Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern 17 (2013), 2

Titel der Ausgabe 
Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern 17 (2013), 2
Weiterer Titel 

Erschienen
Rostock 2013: Ingo Koch Verlag
Erscheint 
zwei Ausgaben pro Jahr, jeweils im Juli und Dezember
ISBN
1434-1794
Anzahl Seiten
132 S.
Preis
8,00 €

 

Kontakt

Institution
Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern
Land
Deutschland
c/o
Geschichtswerkstatt Rostock e.V. Kröpeliner Tor 18055 Rostock Tel.: 0381-1216415 Fax: 0381-3607240
Von
Bispinck, Henrik

EDITORIAL

In diesem Heft sticht unter den Aufsätzen ein Beitrag her vor. In seinem seitenstarken und umfangreich bebilderten Text behandelt Thomas Werner die Entwicklung der Berufsfotografie in Rostock vor allem am Beispiel eines Ateliers. Während Volker Janke in früheren Ausgaben von „Zeitgeschichte regional“ auf quellenkritische Anforderungen beim Umgang mit historischem Fotomaterial eingegangen ist, nähert sich Werner diesem Aspekt von der fotografiegeschichtlichen Seite, indem er die Fotografen, ihre Ateliers als Wirtschaftsunternehmen sowie den Wandel von Technik und Produkten vorstellt. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, um den Charakter und Wert von Bildern aus Quellen angemessen bewerten zu können. Die Auseinandersetzung mit der Quellengattung zeitgeschichtliches Bildmaterial sollte auch an dieser Stelle weitergeführt werden.

Dieses Heft hat einen deutlichen mecklenburgischen Schwerpunkt. Jeder der folgend genannten Autoren bezieht sich auf dieses Territorium. Hermann Langer hat einmal mehr sein Wissen und seine Quellenkenntnis eingesetzt, um für uns die Geschichte des Reichsarbeitsdienstes in Mecklenburg zu skizzieren – nicht ohne ein engagiertes Plädoyer, diesen nicht unkritisch als Vorbild für die Gegenwart zu nutzen. Eine andere Facette mecklenburgischer NS-Geschichte schildert Andreas Röpcke unter Hinzuziehung von Akten des Landeskirchlichen Archivs der vormals Evangelisch-lutherischen Landeskirche Mecklenburgs: die Hochzeit Josef Goebbels’ in Severin 1931. Jene Akten erzählen eine Geschichte hinter dem Rührstück über die Königin im Herzen von Goebbels und den vor Ergriffenheit weinenden Hitler, nämlich die Auseinandersetzung um eine Hakenkreuzfahne auf dem Traualtar. Schlaglichtartig scheinen darin bereits Momente des späteren „Kirchenkampfes“ auf. Vom Kampf um die Stellung der evangelischen Kirche in der Gesellschaft, in der die SED-Führung die politische Macht beanspruchte, berichten die Aufsätze von Christian Halbrock und Rainer Hering. Während es 1953, als der Jugenddiakon Herbert Büdke in Wismar verhaftet und in einem Schauprozess in Rostock verurteilt wurde, worüber Halbrock berichtet, noch um die Durchsetzung des Machtmonopols der SED, hier ins besondere um den Einfluss auf die Jugend, im Land ging, zeichnet Rainer Hering in seinem dem früheren mecklenburgischen Landesbischof Heinrich Rathke zum 85. Geburtstag gewidmeten Aufsatz das Bild von einer DDR am Scheideweg. Der Besuch Helmut Schmidts 1981 in Güstrow und dem Güstrower Dom stand bzw. steht symbolisch für eine Entwicklung, in der u.a. die mecklenburgische Landeskirche Mittler für eine Zukunftssuche jenseits der Grenzen des kleinen Landes wurde. Diese Geschichte ist auch Ausdruck dafür, dass beide deutsche Staaten Zeit ihrer parallelen Existenz aufeinander bezogen blieben, und zeigt, wie die politischen Akteure auf die jeweils andere Seite Einfluss zu nehmen versuchten. Die DDR-Seite war bei der Durchdringung der bundesrepublikanischen Gesellschaft auch durch aus erfolgreich und versuchte dabei auch Wege jenseits politischer Klischees zu gehen. Georg Herbstritt beschreibt hier den – letztlich gescheiterten – Versuch in den 1950er Jahren, den Bundestagsabgeordneten Otto Wittenburg über einen Kontaktmann in Schwerin unter Ausnutzung beider persönlicher Beziehung für eine Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit zu werben. Beziehungen und Lebenserfahrungen prägen Lebenswege wesentlich mit. Der Weg des Wismarers Harry Weltzin endete 1983 am Grenzzaun. Stefan Appelius skizziert die tragisch endende Lebensgeschichte eines jungen Mannes, der durch die tödliche Grenze keine Chance hatte, für seine Individualität Erfüllung im anderen Teil der Welt zu finden.

Menschliche Befindlichkeiten, „Identitäten“, also die Frage, worin sich Menschen wiederfinden und woran sie sich festhalten, wenn die Welt um sie herum im ständigen Wandel begriffen ist – konkret die Frage, was des Mecklenburg-Vorpommern Vaterland ist, treibt Matthias Manke um und dazu, seine Ansicht zur Diskussion zu stellen: Wie definieren sich Menschen in einem „Bindestrich-Bundesland“? Geschichte spielt dabei – bewusst oder unbewusst – immer eine Rolle. Volker Janke ruft mit seiner Dokumentation des Buches „Die Namen der Kämpfer im Gau Mecklenburg-Lübeck“ die Geschichte des NSDAP-„Gaues“ von dessen Höhepunkt betrachtet in Erinnerung. Jedoch soll dessen Darstellung eher zur Identifizierung mit Alternativen anregen helfen, wie auch die hier regelmäßig referierte regionale Geschichtsarbeit den Anspruch hat, im besten Sinne aufklärerisch zu wirken – sei es durch Auseinandersetzung mit historischen Gegenständen im Sinne der Berichte von Uwe Kiel über eine Tagung „Zwangsarbeit in Pommern von 1939 bis 1950. Sachstand und Perspektiven der Forschung und der historischen Bildungsarbeit in Deutschland und Polen“ am 29./30. November 2012 in Greifswald und von Matthias Tuve zur Geschichte der Greifswalder Stolpersteine oder durch Arbeit zur Verankerung demokratischer Kultur in unserer Gegenwart, wie sie Ingmar Dette für Anklam vorstellt. Einer, der exemplarisch für die ständige Suche nach Identifizierungsmöglichkeiten steht und auf diesem Gebiet Bleibendes geleistet hat, ist – zumindest durch seinen Nachlass – in die Heimatregion zurückgekehrt: Uwe Johnson. André Kischel stellt Rostock als das neue Zentrum der Uwe-Johnson-Forschung vor.

Dass Mecklenburg-Vorpommern immer auch Teil der großen Welt ist, daran soll unsere Rubrik „Aus anderen Ländern“ erinnern. Mit Simone Labs’ Fortsetzungsreportage „Kalter Krieg im Baltikum – Erlebnisbericht einer Partnerschaft“, hier mit Teil II, einem Projektbericht aus Borne Sulinowo in Polen, bleiben wir international.

Einen besonderen Hinweis verdienen die 18 Besprechungen von neu erschienener Literatur. So viele hatten wir noch nie. Dank an die fleißigen Autoren! Der Strom von Neuerscheinungen und damit auch der Stoff für viele weitere Rezensionen reißen nicht ab, wie die letzten Seiten zeigen.

Ihre Redaktion

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Editorial
(S. 4)

Aufsätze

Rainer Hering: Helmut Schmidt und die Kirchen in der DDR. Von Güstrow nach Rostock
(S. 5)

Christian Halbrock: Die Inhaftierung und Verurteilung des Jugenddiakons Herbert Büdke 1953. Ein Abschreckungs- und Schauprozess in Rostock vor 60 Jahren
(S. 20)

Georg Herbstritt: Bonner Politik im Schweriner Franzosenweg. Wie die Stasi versuchte, den Bundestagsabgeordneten Otto Wittenburg anzuwerben
(S. 27)

Thomas Werner: Vom Visitporträt zur Ansichtskarte. Das Atelier Blutstraße 14 als Beispiel für den Wandel der Berufsfotografie in Rostock
(S. 33)

Hermann Langer: „Jeder Spatenstich –ein Gebet für Deutschland.“ Zur Geschichte des Reichsarbeitsdienstes in Mecklenburg
(S. 52)

Andreas Röpcke: Goebbels’ Hochzeit
(S. 65)

Das Dokument

Volker Janke: Ein Buch mit den Namen der Kämpfer im Gau Mecklenburg-Lübeck aus dem Jahr 1935
(S. 72)

Biographische Skizze

Stefan Appelius: Tod am Grenzzaun. Der Fall Harry Weltzin (1955–1983)
(S. 81)

Diskussion

Matthias Manke: Was ist des Mecklenburg-Vorpommern Vaterland? Die Gegenwart historischer Identitäten in einem Bindestrich-Bundesland
(S. 81)

Regionale Geschichtsarbeit

Uwe Kiel: „Zwangsarbeit in Pommern von 1939 bis 1950. Sachstand und Perspektiven der Forschung und der historischen Bildungsarbeit in Deutschland und Polen“. Tagung am 29. und 30. November 2012 in Greifswald
(S. 93)

Historisches Lernen

Matthias Tuve: Zur Geschichte der Greifswalder Stolpersteine
(S. 97)

Ingmar Dette: Immer auf dem Weg –Das RAA-Regionalzentrum für demokratische Kultur Vorpommern-Greifswald in Anklam
(S. 99)

Archivmitteilungen

André Kischel: Ein „Jugendfreund, der jetzt aus Rostock war“. Zu Uwe Johnsons später Heimkehr nach Rostock
(S. 102)

Aus anderen Ländern

Simone Labs: Kalter Krieg im Baltikum –Erlebnisbericht einer Partnerschaft. Teil II: Die Linden sind Zeugen
(S. 104)

Rezensionen / Annotationen

Röpcke, Andreas u.a. (Hg.): Biographisches Lexikon für Mecklenburg, Bd. 7
(Henrik Bispinck)
(S. 106)

Targan, Edmund: Das Jagdschloss Hohen Niendorf
(Katja Schlenker)
(S. 106)

Witzke, Christiane: Domjüch
(Sabine Grauer)
(S. 107)

Armbruster, Jan/Freyberger, Harald J. (Hg.): Verwahrung, Vernichtung, Therapie
(Sabine Grauer)
(S. 108)

Rapp, Angela: Der Hiddensoer Künstlerinnenbund
(Wolf Karge)
(S. 110)

Passig, Willi: „Er war kein lauter Autor“. Karl-Ewald Tietz über Max Dreyer
(Martin Buchsteiner)
(S. 110)

Buddrus, Michael/Fritzlar, Sigrid: Landesregierungen und Minister in Mecklenburg 1871–1952
(Christian Nestler)
(S. 112)

Demminer Regionalmuseum (Hg.): Demminer Familienbilder und ihr Fotograf Bruno Heiser 1884 bis 1963
(Gerald Freyer)
(S. 113)

Kalhorn, Armtraut: Alexander Neroslow
(Beatrice Vierneisel)
(S. 113)

Raillard, Susanne: Die See- und Küstenfischerei Mecklenburgs und Vorpommerns 1918 bis 1960
(Klaus-J. Lorenzen-Schmidt)
(S. 114)

Herms, Michael (Hg.): Zum Stand der Forschung der regionalen NS-Geschichte in Mecklenburg-Vorpommern
(Kurt Schilde)
(S. 115)

Mrotzek, Fred/Sens, Ingo (Hg.): Ilja Ehrenburg „Töte!“
(Jörg Morré)
(S. 116)

Wegener, Peter P.: Die Raketenforschung in Peenemünde
(Matthias Uhl)
(S. 118)

Demminer Regionalmuseum (Hg.): Das Kriegsende in Demmin 1945
(Mathias Rautenberg)
(S. 119)

Seils, Mirjam: Die fremde Hälfte
(Andreas Wagner)
(S. 120)

Gerhold, Kirsten: Widerstand und Opposition in der ehemaligen DDR
(Ines Soldwisch)
(S. 121)

Bersch, Falk/Dirksen, Hans Hermann: Strafvollzug Berndshof/Ueckermünde (1952–1972)
(Tobias Wunschik)
(S. 122)

Klietz, Wolfgang: Ostseefähren im Kalten Krieg
(Andreas Stirn)
(S. 123)

Neuerscheinungen
(S. 125)

Kurzvorstellung der Autoren
(S. 128)

Adressen der Autoren
(S. 129)

Impressum
(S. 131)

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