P. Schmidt: Spanische Universalmonarchie

Titel
Spanische Universalmonarchie oder "teutsche Libertet". Das spanische Imperium in der Propaganda des Dreissigjährigen Krieges


Autor(en)
Schmidt, Peer
Reihe
Studien zur modernen Geschichte 54
Erschienen
Stuttgart 2001: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
529 S.
Preis
€ 63,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jörg Ludwig, Archivverwaltung, Sächsisches Staatsministerium des Inneren

In einer Zeit, in der die USA als einzige verbliebene Supermacht einen weltweiten Führungsanspruch vertreten und der Meinung sind, ohne weiteres über das Schicksal der Staatengemeinschaft und einzelner Staaten entscheiden zu können, ist ein Buch aktuell, das sich mit der Wahrnehmung und Kritik globaler Führungsansprüche in der Vergangenheit auseinandersetzt. Ein solches Buch hat Peer Schmidt vorgelegt, derzeit Inhaber des Lehrstuhls für Lateinamerikanische und Südwesteuropäische Geschichte an der Universität Erfurt.

Schmidts Habil-Schrift (Eichstätt 1996) zeigt am Beispiel der Wahrnehmung Spaniens in Deutschland, dass Führungsansprüche einer Weltmacht bereits im 17. Jahrhundert von der Staatengemeinschaft nicht widerspruchslos hingenommen wurden, und es bedarf wenig Prophetie, um eine solche Abwehrhaltung auch für unsere nähere Zukunft vorauszusehen. Schmidts Analyse des vorgetragenen, vor allem aber des zurückgewiesenen spanischen Führungsanspruches beruht auf den während des 30jährigen Krieges in großer Anzahl erschienenen Flugschriften und Flugblättern.

Die Studie ist den Vorstellungen und Themen gewidmet, die in dieser Zeit mit Blick auf das spanische Imperium diskutiert und publizistisch genutzt wurden. Mit seinen Forschungen möchte Schmidt einerseits „Fehlstellen“ in der deutsch-spanischen bzw. deutsch-hispanoamerikanischen Geschichte jener Zeit auffüllen. Andererseits soll Spanien in den Darstellungen zur Ideen-, Politik- und Propagandageschichte des „deutschen“ 30jährigen Krieges endlich den ihm gebührenden Platz erhalten. Quellenbasis sind rund 270 spanienrelevante Flugschriften, wobei allerdings die Zahl der spanienfeindlichen Publikationen die der spanienfreundlichen bei weitem übersteigt. Die Ursache dafür sieht Schmidt vor allem im „Unrechtsbewußtsein“ der (böhmischen) Protestanten, die ihre Rebellion öffentlich rechtfertigen mussten.

Andererseits unterschätzte die katholische Seite offenkundig die Möglichkeiten der Druckschriftenpropaganda und der Beeinflussung der öffentlichen Meinung.
Was Schmidt nicht gelungen ist, ist die Erschließung von archivalischen Quellen, die über Ziele, Methoden und Erfolge der pro- oder antispanischen Druckschriftenproduktion Auskunft geben. Ob dazu vielleicht die Bestände des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden Auskunft gegeben hätten (Kursachsen war ja die protestantische Führungsmacht im Reich), muss offen bleiben, denn Schmidt hat das Hauptstaatsarchiv nicht benutzt.

Im ersten Kapitel seiner Arbeit untersucht Schmidt zunächst den politischen Rahmen für die Druckschriftenherstellung. Dabei wird insbesondere das Konzept der konfessionalisierten Außenpolitik diskutiert. Schmidt kommt zu dem Schluss, dass die Außenpolitik Spaniens mit dem Konfessionalisierungskonzept nur unzureichend erfasst werden kann. In einem zweiten Kapitel werden die Strukturen der Kommunikation analysiert. Angesichts der problematischen Quellenlage bleiben die Forschungsergebnisse zu den Autoren (vielfach erschienen die Flugschriften anonym oder pseudonym), den Druckern und Verlegern aber recht spärlich. Dies gilt auch für Aussagen zur Auflagenhöhe und zum Absatz sowie zu staatlicher oder kommunaler Steuerung. Nicht zuletzt wegen dieser problematischen Quellenlage bleibt der theoretisierende Abschnitt zur „Öffentlichkeit“ im Deutschland des 30jährigen Krieges eher hypothetischer, teilweise nebulöser Natur.

Den Hauptteil der Arbeit umfasst das dritte Kapitel, in dem der Antihispanismus in den Flugschriften untersucht wird. Als ein zentrales Element antispanischer Propaganda arbeitet Schmidt zunächst den an Spanien gerichteten Vorwurf heraus, nach der „Universalmonarchie“ bzw. der Weltherrschaft zu streben. Die protestantischen Publizisten suchten ihre Leser davon zu überzeugen, dass ein spanisches „Dominat“ Frieden und Recht in Europa dauerhaft gefährden würde. Dabei ließen es die Flugschriften nicht an der Hervorhebung angeblicher negativer Charaktereigenschaften „des“ spanischen Volkes fehlen. Die spanienfeindliche „Leyenda negra“, die ihren Ursprung in Italien hatte und später von den aufständischen Holländern „verfeinert“ und verbreitet wurde, bot dazu ein reiches argumentatives Angebot.

Die deutschen Flugschriften hoben die Grausamkeit spanischer Truppen, den katholisch-gegenreformatorischen Eifer der Spanier und ihren Hang zu Müßiggang und zur Intrige hervor. Zur Beweisführung benutzte die antispanische Propaganda auch Beispiele spanischer Gräueltaten in Amerika. Dass die Neue Welt im protestantischen Deutschland des 30jährigen Krieges aber so intensiv wahrgenommen worden sein soll, dass „für die deutschen Protestanten [...] der amerikanische Ureinwohner somit zum Leidensgenossen [wurde]“ (S. 293), muss Zweifel erwecken. Die literarischen Ausschmückungen einzelner Flugschriften dürfen nicht so ausgedeutet werden, als ob sie das Gedankengut ganzer Landstriche gewesen sind.

Das vierte, vorletzte Kapitel der Arbeit widmet sich der Darstellung Spaniens in Flugblättern - und was erstaunt - in Liedern. Durch den Abdruck spanienrelevanter „Fliegender Blätter“ gewinnt das Buch sehr an Lebendigkeit und historischem Kolorit. Bei der sicher schwierigen Interpretation des „Bildprogrammes“ der Flugblätter mag man Schmidt allerdings nicht immer folgen. Kurios ist die Fehldeutung auf S. 367-68, wo der Kompass in der Hand eines Holländers als „(vielleicht?) ein Stück Käse“ gedeutet wird, obwohl die Bildunterschrift klar und deutlich von „Compass“ spricht.

Hat sich Schmidt auf fast 400 Seiten mit Rahmenbedingungen, Strukturen und Elementen vorrangig antispanischer Propaganda befasst, so geht er abschließend der Frage nach, wie Spanien auf die publizistischen Attacken der deutschen Protestanten reagierte. Das Ergebnis der Untersuchung fällt nüchtern aus: Madrid nahm die deutschen Flugschriften kaum wahr, geschweige denn, dass es sich um Abwehrmaßnahmen bemühte. Wenn Spanien in Flugschriften verteidigt wurde, dann entstammten die Pasquillen kaiserlichen Kreisen. Dass die iberische Weltmacht keine populäre Werbung für ihre Politik betrieb, hält Schmidt für ein ernstzunehmendes Versäumnis (S. 437). Als Medium publizistischer Selbstverteidigung diente Spanien nicht die schnell auf den Markt geworfene Flugschrift, sondern die gründliche und voluminöse Abhandlung theologischen oder politischen Inhalts, die, von Gelehrten verfasst, sich wieder an Gelehrte richtete.

Alles in allem kann Schmidts Buch als ein gelungenes, gut unterrichtetes Werk gelten. Dem insbesondere an deutsch-spanischer Geschichte interessierten Leser ist es sehr zu empfehlen. Getrübt wird die Lesefreude allerdings durch eine gewisse Langatmigkeit und epische Breite.

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