J. Gens u.a.: Das Poblicius-Denkmal

Cover
Titel
Das Poblicius-Denkmal. Köln in augusteischer Zeit


Autor(en)
Gens, Josef; Krüssel, Hermann
Erschienen
Anzahl Seiten
428 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Werner Eck, Institut für Altertumskunde-Alte Geschichte, Universität zu Köln

Die Jahre 1965 bis 1967 bereicherten die Geschichte des römischen Köln und vor allem die Archäologie der Stadt um eines ihrer spektakulärsten Monumente. In der Nähe des Severinstors an der ehemaligen römischen Straße nach Bonn wurden insgeheim von mehreren jungen Leuten viele fast unversehrte Teile eines gewaltigen Grabmonuments ausgegraben. Es war das Grabmal des römischen Legionsveteranen Lucius Poblicius, dessen Rekonstruktion heute einen herausragenden Platz im Römisch-Germanischen Museum Kölns einnimmt.

Dass die intensive Beteiligung an dieser zwar illegalen und gefährlichen, aber am Ende so erfolgreichen Ausgrabung Josef Gens, der zusammen mit anderen das Grabmal entdeckt und ausgegraben hatte, nie mehr ganz losließ, ist gut verständlich, ebenso seine Begeisterung für dieses Monument. Nach dem Ende seines Berufslebens widmete Gens sich wieder dem Grabmal, wozu er bereits im Jahr 2013 ein Buch mit dem bezeichnenden Titel „Grabungsfieber“ vorgelegt hat. Diesem Werk folgt nun ein weiteres, das zusammen mit Hermann Krüssel, Lateinlehrer an einem Aachener Gymnasium, verfasst wurde.

Man könnte das Fazit des Buches vielleicht so formulieren: Die bisherigen Forschungen zum Poblicius-Grabmal, ob von archäologischer oder historischer Seite, sind mehr oder weniger falsch.1 Das betrifft einerseits die Rekonstruktion des Grabmals selbst, wobei besonderer Wert auf die Aufstellung der Statuen und auf die Gesamthöhe gelegt wird. Das betrifft auch das Verständnis der Inschrift, die Auswertung der Reliefs an den Seiten sowie des umlaufenden Frieses unterhalb der Aedicula. Nach Ansicht der Verfasser trifft vor allem auch die bisherige Datierung etwa in die claudische Zeit nicht zu. An die Stelle der bisherigen Forschungsergebnisse stellen sie ihre eigenen, die aber, um es klar und deutlich zu formulieren, aus ihrem Wunschdenken hervorgehen, Lucius Poblicius zu einer einmaligen Erscheinung des frühesten Köln zu machen. Sie resultieren aus unbegründeten Hypothesen, aus der Vernachlässigung von begründeten Annahmen der bisherigen Forschung und dem Fehlen jeglicher methodischer Grundlagen bei der Auswertung der jeweiligen Quellenarten. Hinzukommen zahlreiche Exkurse zu Aspekten, etwa der lateinischen Literatur, die keinen realen Bezug zum Untersuchungsgegenstand haben.

Nach den Autoren gehört das Grabmal am ehesten noch in die augusteische Zeit. Lucius Poblicius ist nicht ein normaler Veteran, er hat sich vielmehr „als würdig erwiesen, zur Oberschicht zu gehören und eine Führungsrolle im aufstrebenden Oppidum Ubiorum zu übernehmen. Lucius Poblicius als Vermittler von Kultur und im Einsatz für seine Stadt als Wohltäter: Was für ein Vorbild könnte dieser Lucius Poblicius in der heutigen Zeit sein.“ (S. 323) Ausgangspunkt der Aussagen zu seiner Person ist seine Zugehörigkeit zur gens Poblicia, deren senatorische Vertreter des 2. und 1. Jahrhunderts v.Chr. in aller Breite behandelt werden.2 Vor allem hat es ihnen der Ädil Gaius Poplicius Bibulus angetan, dem der Senat in Rom vor der Porta Fontinalis ein noch heute sichtbares Grabmal errichtet hat (CIL I 834 = VI 1319 = 31599); er soll einer der Vorfahren des Kölner Poblicius gewesen sein (S. 147).3 „Erwähnenswert“, so die Autoren, „ist, dass Gaius Poblicius als Plebejer in republikanischer Zeit überhaupt ein Cognomen hatte. In der Regel sagte dieses Cognomen etwas über den Beruf oder die Eigenschaft des Namensträgers aus. Gaius Poblicius Bibulus oder einer seiner Vorfahren hatte offensichtlich mit der Trinkkultur zu tun; »bibulus« bedeutet gern trinkend, immer durstig. […] Mit einem Trunkenbold wird man ihn angesichts der Inschrift nicht verbinden dürfen, eher mit einer Tätigkeit, vielleicht als Weinhändler.“ (S. 108) Nach dieser Ausdeutung eines Cognomens müsste Cicero, der in der gleichen Zeit lebte wie Bibulus, ein Händler mit Kichererbsen gewesen sein! Irrige Voraussetzung ist es dabei, dass die Autoren automatisch davon ausgehen, alle Leute, die den Namen Poblicius trugen, gehörten zu einer gens, in der alle miteinander verwandt waren und dies auch gewusst hätten.4 Darauf beruht die von ihnen konstruierte Verbindung zwischen Poplicius Bibulus und Lucius Poblicius.

Das Ganze könnte man als einen dilettantischen Ausflug in die römische Onomastik abtun, wenn daraus nicht fundamentale Schlussfolgerungen für den Kölner L. Poblicius abgeleitet würden, mit abenteuerlichen Aussagen. Das stadtrömische Grabmal des Poblicius Bibulus gibt nämlich nicht nur Anlass, die Höhe des Kölner Grabmals um mehrere Meter zu verkleinern, aus dem Cognomen Bibulus und der mithilfe des Gentiles behaupteten Verbindung des Veteranen mit diesem „Vorfahren“ wird abgeleitet, der Veteran sei im Weinhandel tätig gewesen, wozu argumentativ auch die Darstellung eines Pan und einer Mänade, Begleitern des Dionysus, herangezogen wird. Allein aus der Größe des Grabmals wird sodann der aus dem Weinhandel stammende angeblich extraordinäre Reichtum abgeleitet, wiederum ohne jegliche weitere Überlegungen, ob dieser Schluss denn möglich oder nötig sei. Dass der Veteran vielleicht gar nicht so vermögend war, sondern einen wesentlichen Teil seines Besitzes in dieses Monument investiert haben könnte, wird nicht diskutiert.

Das Kölner Leben des Poblicius soll sich bereits vermutlich in augusteischer Zeit abgespielt haben. Dabei wird die Übersiedlung der Ubier, die durch die ubischen Münzen nun zwingend in die Jahre 19/18 v.Chr. datiert ist, einfach übergangen, wodurch man Freiraum gewinnt für eine ausgedehnte frühe Entwicklung des Oppidum Ubiorum. Um bei der Frühdatierung noch freier zu sein, wird postuliert, die legio V Alaudae (das Wort ist indeklinabel, trotz der Einwände der Autoren) sei schon um 17 v.Chr. in Spanien aufgelöst worden, was nachweislich nicht möglich ist. Poblicius aber soll so bereits damals als Veteran seinen Legionsdienst abgeschlossen haben, womit er viel Zeit hatte für sein Leben im frühen Köln. Wie er allerdings dorthin gekommen ist, dafür wird keine Erklärung gegeben. Doch durch diese Postulate kann ihm eine Führungsrolle im aufstrebenden Oppidum Ubiorum zugewiesen werden. Dazu wird für ihn eine offizielle Position konstruiert. Er soll Gladiatorenspiele gegeben haben; Beweis dafür sei der Waffenfries am Grabmal sowie eine mappa, die seine Statue in der Hand gehalten habe;5 mit dem Tuch sei das Zeichen zum Beginn von Gladiatorenspielen gegeben worden. Allerdings wird die mappa bei Circusrennen verwendet – der Hinweis bringt also nichts für die Thematik. Dazu wird dann weiter suggeriert, Poblicius könnte auch ein Amphitheater im oppidum errichtet haben (S. 309); nichts deutet darauf hin. Und damit die soziale Stellung noch erhöht wird, soll die toga des Poblicius eine praetexta gewesen sein, also mit einem Purpurstreifen, die nach dem 17. Lebensjahr nur Magistrate und Spielgeber tragen durften. Auch ein Modestus, der in der Grabinschrift genannt wird, soll eine solche getragen haben. Da dieser Freigelassener gewesen sein soll (was möglich, aber keineswegs sicher ist), wird er kurzerhand zum sevir Augustalis befördert, also einer Gruppe von Freigelassenen, die Spiele zu Ehren des Kaisers veranstalteten. Entgangen ist den Autoren dabei, dass es seviri nur in römisch organisierten Städten gegeben hat, also in Köln nicht vor der Koloniegründung im Jahr 50 n.Chr. Nur: das Grabmal soll ja längst vorher errichtet worden sein. Zudem spricht an den Statuen nichts für eine praetexta.6 All das ist eine ziemlich unerträgliche Mischung von Suggestionen und irrigen Interpretationen.

Wie dieses Buch von einem Verlag akzeptiert worden ist, bleibt schleierhaft. Wenn ein Lektor das Manuskript kritisch gelesen hätte, hätte ihm zumindest auffallen müssen, dass sich sehr viele Ausführungen und Behauptungen unnötigerweise mehrmals im Buch wiederholen; durch Konzentration wäre der Text sicher um ein Drittel kürzer geworden.7 Freilich, die Brauchbarkeit wäre dadurch nicht erhöht worden. Für die Frühgeschichte Kölns klärt es nichts, wird aber vermutlich neue Mythen fördern.

Anmerkungen:
1 Siehe die in der umfangreichen Literaturliste bei Krüssel und Gens (S. 402–425) zum Pobliciusgrab zitierten Werke beispielsweise von Gundolf Precht, Das Grabmal des Lucius Poblicius. Rekonstruktion und Aufbau. Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln, Köln 1975 und Brigitte Galsterer / Hartmut Galsterer, Die römischen Steininschriften aus Köln, Mainz 2010.
2 Was schlicht falsch ist, da Poblicius diesem ordo nicht angehörte.
3 In diesem Zusammenhang werden folgende irrige Angaben gemacht: a. Die Autoren behaupten, die römischen Münzmeister, monetales, seien jeweils von einem Quästor ernannt worden; tatsächlich wurden sie vom Volk gewählt. b. Nach den Autoren sollen in der Republik jährlich vier Münzmeister amtiert haben; doch nur unter Caesar hat es vier monetales gegeben; als Titel der vier Münzmeistern wird trotz ihrer Behauptung tresviri (!)monetales angegeben. c. Als monetalis wird auch ein M. Poblicius angeführt (S. 106f.), der aber kein Münzmeister war, der vielmehr als Legat des Cn. Pompeius Magnus iun. im Jahr 46 Münzen prägte. Dabei wird auch noch der auf den Münzen genannte Pompeius Magnus als der Vater angesehen, der schon zwei Jahre vorher getötet worden war; gemeint ist sein Sohn. d. Es wird auf einen Gaius Poblicius Malleolus verwiesen, der unter Domitian als Münzmeister amtiert haben soll; da wurde v.Chr. und n.Chr. verwechselt; denn um 91 v.Chr. ist ein IIIvir monetalis Maleolus bezeugt (Broughton I 450). Kaiserzeitliche Maleoli sind unbekannt. – All das darf man wohl unverständliches Chaos nennen.
4 S. 109 heißt es: „Poblicius bzw. Publicius findet sich vor allem in der Regio X, der Gegend um Venedig, bei vielen Freigelassenen des 3. Jahrhunderts v. Chr., die zuvor öffentliche Sklaven, servi publici, gewesen waren.“ Dass damals diese Region noch gar nicht unter römischer Herrschaft stand, weshalb es dort auch keine servi publici gegeben haben kann, die dann freigelassen wurden, stört die Autoren nicht. – Bezeichnend ist wohl auch, dass Inschriften nach Orelli zitiert werden, so S. 341 Orelli 4357; CIL VI 10236 ist deutlich anders!
5 Das Fragment mit der angeblichen mappa ist aber nicht mehr auffindbar.
6 Wenn das Ergreifen des Togabausches mit der Hand dies beweisen könnte, dann müssten auch die drei Personen von CIL XIII 8286 (aus Köln), darunter mindestens eine Frau, eine toga praetexta getragen haben!
7 Mit welcher Eile das Buch geschrieben ist, sieht man zum Beispiel an folgender Bemerkung (S. 322): „In der Inschrift nennt sich Lucius Poblicius gar im Nominativ“ (!), „d.h. es gibt nicht mal jemanden, auch nicht aus der eigenen Familie, der ihm (Dativ) dieses Grabmal gesetzt hätte.“ In der Inschrift steht der Name aber nicht im Nominativ, sondern im Dativ, wie an vielen Stellen im Buch ausgeführt.

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