des Beginns herangezogene Formulierung von der "Wende vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit" (S. 37) verschleiert mehr als sie erhellt. Gemeint ist vermutlich eine Art weicher Einstieg, der mit ca. 1500 anzusetzen wäre. Sicher ist das aber nicht, denn bekanntlich konkurrieren mehrere Daten damit, den Beginn der Neuzeit darzustellen. Die Spanne reicht hier von 1453 - dem Fall Konstantinopels - bis 1517 - dem Beginn der Reformation, so dass man letztlich ohne gesicherte Information über den Beginn des Zeitabschnitts bleibt, den diese Bibliografie im Blick hat. Diese Unschärfe hat offensichtlich Methode, denn sie wiederholt sich beim Ende des Beobachtungszeitraums. Hier offerieren Herausgeber und Bearbeiter den bemerkenswerten Satz (S. 38): "Der Endpunkt liegt beim Krieg von 1914/18 und der Revolution von 1918/19." Wo genau, bleibt der Phantasie des Benutzers überlassen. Der lasche Umgang mit wichtigen Zeitinformationen setzt sich im übrigen beim Redaktionsschluss fort, zu dem erst gar keine Angaben gemacht werden. Dass derart zentrale Informationen fehlen, ruft Erstaunen und Unmut hervor, zumal ein einziger knapper Satz hier Klarheit hätte schaffen können.

Strukturell ähnliche Probleme kennzeichnen auch die Umsetzung der räumlichen Spezialisierung. Man hätte erwarten können, dass die mehrfachen territorialen Wandlungen Brandenburg/Preußens zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert in der Gliederung der Bibliografie entsprechende Berücksichtigung erfahren. Dies würde bedeuten, die thematischen Hauptsektionen in chronologisch definierte Untersektionen aufzugliedern, die sich an den Etappen der territorialen Veränderungen orientieren. Dieser Weg ist aber nicht beschritten worden, was um so erstaunlicher ist, als die im Beitrag von Hoppe vorgestellte Gliederung der Gesamtbibliografie zur Geschichte Brandenburg/Preußens eben diese Lösung für das Problem des zeitlich differierenden Territorialstands vorsieht. Stattdessen verfügen von den 18 thematischen Hauptsektionen der Bibliografie nur drei über eine chronologische Differenzierung, wobei in der Regel grob zwischen der Frühen Neuzeit (16. - 18. Jahrhundert) und der neueren Geschichte (19./20. Jahrhundert) unterschieden wird. Ansonsten sind die Hauptsektionen entweder nicht oder nach räumlichen Kriterien untergliedert. Dabei wird nach westlichen, mittleren und östlichen Provinzen unterschieden, freilich ohne zu erläutern, welche Gebiete damit zu welcher Zeit gemeint sind. Die Durchsicht der entsprechenden Untersektionen liefert zwar zunächst einige Indizien dafür, dass sich diese Bezeichnungen auf den Gebietsstand Preußens nach 1815 beziehen könnten. Da aber beispielsweise in der Untersektion 14.3 - Theater und Musik/Mittlere Provinzen - auch Titel über Themen des 17. und 18. Jahrhunderts aufgeführt werden (vgl. als Beispiel die Nr. 4675, 4676, 4736), bleibt man letztlich ratlos zurück. Um sicherzugehen, keinen relevanten Titel übersehen zu haben, ist der Benutzer im Zweifelsfall gezwungen, alle für das jeweils recherchierte Thema auch nur ansatzweise in Frage kommenden Haupt- und Untersektionen durchzusehen. Die angebotene Gliederung stellt mit ihren räumlich wie zeitlich unklaren Bezugsgrößen hierbei keine Hilfe dar.

Das größte Manko dieser Spezialbibliografie zur öffentlichen Kommunikation in Brandenburg/Preußen besteht jedoch darin, dass es ihre Zusammensteller unterlassen haben, den Gegenstand ihres Interesses hinreichend genau zu definieren. Die Problematik, die in der Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit des Begriffs ‚öffentliche Kommunikation’ liegt, wird stillschweigend übergangen. Es hieße zwar falsche Maßstäbe anzulegen, eine Lösung der damit verbundenen Schwierigkeiten ausgerechnet von einer Bibliografie zu verlangen. Eine plausible Erklärung der Verantwortlichen, warum sie welche Themenfelder berücksichtigt, andere hingegen außer Acht gelassen haben, wird man gleichwohl mit Recht erwarten dürfen. Der Benutzer wird allerdings auch hier enttäuscht und stattdessen mit der gleichen Schwammigkeit beschieden wie bei den zeitlichen und räumlichen Parametern. Immerhin lässt die Betrachtung der Gliederung vermuten, dass ein Ansatz gewählt wurde, der neben den klassischen Druckmedien auch Formen der öffentlichen Festkultur sowie zumindest in einer Untersektion (9.11 Reden und öffentliche Sprache) auch orale Kommunikationsformen berücksichtigt. Hinzu kommt der Bereich der symbolischen Kommunikation, der mit drei Hauptsektionen (5. Höfische Repräsentation und Zeremoniell, 17. Politische Symbolik, Kult und Ritus, 18. Denkmäler) vertreten ist. Der inhaltliche Schwerpunkte der Bibliografie liegt gleichwohl in der Publizistik- und (Druck-)Mediengeschichte (Hauptsektion 9). Hier liegt denn auch eine der wenigen Stärken des Werks, insbesondere die ausführliche Untersektion 9.3 mit den biografischen Studien zu einzelnen Publizisten ist hervorzuheben. Hingegen fehlen gesonderte Sektionen zu öffentlichen Räumen (Plätze, Kirchen, Gasthäuser u.ä.), zur Rolle von Bauwerken und Architektur als öffentlichen Zeichen sowie zum weiten Bereich der öffentlichen Festkultur. Die Hauptsektion 13 (Feste und Veranstaltungen) schöpft die Möglichkeiten dieses Themengebiets bei weitem nicht aus, sondern konzentriert sich weitgehend auf die politischen Feste, ergänzt um einige wenige Titel zu Turn- oder Schützenfesten und zum Karneval. Wobei es zu den bereits bemängelten Ungenauigkeiten passt, dass zu letzterem mit den Arbeiten von Michael Müller (Nr. 4505) und Herbert Schwedt (Nr. 4526) lediglich ältere bzw. oberflächliche Aufsätze genannt werden, während die neue umfassende Monografie zu diesem Thema von Christina Frohn fehlt.1

Insgesamt leidet die thematische Aufgliederung der Bibliografie erkennbar unter dem Verzicht auf eine inhaltliche Konturierung des Begriffs ‚öffentliche Kommunikation’. So findet sich in der Hauptsektion 2 unter der Überschrift "Gesellschaft, Kultur und öffentliches Leben" ein Sammelsurium von 58 Titeln, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, in keine der anderen Abteilungen zu passen. Das Spektrum reicht von einem Beitrag zur Rolle der Berliner Prostitution in Reiseberichten des späten 18. Jahrhunderts (Nr. 37) über allgemeine Werke zur Fragen des Kulturtransfers (Nr. 54, 67) bis hin zur Sozialgeschichte Berlins zwischen 1650 und 1800 (Nr. 82). Warum all dies zur öffentlichen Kommunikation gerechnet wird, erschließt sich nicht wirklich. Dies gilt insbesondere für die zuletzt genannte Stadtgeschichte. Nimmt man dieses Werk auf, müsste man konsequenterweise jede ähnlich angelegte Arbeit über eine in Brandenburg/Preußen gelegene Großstadt aufführen. Da das aber nicht geschehen ist, bleibt die - unbeantwortete - Frage, mit welchen Inklusions- und Exklusionskriterien gearbeitet wurde.

Alles in allem gilt es daher festzuhalten, dass diese Spezialbibliografie zur öffentlichen Kommunikation in Brandenburg/Preußen den Ansprüchen, die man an ein solches Werk stellen darf und muss, nicht gerecht wird. Die zeitlichen, die räumlich - territorialen und die inhaltlichen Parameter sind zu unklar, als dass dieses Bücherverzeichnis ein brauchbares Hilfsmittel darstellen kann.

Anmerkung:
1 Frohn, Christina, Der organisierte Narr. Karneval in Aachen, Düsseldorf und Köln von 1823 bis 1914, Marburg 2000.

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