F. Sattler: Wirtschaftsordnung im Übergang

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Titel
Wirtschaftsordnung im Übergang. Politik, Organisation und Funktion der KPD/SED im Land Brandenburg bei der Etablierung der zentralen Planwirtschaft in der SBZ/DDR 1945-52


Autor(en)
Sattler, Friederike
Reihe
Diktatur und Widerstand 5
Erschienen
Berlin 2002: LIT Verlag
Anzahl Seiten
1036 S.
Preis
€ 55,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lutz Prieß, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Die vorliegende Publikation ist ein bemerkenswerter Beitrag zu dem von der VolkswagenStiftung geförderten Projekt „Die Parteiführung der SED und ihr zentraler Apparat. Zur Struktur, Funktion und Entwicklung der politischen Machtzentrale in der SBZ/DDR“ am Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin. Das umfangreiche Werk besteht aus zwei Teilbänden, gegliedert in vier Kapitel mit insgesamt 35 Unterkapiteln sowie einem sehr ausführlichem Anhang.

Der erste Band umfasst Vorwort, Einleitung und drei Kapitel: I. „Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Ausgangslage“ (S. 47-137), II. “Die Ausbildung planwirtschaftlicher Strukturen auf der Landesebene (1945-1947/48)“ (S. 139-422), III. „Der Übergang zur zentralen Planwirtschaft und die Aushöhlung des Föderalismus (1948-1952)“ (S. 423-556). Der zweite Band setzt das dritte Kapitel (S. 557-811) fort und enthält das Kapitel IV „Ergebnisse: Funktionen einer KPD/SED-Landesorganisation beim Übergang zur zentralen Planwirtschaft in der SBZ/DDR“ (S. 813-846) sowie informative Anhänge mit Tabellen- und Abbildungsverzeichnis, Strukturübersichten, Kurzbiografien, Quellen und Literatur, Personenregister und Abkürzungsverzeichnis.

Sattler untersucht in ihrer für den Druck „nur geringfügig“ überarbeiteten Dissertation den Wandel der Wirtschaftsordnung in der Provinz/im Land Brandenburg zwischen 1945 und 1952. Ihr Verdienst besteht darin, dass sie die nach dem Ende des Nationalsozialismus neu entstandene Wirtschaftsordnung im Osten Deutschlands am Beispiel von Brandenburg im historischen Werden als einen komplexen sozialökonomischen Interaktionsprozess analysiert und darstellt. In ihrer Einleitung (S. 11-45) setzt sie sich ausführlich mit bisherigen Forschungsergebnissen und methodologischen Herangehensweisen der Transformationsforschung auf diesem Gebiet auseinander und begründet ihren eigenen Forschungsansatz. Sie unternimmt nach eigenen Worten den Versuch, das institutionsökonomische Modell zur Erklärung des Wandels von Wirtschaftssystemen „erstmals systematisch – allerdings eingeschränkt auf die spezielle Frage nach der Funktion einer KPD/SED-Landesorganisation für die Etablierung der zentralen Planwirtschaft der SBZ/DDR – auf einen Transformationsprozeß unter umgekehrtem Vorzeichen anzuwenden“ (S. 17f.).

Sattler beschreibt sehr detailliert und faktenreich die Planungs-, Lenkungs- und Kontrollmechanismen bei der Veränderung der Eigentumsordnung im Agrarsektor, in Handwerk und Gewerbe sowie in der Industrie der Provinz/des Landes Brandenburg im o.g. Untersuchungszeitraum. Der Aufbau der zentralen Planwirtschaft am Beispiel der Wirkungsweise der staatlichen Leitung und Kontrolle, einschließlich des wirtschaftspolitischen Einflusses der Verwaltung der Sowjetischen Militäradministration Brandenburg (SMABr.), ist ein weiteres Untersuchungsfeld. Dem Leser werden u.a. viele Detailerkenntnisse über die wirtschaftspolitische Tätigkeit der SMABr. und deren Nachfolgerin, die Sowjetische Kontrollkommission Brandenburg, vermittelt (siehe auch Strukturübersichten S. 893-898).

Indirekt offenbart die Untersuchung aber auch, dass es leider immer noch keine auf dem neuesten Stand der Aktenauswertung russischer und deutscher Archive basierende Darstellung der Geschichte, Struktur und Arbeitsweise der Verwaltung der Sowjetischen Militäradministration Brandenburg gibt.

Die zentrale Frage der Arbeit von Sattler ist die nach dem Anteil der KPD/SED bei der Etablierung der zentralen Planwirtschaft. In zwei „Zwischenbilanzen“ wird die Entwicklung des KPD/SED-Parteiapparates im Land Brandenburg zusammenfassend umrissen (erste Zwischenbilanz für die Zeit 1945/46 siehe S. 387-422 und zweite Zwischenbilanz für die Zeit bis 1952 siehe S. 765-811). Im vierten und abschließenden Kapitel resümiert Sattler ihre Ergebnisse über die Funktionen der Brandenburgischen KPD/SED-Landesorganisation beim Übergang zur zentralen Planwirtschaft in der SBZ/DDR. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass die Funktion der Landesparteiorganisation „vor allem als Instrument zur Durchsetzung neuer Regeln der Wirtschaftsordnung bestimmte Stärken aufwies und zwar in personeller und organisatorischer Hinsicht als Hilfsorgan der Exekutive, dass sie als Instrument zur Durchsetzung neuer interner Regeln des Wirtschaftens insgesamt nur mäßige Erfolge erzielen konnte – mit einer wichtigen Ausnahme: der Durchsetzung des von der sowjetischen Seite geliehenen und garantierten politischen und somit auch wirtschaftspolitischen Machtmonopols der SED“ (S. 841 f.).

Die Stärken der Untersuchung liegen für den Rezensenten in der konkret-historischen und gleichermaßen komplexen Herangehensweise bei der Analyse des Zusammenspiels von sowjetischer Militärverwaltung, deutscher Landesverwaltung und KPD/SED im Ablauf des Transformationsprozesses der Wirtschaftsordnung.

Sattler bewältigte das immense Material der wirtschaftspolitisch entscheidenden Institutionen, das im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA) und in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-Barch) zugänglich ist. Ebenso wie die Darstellung insgesamt, enthält der Anmerkungsapparat zahlreiche wertvolle Informationen für den interessierten Leser. Besonders nützlich sind die insgesamt fünfzehn Strukturübersichten, die bisher bekanntes Wissen durch zusätzliche Informationen, die aus Einzelangaben rekonstruiert wurden, ergänzen und bereichern ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu stellen. Dazu gehören neun Übersichten zu verschiedenen Strukturen des Parteiapparates von KPD/SED auf Landesebene 1945-1952, zwei Übersichten über die SMA und SKK Brandenburg und vier Übersichten zur staatlichen Verwaltung auf Landesebene. Die Kurzbiografien umfassen nicht nur, aber hauptsächlich, Personen, die für die Wirtschaftspolitik im Land Brandenburg zwischen 1945 und 1952 Bedeutung erlangten.

Für den Rezensenten bleibt jedoch unverständlich, warum die Biografie des ersten Präsidenten und Ministerpräsidenten der Provinz/des Landes Brandenburg Dr. Karl Steinhoff (S. 964f.), der in und für Brandenburg zwischen Juli 1945 und Oktober 1949 wirkte, nur sieben Zeilen umfasst, aber die im Text folgende Kurzbiographie von Willi Stoph (kein Landespolitiker in Brandenburg) 21 Zeilen. Für an der Person und dem Schicksal von Steinhoff interessierte Leser verweist der Rezensent auf ein Essay von Fritz Reinert. 1

Zusammenfassend möchte der Rezensent das Werk nicht nur Wirtschaftshistorikern, wie vielleicht der Titel nahe legen könnte, sondern allen an Landes- und SBZ/DDR-Geschichte interessierten Lesern empfehlen.

Anmerkung:
1 Reinert, Fritz, „Eine Generallinie haben und mit Gewissenhaftigkeit das tun, was der Augenblick erfordert“. Zum 110. Geburtstag des gescheiterten ostdeutschen Staatsmannes Carl Steinhoff, in: Deutschland Archiv 1 (2003), S. 85-98.

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