Peripherie: Politik • Ökonomie • Kultur 42 (2022), 2

Titel der Ausgabe 
Peripherie: Politik • Ökonomie • Kultur 42 (2022), 2
Weiterer Titel 
Weltsystemanalyse – Ungleichheit verstehen

Erschienen
Leverkusen 2022: Barbara Budrich Verlag
ISBN
978-3-8474-2660-8
Anzahl Seiten
224 S.
Preis
Einzelheft: 19,00 €; Doppelheft: 29,90 €; Jahresabonnement: Personen: 36,00 € (Print), 44,00 € (Print + Online); Studierende: 29,90 € (Print), 37,00 € (Print + Online); Institutionen: 87,00 € (Print), 109,00 € (Print + Online), 109,00 € (Online); Einzelbeitrag im Download unter http://peripherie.budrich-journals.de: 4,00 €

 

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Institution
Peripherie: Politik • Ökonomie • Kultur
Land
Deutschland
c/o
PERIPHERIE Redaktionsbüro c/o Michael Korbmacher Stephanweg 24 48155 Münster Telefon: +49-(0)251/38349643
Von
Michael Korbmacher

Zu diesem Heft

Weltsystemanalyse -- Ungleichheit verstehen

Ungleichheit "definiert/kennzeichnet" die Gegenwart und hat, so UN-Generalsekretär António Guterres, das Potenzial, "Wirtschaften und Gesellschaften" zu zerstören. Einerseits fast schon ein Allgemeinplatz, andererseits in politischen und wissenschaftlichen Diskussionen zu aktuellen Krisen eine häufig unterschätzte Herausforderung der Gegenwart, ist das Niveau globaler sozialer Ungleichheiten erschreckend. Soziale Ungleichheiten drücken sich aus in zentralen Dimensionen wie Lebenschancen, Umweltbelastungen und den Möglichkeiten von Menschen, in andere Länder zu migrieren oder nicht. Auch wenn die sozialen Ungleichheiten global, also zwischen Nationalstaaten/Ländern seit der Jahrtausendwende etwas rückläufig sind, übersteigen sie doch deutlich das Ungleichheitsniveau innerhalb der meisten Einzelstaaten. Über die gängige Sozialstrukturanalyse hinaus sind daher Ansätze spezifisch zum Verständnis der globalen Gefälle der Lebens- und Arbeitsverhältnisse von großer Bedeutung.

Seit Jahrzehnten liefern Weltsystemansätze eine historische Perspektive auf die globalen Ungleichheits- und Abhängigkeitsverhältnisse im Kapitalismus. Damit richten sie das Augen-merk auf längerfristige Strukturen und Tendenzen. Aus der Entwicklungstheorie und der soziologischen globalen Ungleichheitsforschung sind diese Ansätze nicht mehr wegzudenken. Wichtige Varianten gehen neben Immanuel Wallerstein als wohl bekanntestem Vertreter auch auf André Gunder Frank, Giovanni Arrighi, Samir Amin, Maria Mies und Joan Smith zurück. Der gemeinsame Ausgangspunkt der durchaus divergierenden Konzepte ist neben einer historischen Herangehensweise ihre globale Perspektive. Dabei geht es ausdrücklich darum, jenen methodologischen Nationalismus zu vermeiden, der die Sozialwissenschaften überwiegend dominiert. Das bedeutet zum einen die Berücksichtigung übergreifender Wirkungszusammen-hänge und Kausalitäten. Zum andern heißt dies in entwicklungstheoretischer Hinsicht, dass nicht einzelne Verläufe isoliert voneinander betrachtet werden, sondern lokale Erscheinungen als Ausdruck spezifischer Wirkungsformen eben des Weltzusammenhangs verstanden werden. Ferner gehen Weltsystemansätze davon aus, dass die Wurzeln des Kapitalismus im Fernhandel und Kolonialismus liegen, nicht aber etwa in spezifischen Formen der Auflösung feudaler Verhältnisse. Daher erscheint der Kapitalismus im globalen Kontext ungleich strukturiert. Die hierarchischen Beziehungen verschiedener Regionen beschreiben diese Ansätze mit ihrem berühmten Drei-Zonen-Modell: Zentrum/Semiperipherie/Peripherie. Diese Zonen seien durch ungleichen Tausch untereinander konstituiert. Auch wenn das globale Weltsystem nicht sta-tisch, sondern krisenanfällig ist, sei ein Aufstieg von Ländern aus den Semi-/Peripherien ins Zentrum eher als Ausnahme zu betrachten.

Gleichzeitig waren die Weltsystemansätze von Anfang an umstritten. Bereits in den 1970er Jahren wandte sich Robert Brenner gegen das Kapitalismusverständnis insbesondere von Wallerstein und Frank, die mit ihrer Fokussierung auf Austauschbeziehungen und Zirkulation die entscheidende Bedeutung der Produktionsverhältnisse für die Durchsetzung des Kapitalismus vernachlässigen. Kritisiert wurde auch die Fixierung dieser Ansätze auf den Staat: Das Weltsystem werde in erster Linie als Hierarchie zwischen Staaten gedacht. Ferner berücksichtigten gerade die prominentesten Weltsystemansätze kaum oder gar nicht Handlungsspiel-räume innerhalb des Weltsystems. Schließlich wurde hinterfragt, ob es bei dieser starken Kon-zentration auf Nationalstaaten im Weltsystem tatsächlich gelingt, den methodologischen Nationalismus zu überwinden.

Nichtsdestotrotz liefern Weltsystemansätze wichtige Anknüpfungspunkte zur Analyse globaler Ungleichheiten im weitesten Sinne, weshalb sich die Forschung, die sich ausdrücklich in ihnen verortet oder von ihnen inspiriert ist und sie weiterentwickelt, mittlerweile weit auf-gefächert hat: vom Dekolonisierungs-Kollektiv Modernidad/Colonialidad über die Forschung zu Globalisierungsprozessen (z.B. zu transnationalen Konzernen und deren Einfluss/corporate power oder zu transnationalen globalisierungskritischen Bewegungen), die global labour studies, die globale Ungleichheitsforschung bis hin zur Umweltgeschichte und den Studien zum ungleichen ökologischen Tausch.

Die in diesem Schwerpunktheft versammelten Beiträge und Stichwörter untersuchen verschiedene Aspekte der Weltsystemanalyse und betonen die zentrale konzeptionelle Bedeutung sowie die Aktualität dieses Debattenfeldes.

Mittlerweile ist die Erforschung globaler sozialer Ungleichheiten auch in Teilen der Mainstream-Sozialwissenschaften angekommen. Die Forschung im Bereich der Weltsystemanalyse der letzten Jahrzehnte wird dabei meist ignoriert. Manuela Boatcă verdeutlicht, dass die Weltsystemanalyse nicht nur einen wichtigen konzeptionellen Beitrag zur Erforschung globaler sozialer Ungleichheiten geleistet hat. Sie hat auch die Kritik am Eurozentrismus und methodologischen Nationalismus, wie er von transnationalen und postkolonialen Ansätzen hervorgebracht wird, um mehrere Jahrzehnte vorweggenommen.

Vor dem Hintergrund der Wiederentdeckung der Dependenztheorie und der Neubewertung der internationalen emanzipatorischen Projekte der "Dritten Welt" unternimmt Robert Heinze eine Neu-Lektüre von Samir Amin. Dabei konzentriert er sich auf die Rolle der Nation in Amins Werk und argumentiert, Amins Verständnis der Nationen eigne sich entgegen der vielfach vorgebrachten Kritik als Ausgangspunkt einer antinationalistischen Kritik.

Jakob Graf arbeitet die Aktualität des Analysekonzepts der strukturellen Heterogenität heraus: Hierbei handele es sich um ein geeignetes Konzept, um Gesellschaften des Globalen Südens kapitalismuskritisch verstehen zu können, ohne ihnen die Kategorien der Zentrumsländer überzustülpen. Schließlich werde in vielen Ländern des Globalen Südens die soziale Reproduktion eines großen Teils der Bevölkerung in hohem Maße außerhalb des kapitalistischen Sektors geleistet. Daraus ergeben sich für Graf weitreichende Folgen für die dort bestehenden gesellschaftlichen Natur- und Klassenverhältnisse sowie für die zentralen Konfliktdynamiken in diesen Gesellschaften.

In seiner Untersuchung zum Ansatz der Weltökologie von Jason Moore distanziert sich Axel Anlauf von der Kritik insbesondere im deutschsprachigen Raum, die Moore eine Zusammenbruchstheorie unterstellt. Er argumentiert, Moore gebe insbesondere mit seinem Konzept der Ressourcen-Frontier wichtige Impulse für die Forschung zu Ressourcenpolitik und globalen Ungleichheiten. Um die Auseinandersetzungen verschiedener gesellschaftlicher Kräfte auf unterschiedlichen Ebenen untersuchen zu können, plädiert Anlauf dafür, den Weltökologieansatz in Verknüpfung mit der Forschung zu Warenketten bzw. Produktionsnetzwerken sowie der materialistischen Staatstheorie weiterzuentwickeln.

Maria Backhouse knüpft ebenfalls an Jason Moore an, konzentriert sich aber ausschließlich auf sein Ressourcen-Frontier-Konzept und erweitert es mit akteurszentrierten Ansätzen der Politischen Ökologie. Die gemeinsame Klammer bildet hierbei ein akteurszentriertes Verständnis der sog. ursprünglichen Akkumulation. Mit einem Fokus auf die Konflikte um Land-raub und Landzugangsrechte in der brasilianischen Amazonasregion skizziert Backhouse die Konfliktlagen seit den 1960er Jahren bis zur Regierung des extrem rechten Präsidenten Jair M. Bolsonaro. Abschließend diskutiert sie die Herausforderungen für den im Herbst 2022 knapp gewählten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.

In ihrer kritischen Analyse der jordanischen Sonderwirtschaftszonen für die globale Bekleidungsindustrie im Lichte des Jordan Compact knüpfen Stefanie Hürtgen & Maximilian Hofmann an die Weltsystemanalyse an und plädieren dafür, sie unter Berücksichtigung von Raumtheorien zu aktualisieren. Der Jordan Compact hat zum Ziel, die Region zu entwickeln und gleichzeitig Flüchtlinge zu aktivieren und zu integrieren. Aufgrund ihrer Analyse argumentieren die Autor:innen mit Blick auf die globalen Produktionsnetzwerke der Bekleidungsindustrie und die Arbeits- und Lebensbedingungen in den jordanischen Sonderwirtschaftszonen, dass ungleiche Entwicklung als glokal verfasster Prozess in den Blick genommen werden müsse. Multiskalare sozialräumliche Fragmentierung der Arbeits- und Reproduktionsbedingungen seien konstitutiv für die gegenwärtige neoliberale Globalisierung.

Die beiden Stichwörter von Reinhart Kößler zu Immanuel Wallersteins Weltsystemtheorie sowie von Maria Backhouse & Axel Anlauf zu Jason Moores Weltökologieansatz verweisen neben einer Einführung in die Konzepte auch auf die längerfristigen Hintergründe der Debatte. Dabei diskutieren sie neben den Stärken noch einmal die Widersprüche und Grenzen dieser Ansätze.

Außerhalb des Themenschwerpunkts untersuchen Shelby E. Ward & Ranitri Weerasuriya das "Colombo Port City"-Projekt, das von der chinesischen Regierung und Sri Lankas Ministerium für Megapolis und Westliche Entwicklung unterstützt wird. Auf einer neu angelegten Halbinsel an der Küste Sri Lankas sollen in Colombos Stadtteil Slave Island ein großes Hotel, Wohnungen, Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und ein Casino entstehen. Durch derartige Projekte kam es infolge administrativer Eingriffe oder durch Preissteigerungen zu Vertreibungen aus Slave Island. Die Autorinnen diskutieren das Projekt unter dem Blickwinkel der "Rückgewinnung": "Rückgewinnung" bedeutet für sie nicht nur die physische Aufschüttung und Trockenlegung von Land für das Projekt, sondern auch die Rückforderung von Land aus der Vertreibung und die weiter bestehende Möglichkeit, außergewöhnliche Herrschaftsgewalt für das "öffentliche Wohl" auszuüben. Sie fragen, ob solche Investitionen und Partnerschaften auf neu entstandene oder fortbestehende koloniale Machtverhältnisse hindeuten oder ob Sri Lanka seine Position als geostrategischer Partner in den internationalen Beziehungen zurück-gewinnt. Nur eine dynamische und vielschichtige Sichtweise, die von den makroökonomischen und politischen zwischenstaatlichen Investitionen bis hin zur Mikroebene der Individuen reiche, ermögliche eine postkoloniale Kritik der Globalisierung und der zeitgenössischen Geopolitik.

Mit der vorliegenden Doppelausgabe schließen wir den 42. Jahrgang ab. Für das nächste Jahr bereiten wir aus aktuellem Anlass zunächst ein Heft über "Krieg in Europa -- vom Globalen Süden her gedacht" vor. Die weiteren Themenschwerpunkte sollen im Sommer "Bildungsfalle: Bildung für alle?" und im Herbst "Internationalismus" sein. Darüber hinaus planen wir Hefte zu den Themen "Sustainable Development Goals", "Wissensproduktion im Globalen Süden / Horizontale Forschung", "Lieferketten" und "Antisemitismus und Rassismus". Zu diesen und anderen Themen sind Beiträge sehr willkommen. Die entsprechenden Calls for Papers finden sich auf unserer Homepage, sobald sie veröffentlicht werden.

Zum Abschluss des aktuellen Jahrgangs gilt unser Dank den Gutachter:innen, die einmal mehr durch ihre gründliche, engagierte und kritische Arbeit zum Gelingen der Hefte maßgeblich beigetragen haben. Ihre Namen sind in alphabetischer Reihenfolge im Jahresregister auf-geführt. Ferner danken wir Sarah Becklake für die Korrektur der englischen Summaries.

Schließlich danken wir allen Leser:innen, Abonnent:innen sowie den Mitgliedern der Wissenschaftlichen Vereinigung für Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik e.V., der Herausgeberin der PERIPHERIE. Unsere größtenteils ehrenamtliche Arbeit ist weiterhin von Spenden abhängig. Eine für die langfristige Sicherung des Projekts besonders willkommene Förderung stellt die Mitgliedschaft im Verein dar, in der das Abonnement der Zeitschrift sowie regelmäßige Informationen über die Redaktionsarbeit enthalten sind. Wir freuen uns aber auch über einmalige Spenden. Unsere Bankverbindung finden Sie im Impressum.

Zu guter Letzt wünschen wir Ihnen und Euch eine aufschlussreiche und inspirierende Lektüre und ein gutes Jahr 2023.

Inhaltsverzeichnis

Zu diesem Heft, S. 251

Manuela Boatcă: Globale Ungleichheiten avant la lettre: Theoretische Genealogien und radikale Kritik, S. 256

Robert Heinze: Eine "Neue Amin-Lektüre"? Der ungleiche Tausch auf dem Weltmarkt und die Rolle des Nationalstaats im Werk von Samir Amin, S. 277

Jakob Graf: Kapitalismus dezentrieren! Strukturelle Heterogenität und bedarfsökonomischer Sektor als Schlüsselkategorien einer politischen Ökonomie des Südens, S. 300

Axel Anlauf: Alles nur Zusammenbruch? Ein Vorschlag zur Anwendung des Weltökologie-Ansatzes für empirische Gegenwartsforschung, S. 324

Maria Backhouse: Die Aktualität der Frontier als Analysekonzept. Eine Einordnung der aktuellen Landkonflikte in Amazonien, S. 346

Stefanie Hürtgen & Maximilian Hofmann: Glokal ungleiche Entwicklung Jordanische Sonderwirt-schaftszonen der globalen Bekleidungsindustrie im Lichte des Jordan Compact, S. 370

Reinhart Kößler: PERIPHERIE-Stichwort "Weltsystem, Weltsystemtheorie", S. 397

Maria Backhouse & Axel Anlauf: PERIPHERIE-Stichwort: "Weltökologie bei Jason Moore", S. 401

Shelby E. Ward & Ranitri Weerasuriya: Die Rückgewinnung Colombos. Die postkoloniale Geopoli-tik der sri-lankischen Urbanisierung, S. 405

Rezensionen, S. 426

Karin Fischer, Christian Reiner & Cornelia Staritz (Hg.): Globale Warenketten und ungleiche Ent-wicklung. Arbeit, Kapital, Konsum, Natur (Axel Anlauf)

Andreas Nöthen: Luiz Inácio Lula da Silva. Eine politische Biografie (Theo Mutter)

Chris Alden & YuShan Wu (Hg.): South Africa-China Relations. A Partnership of Paradoxes (Rita Schäfer)

Miles Tendi; JoAnn McGregor & Jocelyn Alexander (Hg.): The Oxford Handbook of Zimbabwean Politics (Rita Schäfer)

Robert J. Gordon: South Africa's Dreams. Ethnologists and Apartheid in Namibia (Reinhart Kößler)

Manuel Castells & Bernard Lategan (Hg.): National Identity and State Formation in Africa (Reinhart Kößler)

Bernd Heyl: Namibische Gedenk- und Erinnerungsorte. Postkolonialer Reisebegleiter in die deutsche Kolonialgeschichte (Reinhart Kößler)

Doris Kleffner: Liberia -- Paradies auf Abwegen. Kritische Einblicke in die internationale Entwick-lungspolitik (Ellen Skuza)

Dietmar Friedhoff: Denken wir Afrika. Eine konservative Grundsatz-Strategie zur Selbstentwicklung unseres Nachbarkontintents (Aram Ziai)

Rita Laura Segato: Wider die Grausamkeit. Für einen feministischen und dekolonialen Weg (Zelda Wenner)

Kristina Lunz: Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch. Wie globale Krisen gelöst werden müs-sen (Rita Schäfer)

Dan Diner: Ein anderer Krieg. Das jüdische Palästina und der Zweite Weltkrieg 1935-1942 (Rein-hart Kößler)

Harini Amarasuriya, Tobias Kelly, Sidharthan Maunaguru, Galina Dustinova-Stjepanovic & Jonathan Spencer (Hg.): The Intimate Life of Dissent: Anthropological Perspectives (Sowmya Maheswaran)

Sebastian Garbe: Weaving Solidarity. Decolonial Perspectives on Transnational Advocacy of and with the Mapuche (Anja Habersang)

Christian Reumschüssel-Wienert: Psychiatriereform in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Chro-nik der Sozialpsychiatrie und ihres Verbandes -- der DGSP (Gerhard Hauck)

Eingegangene Bücher, S. 461
Summaries, S. 463
Zu den Autorinnen und Autoren, S. 466
Jahresregister, S. 468

Summaries

Manuela Boatcă: Global Inequalities avant la Lettre. Theoretical Filiations and Radical Critique.
This article argues that world-systems analysis was instrumental in revealing sociology's theoretical and methodological blind spots and in formulating a comprehensive framework for the study of global inequalities. In doing so, it anticipated both the critique of Eurocentrism and methodological nationalism put forth by transnational and postcolonial approaches, as well as the debates over the rise in global inequalities by several decades. I trace this analytical primacy to several factors: first, to world-systems analysis' methodological shift from the nation-state to the entire capitalist world-economy as an early global sociology and, second, to the relation between the methodological shift to the epistemological critique and their role in Wallerstein's early approach to global inequalities. Finally, I address the relationship between the self-definition of world-systems analysis as a form of protest against mainstream social science (rather than as a theory) and the theoretical and political filiations with postcolonial and decolonial approaches in order to show how they both contributed to the prominence of global inequalities as a topic.

Robert Heinze: A "Neue Amin-Lektüre"? Unequal exchange on the world market and the role of the nation-state in the work of Samir Amin.
This article undertakes a re-reading of Samir Amin's work by linking two current research trends: the "rediscovery" of dependency theory (and of Samir Amin) within certain parts of economics and other social sciences, and the reassessment of "Third World" international emancipatory projects, such as Bandung and the New International World Economic Order. To this end, it focuses on the role that the nation plays in Amin's work and posits that an examination of this problem can help us develop an anti-national critique that simultaneously recognises why nations have been such an important lever for Marxist analysis from the Global South. Amin's work thus offers the key to a new grounded critique of nationalist anti-imperialism.

Jakob Graf: Decentralise Capitalism! Structural Heterogeneity and the Need Economy as Key Categories for a Political Economy of the South.
In many countries of the Global South, the social reproduction of the majority of the population to a large extent takes place outside the capitalist sector. This leads to particular class relations, social relations to nature, and dynamics of conflict. This article asks how we can understand societies in the Global South in terms of a critical theory of capitalism without imposing the categories of the centre economies on them. For this purpose, the analytical concept of structural heterogeneity is proposed, as well as the empirical concept of the need economy. These terms encourage an understanding of structural heterogeneities that goes beyond economics and enables the analysis of current socioecological distribution conflicts. In conclusion, I argue that to understand societies in the Global South, concepts other than those that were developed for the analysis of capitalism in the early industrialised centre economies are needed.

Axel Anlauf: Just Another Breakdown Theory? A Suggestion for Implementing the World-Ecology Framework in Empirical Contemporary Research.
Based on a short introduction to central terms of the world-ecology approach, this article seeks to clarify several misunderstandings in the German reception of this new framework. It argues that the world-ecology approach is not just an (ecological) theory of capitalist breakdown, but offers important impulses for research on the politics of natural resources and global inequalities. A central focus is on the term "commodity frontier" and the appropriation of natural resources for capital accumulation. Acknowledging a strong structural orientation in the world-ecology approach, the article argues for a combination with other theoretical strands. With the help of materialist state theory and research on commodity chains or production networks, it develops a research frame that integrates the analysis of the balance of social forces on different scales into the analysis of raw material flows. This allows for open-ended contemporary research and an operationalisation of rather abstract categories, such as cheap nature.

Maria Backhouse: The Relevance of "Resource Frontier" as an Analytical Concept -- Making Sense of Current Land Conflicts in Amazonia.
In this article, I aim to answer the question: what is new about the conflicts surrounding deforestation and land grabbing in the Brazilian Amazon region that have marked the last four to six years? In the process, I demonstrate the benefits of the concept "resource frontier" for the analysis of these current dynamics and social conflicts. One important reference in this regard is Jason Moore's interpretation of the resource frontier, as he combines the historical perspective of world systems theory with an "entanglement perspective" on the expansion of capitalist commodities. Yet, although Moore conceptualises the resource frontier as a socially contested space, he offers little guidance for studying these social conflicts in detail. A more systematic investigation of the specific role of the state and of both local- and national-level actors is needed for understanding the social drivers of resource frontiers and their enclosure. By drawing on actor-centred interpretations and applying it to the social conflicts surrounding the governance and control of land use in Amazonia, this paper expands the resource frontier approach. I trace how social movements and their allies succeeded, from the 1980s onward, in limiting land grabbing and deforestation through the establishment of protected areas and collective land rights. The new development in the dynamics of deforestation and land grabbing over the past few years, then, is that that these (legally guaranteed) land rights have increasingly been targeted again and are being undermined by land speculation, mining operations, and pastoral agriculture. To conclude, I discuss the challenges for forest and climate protection with regards to the 2022 presidential elections.

Stefanie Hürtgen & Maximilian Hofmann: Uneven Development as Glocalization: Jordanian Special Economic Zones and the Global Apparel Industry in Light of the Jordan Compact.
Special economic zones have long been argued to promote social and economic "development" and, more recently, to "activate" and integrate refugees. In this paper, we critically examine a supposedly prime example of the nexus between "development" and "refugee integration": the Jordan Compact, a bilateral agreement between Jordan and the European Union adopted in 2016. In the article, we draw on world-systems approaches, on the one hand, while emphasising the necessity of their spatial-theoretical updating, on the other hand. By presenting the empirical example of the garment industry's global production networks and the working and living conditions in the Jordanian special economic zones, we highlight that uneven development glocally constituted the multi-scalar socio-spatial fragmentation of labour and the reproduction of conditions, constitutive of neoliberal globalisation.

Shelby E. Ward & Ranitri Weerasuriya: Re-claiming Colombo: The Postcolonial Geopolitics of Sri Lankan Urbanisation.
This paper considers the geopolitical and geoeconomic power relations around several recent high rise, commercial, and tourism-based projects in what can be described as a future site of a "downtown" Colombo. These urbanisation projects also provide examples to critique and imagine the historically developed postcolonial relations of globalisation. The paper specifically discusses the Colombo Port City project -- a reclaimed land project that is backed by the Chinese government and Sri Lanka's Ministry for Megapolis and Western Development, and includes a 99-year lease for the 575 acres added to the island for China -- and John Keel's Cinnamon Life project -- a project supported by both local investors and American hedge funds, that contributes not only another large hotel, but also apartments, shopping, restaurants, and a casino. Similar to other hotel developments, such as Shrangi-La, the evictions of Slave Island for the Cinnamon Life developments indicate a trend whereby individuals and/or communities are forced out either by government interference or rising prices. The authors suggest, first, that the politics of Colombo's urbanisation can be traced through the theme of "reclaiming", which includes not only the physical reclaimed land of the Colombo Port City project, but also the land reclaimed from the Slave Island evictions and the ongoing possibility to exercise eminent domain power for the "public good". In addition, this theme asks: do these different investments and partnerships indicate reclaimed or ongoing colonial power relations, or is Sri Lanka re-claiming their position as a geo-strategic partner within international relations? Second, and towards these questions, the authors argue that a dynamic and multi-scale lens -- from the macro-economic and political international investments, to the micro-level of individuals -- is necessary in order to engage a postcolonial critique of globalisation and contemporary geopolitics. Indeed, such a lens helps interrogate if these projects offer alternative models and relations to progress and South Asian modernity than what has come before in urban, postcolonial development narratives or not?

Zusammenfassungen

Manuela Boatcă: Globale Ungleichheiten avant la lettre: Theoretische Genealogien und radikale Kritik.
In dem Artikel argumentiere ich, dass die Weltsystemanalyse entscheidend dazu beigetragen hat, die theoretischen und methodologischen blinden Flecken der Soziologie aufzudecken und einen umfassenden Rahmen für die Untersuchung globaler Ungleichheiten zu formulieren. Damit nahm sie sowohl die Kritik an Eurozentrismus und methodologischem Nationalismus, die von transnationalen und postkolonialen Ansätzen vorgebracht wurde, als auch die Debatten über die Zunahme globaler Ungleichheiten um mehrere Jahrzehnte vorweg. Ich führe diese analytische Vorrangstellung auf mehrere Faktoren zurück: erstens auf die methodologische Verschiebung der Weltsystemanalyse als einer Form von früher globaler Soziologie vom Nationalstaat zur gesamten kapitalistischen Weltwirtschaft; zweitens auf die Beziehung zwischen der methodologischen Verschiebung und der epistemologischen Kritik und ihrer Rolle in Wallersteins frühem Ansatz zu globalen Ungleichheiten. Schließlich gehe ich auf das Verhältnis zwischen der Selbstdefinition der Weltsystemanalyse als einer Form des Protests gegen die Mainstream-Sozialwissenschaft (und nicht als einer Theorie) und den theoretischen und politischen Verflechtungen mit postkolonialen und dekolonialen Ansätzen ein, um zu zeigen, wie sie gemeinsam zur Prominenz des Themas der globalen Ungleichheiten beigetragen haben.

Robert Heinze: Eine "Neue Amin-Lektüre"? Der ungleiche Tausch auf dem Weltmarkt und die Rolle des Nationalstaats im Werk von Samir Amin
Der Artikel unternimmt eine Relektüre des Werks von Samir Amin, indem er zwei aktuelle Forschungstrends verbindet: die "Wiederentdeckung" der Dependenztheorie (und von Samir Amin) durch Teile der Wirtschafts- und anderer Sozialwissenschaften und die Neubewertungen der internationalen emanzipatorischen Projekte der "Dritten Welt", wie Bandung und die Neue Internationale Weltwirtschaftsordnung. Dazu fokussiert er auf die Rolle, die die Nation in Amins Werk spielt und postuliert, dass eine Untersuchung dieses Problems uns helfen kann, eine antinationale Kritik zu entwickeln, die gleichzeitig erkennt, warum Nationen ein so wichtiger Hebel für marxistische Analysen aus dem globalen Süden waren. Amins Werk biete so den Schlüssel für eine neue, fundierte Kritik des nationalistischen Antiimperialismus.

Jakob Graf: Kapitalismus dezentrieren! Strukturelle Heterogenität und bedarfsökonomischer Sektor als Schlüsselkategorien einer politischen Ökonomie des Südens
In vielen Ländern des Globalen Südens findet die soziale Reproduktion eines großen Teils der Bevölkerung in hohem Maße außerhalb des kapitalistischen Sektors statt. Dies hat Folgen für die dort verbreiteten gesellschaftlichen Natur- und Klassenverhältnisse sowie für die zentralen Konfliktdynamiken in diesen Gesellschaften. Dieser Artikel fragt danach, wie wir diese Gesellschaften des Globalen Südens kapitalismustheoretisch verstehen können, ohne ihnen die Kategorien der Zentrumsländer überzustülpen. Dafür wird das analytische Konzept der strukturellen Heterogenität sowie der empirische Begriff des bedarfsökonomischen Sektors vorgeschlagen. Diese führen kapitalismustheoretisch deutlich über ein rein ökonomisches Verständnis struktureller Heterogenitäten hinaus und ermöglichen die Analyse aktueller sozial-ökologischer Verteilungskonflikte. Dafür, so wird abschließend deutlich, sind eigene Begrifflichkeiten nötig, die sich von denjenigen unterscheiden, die klassischerweise für die Analyse des Kapitalismus in den frühindustrialisierten Zentrumsländern entwickelt wurden.

Axel Anlauf: Alles nur Zusammenbruch? Ein Vorschlag zur Anwendung des Weltökologie-Ansatzes für empirische Gegenwartsforschung
Ausgehend von einer kurzen Darstellung zentraler Begriffe in dem von Jason Moore geprägten Weltökologie-Ansatz, bemüht sich der Artikel einige Missverständnisse in der deutschen Rezeptionsdebatte zu klären. Er zeigt, dass der Weltökologie-Ansatz nicht bloß eine (ökologische) Zusammenbruchs Theorie ist, sondern wichtige Impulse für die Forschung zu Ressourcenpolitik und globalen Ungleichheiten liefern kann. Ein zentraler Fokus liegt herbei auf dem Begriff der commodity frontier und der Aneignung natürlicher Ressourcen für die Kapitalakkumulation. Aufgrund der starken Strukturorientierung im Weltökologie-Ansatz, plädiert der Artikel für eine Weiterentwicklung um weitere Theorie-Stränge. Mit Hilfe der Forschung zu Warenketten bzw. Produktionsnetzwerken und der materialistischen Staatstheorie entwickelt er einen Forschungsrahmen, der es ermöglicht, gesellschaftliche Kräfteverhältnisse auf verschiedenen Ebenen in die Analyse von Rohstoffflüssen zu integrieren. Dies ebnet den Weg zu einer ergebnisoffenen Gegenwartsforschung und einer Operationalisierung abstrakter Kategorien wie cheap nature.

Maria Backhouse Die Aktualität der Frontier als Analysekonzept -- eine Einordnung der aktuellen Landkonflikte in Amazonien
Im vorliegenden Artikel möchte ich zum einen die Frage beantworten, was neu an den Konflikten der letzten Jahre in der brasilianischen Amazonasregion um Abholzung und Landraub ist. Zum anderen möchte ich zeigen, dass das Konzept der Ressourcen-Frontier hilfreich zum Verständnis dieser aktuellen Dynamiken und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist. Jason Moores Interpretation der Ressourcen-Frontier ist dafür ein wichtiger Ausgangspunkt, denn er verbindet darin die historische Perspektive der Weltsystemanalyse mit einer Verflechtungsperspektive auf die Ausweitung kapitalistischer Warenbeziehungen. Doch obwohl Moore die Frontier als gesellschaftlich umkämpft konzeptualisiert, gibt er wenige Anhaltspunkte, wie diese gesellschaftlichen Auseinandersetzungen untersucht werden könnten. Eine stärkere Untersuchung der Rolle des Staates und der Akteur:innen auf der lokalen und nationalstaatlichen Ebene ist aber notwendig, um sowohl die gesellschaftlichen Triebkräfte der Frontiers, aber auch ihre gesellschaftliche Einhegung verstehen zu können. Deshalb werde ich in diesem Artikel den Frontier-Ansatz mit akteurszentrierten Interpretationen erweitern und auf die Konflikte um die Kontrolle der Landnutzung anwenden. Ich werde herausarbeiten, dass es den sozialen Bewegungen und ihren Verbündeten ab den 1980er Jahren gelang, Landraub und Abholzung über die Einrichtung von Schutzgebieten und kollektiven Landrechten einzudämmen. Neu an den Abholzungs- und Landraubdynamiken der letzten vier bis sechs Jahre ist, dass diese errungenen Landrechte erneut unter den Druck von Landspekulation, Bergbau oder Viehweiden geraten sind. Zum Schluss werden die Herausforderungen für den Wald- und Klimaschutz vor dem Hintergrund der Präsidentschaftswahl 2022 diskutiert.

Stefanie Hürtgen & Maximilian Hofmann: Glokal ungleiche Entwicklung: Jordanische Sonderwirtschaftszonen der globalen Bekleidungsindustrie im Lichte des Jordan Compact
Sonderwirtschaftszonen gelten als ein etabliertes Instrument zur Förderung der sozialen und wirtschaftlichen "Entwicklung" und neuerdings auch zur sog. Aktivierung und Integration von Geflüchteten. In diesem Beitrag setzen wir uns kritisch mit einem vermeintlichen Paradebeispiel des Nexus "Entwicklung" und "Geflüchtetenintegration" auseinander: dem Jordan Compact, ein 2016 verabschiedetes bilaterales Abkommen zwischen Jordanien und der Europäischen Union. Wir knüpfen in der Darstellung einerseits an Weltsystemansätze an, unterstreichen andererseits aber die Notwendigkeit einer raumtheoretischen Aktualisierung. Denn ungleiche Entwicklung, so diskutieren wir mit Blick auf die globalen Produktionsnetzwerke der Bekleidungsindustrie und die Arbeits- und Lebensbedingungen in den jordanischen Sonderwirtschaftszonen, muss systematisch als glokal verfasste in den Blick genommen werden. Multiskalare sozialräumliche Fragmentierung der Arbeits- und Reproduktionsbedingungen ist hiernach konstitutiv für die gegenwärtige neoliberale Globalisierung.

Shelby E. Ward & Ranitri Weerasuriya: Die Rückgewinnung Colombos: Die postkoloniale Geopolitik der sri-lankischen Urbanisierung
Dieser Beitrag befasst sich mit den geopolitischen und geoökonomischen Machtverhältnissen im Kontext mehrerer neuerer Hochhaus-, Gewerbe- und Tourismusprojekte in einem Gebiet, das als zukünftiger Standort eines "Downtown" Colombo bezeichnet werden kann. Solche Urbanisierungsprojekte dienen als Beispiele für die Kritik und versinnbildlichen die historisch gewachsenen postkolonialen Beziehungen in der sich globalisierenden Welt. Im Zentrum steht das "Colombo Port City"-Projekt, das von der chinesischen Regierung und Sri Lankas Ministerium für Megapolis und Westliche Entwicklung unterstützt wird. Dieses Projekt basiert für die 575 Hektar, um die die Insel erweitert wurde, auf einem 99-jährigen Pachtvertrag mit China für das "John Keels Cinnamon Life"-Projekt, das sowohl von lokalen Investor:innen als auch von amerikanischen Hedge-Fonds unterstützt wird. Geplant ist nicht nur ein weiteres großes Hotel, sondern Wohnungen, Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und ein Casino. Die Vertreibung von "Slave Island" zugunsten der Entwicklung rund um Cinnamon Life deutet auf einen Trend hin, der von anderen Projekten wie dem Bau des Shangri-La-Hotels angestoßen wurde. Diese Vertreibungen von Einzelpersonen oder Gemeinschaften werden entweder durch behördliche Eingriffe erzwungen oder sind Folge steigender Preise. Die Autorinnen schlagen zum einen vor, die Politik der Urbanisierung Colombos unter dem Prinzip der "Rückgewinnung" nachzuzeichnen. Dabei ist mit "Rückgewinnung" nicht nur die physische Aufschüttung und Trockenlegung von Land (physical reclaimed land) für das Projekt gemeint, sondern auch die Rückforderung von Land aus der Vertreibung (land reclaimed from the Slave Island evictions) und die weiter bestehende Möglichkeit, außergewöhnliche Herrschaftsgewalt für das "öffentliche Wohl" auszuüben. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob solche Investitionen und Partnerschaften auf wiedergewonnene oder fortbestehende koloniale Machtverhältnisse hindeuten oder ob Sri Lanka seine Position als geostrategischer Partner in den internationalen Beziehungen wiederbeansprucht. Zum anderen argumentieren die Autor:innen, dass eine dynamische und vielschichtige Sichtweise, die von den makroökonomischen und politischen zwischenstaatlichen Investitionen bis hin zur Mikroebene der Individuen reicht, notwendig ist, um eine postkoloniale Kritik an der Globalisierung und der zeitgenössischen Geopolitik zu üben. Ein solcher Blickwinkel ist notwendig, um die Frage zu stellen, ob diese Projekte alternative Modelle und Beziehungen zum Fortschritt und zur südasiatischen Moderne bieten, also zu dem, was bisher in städtischen, postkolonialen Entwicklungsnarrativen zu finden war.

Jahresregister des 42. Jahrgangs

165/166: DDR postkolonial

Artikel
Maria Backhouse, Theo Mutter& Miriam Friz Trzeciak: Mosambikanische Vertragsarbeiter:innen in der DDR. Interview mit Madgermanes in Maputo. Mit einer Einführung von Hans-Joachim Döring (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.02), S. 11

Johanna M. Wetzel & Marcia C. Schenck: Liebe in Zeiten der Vertragsarbeit. Rassismus, Wissen und binationale Beziehungen in der DDR und Ostdeutschland (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.03), S. 31

Isabel Enzenbach: Black East & Ossis of Color. Fotografien afrikanischer Migrant:innen in der DDR (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.04), S. 56

Miriam Friz Trzeciak & Manuel Peters: Urbane imperiale Differenz. Verflechtungen postkolonialer und post(real)sozialistischer Konfigurationen am Beispiel von Cottbus (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.05), S. 82

Jannik Noeske: Mit Tropenhelm in Thüringen. Rezeption und Repräsentation Albert Schweitzers in Weimar seit 1960 (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.06), S. 107

Raja-Léon Hamann & Jan Daniel Schubert: Zwischen anti-imperialistischem Anspruch und politischer Wirklichkeit. Die Reproduktion kolonialrassistischer Strukturen in dem Amo-Forschungsprojekt der 1960er Jahre und der Statue "Freies Afrika" in Halle a.d. Saale (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.07), S. 129

Samuel Quive & Adérito Machava: Eine zerbrochene Vision? Wie Samora Machels Projekt für eine Elitebildung in der DDR entgleiste (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.08), S. 154

Martina Kofer: (Interkulturelle) Begegnungen mit der DDR-Gesellschaft in chilenischer Exilliteratur. Versuch einer postkolonialen Lesart (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.09), S. 175

Bianca Bodau: Bruderland ist abgebrannt.Ein Dokumentarfilm von Angelika Nguyen (Zur Einführung) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.10), S. 199

Angelika Nguyen: Film als Weg aus Familienproblemen. Interview mit dem Filmregisseur Duc Ngo Ngoc über einen Filmworkshop mit Kids aus der deutsch-vietnamesischen Community (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.11), S. 202

Reinhart Kößler & Miriam Friz Trzeciak: PERIPHERIE-Stichwort "Postsozialismus?" (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.12), S. 209

Patrice G. Poutrus: PERIPHERIE-Stichwort "Arbeitskräfte für den Sozialismus: Die Vertragsarbeiter:innen" (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.13), S. 214

Rezensionen, S. 217
Birgit Neumann-Becker & Hans-Joachim Döring (Hg.): Für Respekt und Anerkennung. Die mosambikanischen Vertragsarbeiter und das schwierige Erbe der DDR (Theo Mutter) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.14)

Eric Burton, Anne Dietrich, Immanuel R. Harisch & Marcia C. Schenck (Hg.): Navigating Socialist Encounters. Moorings and (Dis)Entanglements Between Africa and East Germany during the Cold War (Reinhart Kößler) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.15)

Hans-Georg Schleicher: Doppelte Zeitenwende. Der Süden Afrikas und Deutschlands Osten (Reinhart Kößler) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.16)

Arno Sonderegger: Afrika und die Welt. Betrachtungen zur Globalgeschichte Afrikas in der Neuzeit (Gerhard Hauck) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.17)

Franz Halbartschlager, Andreas Obenaus & Philipp A. Sutner (Hg.): Seehandelsrouten. Wegbereiter der frühen Globalisierung (Reinhart Kößler) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.18)

Heiko Wegmann: Vom Kolonialkrieg in Deutsch-Ostafrika zur Kolonialbewegung in Freiburg. Der Offizier und badische Veteranenführer Max Knecht (1874-1954) (Fabian Fechner) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.19)

Michaela Fink & Reimer Groenemeyer: Namibia's Children. Living Conditions and Life Chances in a Society in Crisis (Reinhart Kößler) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.20)

Annett Bochmann: Public Camp Orders and the Power of Microstructures in the Thai-Burmese Borderland (Tobias Breuckmann) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.21)

Victor Bravo & Nicolas Di Sbroiavacca: Oil and Natural Gas Economy in Argentina. The Case of Fracking (Sören Scholvin) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.22)

Karl Reitter: Kritik der linken Kritik am Grundeinkommen (Reinhart Kößler) (https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.23)

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