Sociologia Internationalis. Europäische Zeitschrift für Kulturforschung 50 (2012), 1/2

Titel der Ausgabe 
Sociologia Internationalis. Europäische Zeitschrift für Kulturforschung 50 (2012), 1/2
Weiterer Titel 
Kunstsoziologie

Erschienen
Berlin 2012: Duncker & Humblot
Erscheint 
halbjährig
Anzahl Seiten
246 S.
Preis
€ 69,00

 

Kontakt

Institution
Sociologia Internationalis. Europäische Zeitschrift für Kulturforschung
Land
Deutschland
c/o
Redaktion: Sociologia Internationalis Prof. Dr. Clemens Albrecht Universität Koblenz/Landau Institut für Soziologie Universitätsstr. 1 Postfach 201602 56016 Koblenz <sociologia@uni-koblenz.de> Vertrieb: Duncker & Humblot Verlagsbuchhandlung Vertrieb Carl-Heinrich-Becker-Weg 9 12165 Berlin <verkauf_zeitschriften@duncker-humblot.de>
Von
Albrecht, Clemens

Die Zeitschrift Sociolgia Internationalis hat sich zu ihrem 50. Jahrgang einen neuen Titel gegeben: „Europäische Zeitschrift für Kulturforschung“. Sie publiziert Artikel in deutscher, englischer, französischer und spanischer Sprache. Hinter diesem Konzept steht die Auffassung, dass die Soziologie eine Disziplin ist, die von sozialen, darunter auch nationalen Traditionen und Lagen geprägt wird. Sie verdankt ihren Reichtum an Theorien, Einsichten, Instrumenten und Perspektiven nicht zuletzt der Begriffsarbeit in verschiedenen Sprachen. Internationalität in der Wissenschaft sollte diese Vielfalt erhalten und vermitteln, sie aber nicht im mainstream einer Sprache und Denktradition einschmelzen. Insofern steht die Zeitschrift für einen europäischen Weg der Inter-Nationalität im gemeinsamen Diskurs der Wissenschaft.

Sociologia Internationalis is an international journal for sociology, communication and cultural research. It is published in Germany, and presents articles written in German, English, French and Spanish, based on the assumption that sociology represents a discipline influenced by social processes, including also national traditions and positions. Its abundance of theories, instruments, perspectives and perception can be attributed in no small way to the handling of concepts and ideas in different languages. Internationality in science should therefore aim to preserve and convey this diversity and not melt it down to the mainstream of one single language and tradition of thinking. Thus the journal stands for a European way of a shared transnational discourse of science.

Sociologia Internationalis est un périodique international de sociologie, d’études de communication et de culture, édité en Allemagne. Il publie des articles en allemand, anglais, français et espagnol. L’idée à l'origine de ce concept est que la sociologie en tant que discipline dépend de traditions et de conditions sociales en partie marquées par une spécificité nationale. Elle doit sa richesse en termes de théories, perceptions, instruments et perspectives nouvelles en particulier au travail de définition des termes dans les différentes langues. L’internationalisation de la science devrait conserver et transmettre cette diversité, mais en aucun cas la fondre dans le mainstream d’une langue et d’une tradition de pensée unique. C’est de ce point de vue que la publication se veut le symbole d'une approche européenne de l’inter-nationalité dans le discours commun de la science.

Sociologia Internationalis es una revista internacional de sociología e investigación de la comunicación y de la cultura que se publica en Alemania. En ella se editan artículos en alemán, inglés, francés y español. Detrás de este concepto se encuentra la convicción de que la sociología es una disciplina influida por diferentes tradiciones y circunstancias sociales, así como nacionales. La riqueza de sus teorías, puntos de vista, instrumentos y perspectivas se debe, en gran medida, al trabajo conceptual que surge como resultado del empleo de distintos idiomas. El caracter internacional de la ciencia debe conservar y transmitir tal diversidad, pero sin llegar a fusionarse con el mainstream de un idioma o de una tradición de pensamiento. Por tal razón, la revista se pronuncia a favor de una visión europea de inter-nacionalidad dentro del discurso compartido que constituye la ciencia.

Inhaltsverzeichnis

INHALT – ABSTRACTS

Dagmar Danko / Andrea Glauser: Kunst – soziologische Perspektiven
Der einleitende Beitrag der Herausgeberinnen dieses Heftes nimmt klassische und neuere Perspektiven der Kunstsoziologie in den Blick. Dabei zeigt er auf, dass die Auseinandersetzung mit den Künsten sowohl in aktuellen Debatten als auch disziplingeschichtlich von zentraler Bedeutung ist und aufschlussreiche Formen der Gesellschaftsanalyse umfasst. Wir vertreten die These, dass die Künste und die Soziologie in einem besonderen, historisch variablen Verhältnis zueinander stehen, das sich nicht dadurch beschreiben oder gar auflösen lässt, dass bestehende Theorien und Methoden schlicht auf die Kunst angewandt bzw. übertragen werden. Der Artikel plädiert für eine multiperspektivische Annäherung an die Künste, die ihrer gesellschaftlichen Stellung und ihren Besonderheiten Rechnung trägt. Zudem führt er in das vorliegende Themenheft ein und stellt die Beiträge vor.

Max Jakob Orlich: Produktion/Distribution/Rezeption. Fotografien zur Kunstsoziologie

Gabriele Klein: Choreo-Politik. Wie in Performances der öffentliche Raum politische verhandelt wird
Performances sind eine gängige zeitgenössische und experimentelle szenische Praxis der Bildenden und Darstellenden Kunst seit den 1960er Jahren. Sie sind entstanden aus einer Kritik an dem etablierten Kunstbetrieb und einer kritischen Reflexion der Grundelemente etablierter künstlerischer Formen, Praktiken, Institutionalisierungen und Formate. Mit dem Fokus auf der Überschreitung der Grenzen zwischen Kunst und Populärkultur, Kunst und Alltag, führte ihr Weg nicht selten von den etablierten Kunstinstitutionen des Theaters und Museums in den öffentlichen Raum, dessen Ordnung, Normen und Konventionen durch interventionistische Aktionen befragt wurden. Seitdem spielen der Tanz als eine ephemere und flüchtige Kunst und die Choreografie als Organisation von Bewegung in der situativen, auf Augenblick und Präsenz abhebenden Performance eine besondere Rolle. Als kritische Aufführungsform sind künstlerische Performances in Gegenwartsgesellschaften, die als Medien- und Inszenierungsgesellschaften bezeichnet werden können, durch die Theatralisierung und Eventisierung des öffentlichen Raumes und die mediale Erzeugung von Dauerpräsenzen, also der öffentlichen Inszenierung kultureller Performances, neuen Fragen ausgesetzt. In der „Flüchtigen Moderne“ (Bauman) können künstlerische Performances, so die Grundthese des Beitrages, nicht mehr so leicht, wie noch in den 1960er und 1970er Jahren, als eine sich den Strategien der globalisierten Kulturindustrie entziehende Form angesehen werden. Dieser Essay thematisiert kulturelle und künstlerische Performances im öffentlichen Raum aus zwei Perspektiven: Zum einen zeigt er auf, wie zeitgenössische Performancekunst und Choreografie die choreografische Ordnung des Sozialen im öffentlichen Raum in Szene setzen. Auf der anderen Seite veranschaulicht er, wie das Soziale als choreografische Ordnung in den öffentlichen Raum bereits eingeschrieben ist. Schließlich fragt der Text danach, welches soziale und politische Potenzial in künstlerischen Performances in theatralisierten und eventisierten Gesellschaften liegt.

Karl-Siegbert Rehberg: Kunstsoziologie als Gesellschaftsanalyse. Das Beispiel des „Kunststaates“ DDR und des (Ostdeutschen) Transformationsprozesses seit 1990
Die Bedeutung, welche die Künste für das Projekt des Staatssozialismus hatten, macht sie zugleich zu einem Schlüssel zum Verständnis der unterschiedlichen Phasen der DDR-Geschichte – von dem mit Utopien von einem „besseren Deutschland“ und der Überwindung der Klassengesellschaften verbundenen, zugleich aber diktatorisch-unterdrückenden Beginn bis zum Ende des „Kunststaates“ (auch „Leselandes“) DDR im Rahmen der Auflösung der Sowjetunion. Künstler waren im ‚Kulturfeudalismus‘ der DDR privilegiert und kontrolliert, gelenkt und eigensinnig und in der ‚Konsensdiktatur‘ der späten 1970er und 80er Jahre verschob sich – nicht nur in den Gegenszenen nonkonformer Kunst und ohne eine programmatische Liberalisierung – die ‚Machtbalance‘ zugunsten künstlerischer Formfindungen. Erneuerungshoffnung und deren Scheitern führten von Anfang an zu einem ambivalenten Verhältnis von Funktionärseliten und Künstlern: Beide Seiten waren mit der je anderen nie ganz zufrieden. Die Künste zeigen zugleich auch die Doppelflucht der Deutschen aus der geschichtlichen Kontinuität mit den NS-Verbrechen und der Niederlage von 1945: die BRD wählte die (auch kulturelle) Westbindung, die DDR die Emanzipationsgeschichte der Menschheit. So kam es unter der Konfrontation der beiden Frontstaaten des Kalten Krieges zur Vereinseitigung einer jeweiligen Geltungskunst: Abstraktion im Westen und (Sozialistischer) Realismus im Osten. Und der 1990 entfesselte deutsch-deutsche Bilderstreit wurde – weit über das „Kunstsystem“ hinausgehend – zum stellvertretenden Diskurs über den Prozess der Wiedervereinigung. Insofern eröffnet Kunstsoziologie auch Perspektiven für die Gesellschaftsanalyse und Zeitdeutung.

Tasos Zembylas: Auf den Spuren von Tacit Knowing im künstlerischen Schaffensprozess
Dieser Artikel will aufzeigen, wie Kunstsoziologie und praktische Epistemologie sich gegenseitig befruchten können. Für die Kunstsoziologie ergibt sich ein forschungs-praktischer Zugang, um künstlerische Schaffensprozesse zu thematisieren. Die Epistemologie wiederum kann kunstsoziologische Einsichten übernehmen, um künstlerisch-praktisches Wissen in einem sozial konstituierten, geteilten institutionellen Rahmen, welcher oft als Kunstwelt, Kunstfeld oder Kunstsystem bezeichnet wird, zu verankern. Um diesen Konnex plausibel zu machen, beschäftigt sich der vorliegende Beitrag zuerst mit einer Analyse des Wissensbegriffs und der Ausarbeitung der Kernmerkmale des Tacit knowing-Ansatzes. In der weiteren Folge thematisiert er forschungspraktische Herausforderungen, die sich daraus ergeben. Konkretisiert wird dies durch die Vorstellung einer Forschungsstudie über literarische Schreibprozesse.

Gunnar Otte: Programmatik und Bestandsaufnahme einer empirisch-analytischen Kunstsoziologie
Der Kunstsoziologie wird in diesem Beitrag die Aufgabe zugewiesen, kollektive soziale Phänomene der Produktion, Vermittlung und Rezeption von Kunst zu beschreiben und zu erklären. Dabei wird ein weites Kunstverständnis eingenommen, das die Künste spartenübergreifend in ihren „hohen“ wie „populären“ Ausdrucksformen umfasst. Der Beitrag nähert sich Kunstphänomenen von einer empirisch-analytischen Warte und plädiert für akteurtheoretisch fundierte Erklärungen kunstbezogener Makrophänomene und den besonderen Einsatz quantitativer und vergleichender Methoden. Die kunstsoziologische Perspektive wird von Zugängen anderer Disziplinen abgegrenzt. Zu jedem der drei Aufgabenbereiche werden Kernfragen formuliert, wegweisende Studien der internationalen Forschung vorgestellt und Forschungserträge und -defizite aufgezeigt.

Monica Titton: Andys Erben. Über das Verhältnis von Mode und Kunst am Beispiel der Künstlerkollaborationen des Luxuslabels Louis Vuitton
In diesem Beitrag werden Kooperationen zwischen Künstlern und Modedesignerinnen an einem gemeinsamen Produkt betrachtet. Ausgangspunkt für die kunstsoziologische Analyse ist die fallspezifische Rekonstruktion der Zusammenarbeit des Luxuslabels Louis Vuitton mit den Künstlern Takashi Murakami und Richard Prince, die in den Jahren zwischen 2003 und 2008 gemeinsam mit Vuittons Chefdesigner Marc Jacobs Handtaschenkollektionen in limitierter Stückzahl gestalteten. Zum einen werden diese Kooperationen als Ausdruck einer unternehmerischen Strategie verstanden, die Profitsteigerung durch die Übertragung von künstlerischem Prestige auf Mode erzielt. Zum anderen wird der Zusammenhang aufgezeigt, den es zwischen den künstlerischen Praktiken von Murakami und Prince (sowie ihren Positionierungen zur Kommerzialisierung ihrer Arbeit und ihrem Selbstverständnis als Künstler) und ihren Kollaborationen mit Vuitton gibt. Dieser Zusammenhang wird vor dem Hintergrund der Umstrukturierungen analysiert, die das Feld der Kunst seit den 1960er Jahren durch die Pop Art erfahren hat.

Hans Peter Thurn: Soziale Welt in Farben
Gleich der Welt insgesamt erschließt sich auch das soziale Leben den Menschen mittels Farben. Diese sind, kaum anders als Worte und Körpersprache, ein unverzichtliches Medium sozialer Kommunikation. Zugleich aber unterliegen sie gesellschaftlicher Einteilung, ja Normierung. Im Verlauf der Geschichte haben sich beim sozialen Umgang mit Farben spezifische Traditionen und Konventionen entwickelt. Die koloristischen Regelsysteme der Interaktion zwischen Individuen und Gruppen hängen aufs Engste mit dem Wechselverhältnis gesellschaftlicher Formationen, von Klassen, Schichten, Institutionen zusammen. Diese Relationen wiederum unterliegen dem Wandel, sodass auch die Farben schon früh in den Sog politischer, wirtschaftlicher, zivilisatorischer Machtkämpfe gerieten. Wie sich solche soziochromatischen Auseinandersetzungen vollzogen und welche Veränderungen sich dabei ereigneten, wird im vorliegenden Text mithilfe literarischer Zeugnisse, an historischen Beispielen sowie in systematischer und aktueller Hinsicht geschildert.

Joachim Fischer: Wie sich das Bürgertum in Form hält. Moderne Bildende Kunst als Herrschaftsmedium
Die Frage der modernen bildenden Kunst ist soziologisch eine Frage der Herrschaft oder des Nonkonformismus: Wer bleibt wie in Form – wer stabilisiert seine unwahrscheinliche Herrschaft im 21. Jahrhundert? Offensichtlich das „Bürgertum“ – nicht im trivialen Sinn der neomarxistischen Theorie der ‚kapitalistischen Gesellschaft‘, sondern im Sinn der soziologischen Theorie der komplexen „civil-bourgeois-creative society“. Im Kontext seiner Vernichtungserfahrungen im 20. Jahrhundert durch dezidiert nicht-bürgerliche Projekte der Moderne ist das Bürgertum zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Phönix-Klasse der Gesellschaft, die durch die innerstädtischen Museen der zeitgenössischen Kunst eine tiefe Verschwisterung mit der modernen Avantgardekunst, der abstrakten Kunst aufweist. Das wird prägnant im Kontrast mit einer ganz anderen Avantgardekunst des 20. Jahrhunderts (z.B. des mexikanischen Muralismo und in seinem Gefolge des sozialistischen Realismus), die den nicht-bürgerlichen Massen (Arbeitern, Bauern, Soldaten) eine Darstellung im repräsentativen Kunstbild versprach und sie damit in die modernen Museen lotste – hier handelt es sich um die Avantgardekunst als Inklusionskunst, als artifizielles Herrschaftsmedium der nicht-bürgerlichen Massen. Demgegenüber bildet die Abstrakte Kunst (seit Kandinsky) – und in ihrem Gefolge aller abenteuerlichen Rätselkunst – einen Exklusionsmechanismus, der nur diejenigen inkludiert, die angesichts der jeweiligen Enigma-Kunst einen persönlichen Einfall haben und diesen gesellig kommunizieren können. Graffiti im öffentlichen Stadtraum an den Privateigentums-Hauswänden verdoppelt diese trainierende Herausforderung des Bürgertums. Moderne bildende Kunst ist keine harmlose Begleiterscheinung, sondern ein Herrschaftsmedium, durch dessen Kreativitätstraining sich das in sich differenzierte Bürgertum nach seiner Vernichtungserfahrung im 20. Jahrhundert in Form hält.

Nina Tessa Zahner: Zur Soziologie des Ausstellungsbesuchs. Positionen der soziologischen Forschung zur Inklusion und Exklusion von Publika im Kunstfeld
Kunstausstellungen werden von einem überdurchschnittlich gebildeten Publikum besucht. Der Beitrag beschäftigt sich mit Erklärungsansätzen der soziologischen Forschung zu diesem Phänomen. Beginnend mit Pierre Bourdieu werden verschiedene Zugänge zum Besuch von Kunstausstellungen betrachtet und deren Erklärungsansätze hinsichtlich des elitären Charakters des Publikums herausgearbeitet. Das Spektrum reicht von strukturalistischen und textbezogenen Zugängen hin zu individualistischen Ansätzen. Der Beitrag argumentiert, dass sie alle das Phänomen Ausstellungsbesuch verkürzt betrachten, wobei unterschiedliche Vorannahmen getroffen werden. Der Beitrag votiert für eine stärkere Reflexivität der soziologischen Forschung hinsichtlich ihrer eigenen Vorannahmen und schlägt einen offeneren, ideologisch weniger überformten Zugang zu den Phänomenen Kunst und Publikum vor.

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Bestandsnachweise E-ISSN 1865-5580, Print ISSN 0038-0164