Wie gestaltet sich die kollektive Erinnerung an den Faschismus in Italien und den Nationalsozialismus in Österreich? Und wie haben sich beide Diktaturen in das Gedächtnis der SüdtirolerInnen eingeschrieben? Mit diesen Fragen befasst sich der neue Band der Zeitschrift „Geschichte und Region/storia e regione“ mit dem Titel „Faschismen im Gedächtnis“.
„Vieles deutet auf eine zunehmende Verharmlosung von Faschismus und Nationalsozialismus hin“, meinen die Herausgeber des Bandes Gerald Steinacher und Andrea Di Michele: Aussagen wie die von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, wonach Mussolini seine Gegner „ferienhalber“ verbannt habe, oder der „Staatsmythos“ von Österreich als erstem Opfer der Hitler-Aggression. All dies falle in die Kategorie „freiwillige Amnesie“. Weil der Umgang mit der Vergangenheit aber ein Gradmesser für die Reife einer Gesellschaft sei, ist es wichtig, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen, so die Herausgeber.
Heidemarie Uhl aus Graz behandelt in ihrem Aufsatz „Vom Opfermythos zur Mitverantwortung“ den Krieg und den Holocaust im österreichischen Gedächtnis. Filippo Focardi aus Rom behandelt die Erinnerung an Faschismus und Widerstand in Italien. Andrea Di Michele analysiert die Erinnerungskultur innerhalb der italienischen Sprachgruppe in der Provinz Bozen. Mehrere Beiträge des Sammelbandes behandeln den öffentlichen Umgang mit der Zeitgeschichte in Südtirol.
Heft/numero 2/2004
Faschismen im Gedächtnis/La memoria dei fascismi Hg./ed.: Andrea Di Michele/Gerald Steinacher
Inhalt/indice
Editorial/Editoriale
Heidemarie Uhl, Vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese: NS-Herrschaft, Krieg und Holocaust im österreichischen Gedächtnis
Filippo Focardi, La memoria del fascismo e il “demone dell’analogia”
Andrea Di Michele, La fabbrica dell’identità. Il fascismo e gli italiani dell’Alto Adige tra uso pubblico della storia, memoria e autorappresentazione
Brigitte Foppa, La memoria letteraria. Scritti sulle opzioni del 1939
Forum
Memoria e uso pubblico della storia in Alto Adige Erinnerungskultur und Zeitgeschichte in Südtirol
Wolfgang Weber/Walter Schuster Sag’ mir wo die Nazis sind – Ein Forschungsprojekt zur Geschichte der Entnazifizierung in der deutschen und österreichischen Region
Peter Niedermair/Horst Schreiber Nationalsozialismus und Holocaust: Gedächtnis und Gegenwart an Österreichs Schulen. Ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Wien
Elena Tonezzer Il Progetto memoria per il Trentino: la memoria degli esuli istriani, fiumani e dalmati
Ulrich Beuttler, Über den Dokumentarfilm „Fascist Legacy“ von Ken Kirby. Ein Beitrag zur längst fälligen Diskussion über die italienischen Kriegsverbrechen
Andrea Sarri, La Chiesa cattolica, l’antisemitismo e la Shoah in alcuni studi recenti
Vincenzo Calì/Carlo Romeo, Il carteggio tra Claus Gatterer e Livia Battisti (1966–1977)
Rezensionen/Recensioni
Heidemarie Uhl (Hg.), Zivilisationsbruch und Gedächtniskultur (Martha Verdorfer)
Andrea Di Michele, L’italianizzazione imperfetta (Hubert Mock)
Storia del Trentino, Bd. IV: L’età moderna (Reinhard Stauber)
Carlo Romeo, Alto Adige/Südtirol XX secolo. Cent’anni e più in parole e immagini (Roberto Antolini)
Vincenzo Calì, Patrioti senza patria. I democratici trentini fra Otto e Novecento (Carlo Romeo)
Paolo Valente, Nero ed altri colori: Italiani a Merano tra Austria e Italia. Frammenti dell'anima multiculturale (Carlo Romeo)