A. Heinzer: Pfründen, Herrschaft, Gottesdienst

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Titel
Pfründen, Herrschaft, Gottesdienst. Lebenswelten der Mönche und Weltgeistlichen am Kloster und Kollegiatsstift St. Leodegar in Luzern zwischen 1291 und 1550


Autor(en)
Heinzer, André
Reihe
Luzerner Historische Veröffentlichungen 45
Erschienen
Basel 2014: Schwabe Verlag
Anzahl Seiten
400 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Bettina Schöller, Historisches Seminar Kompetenzzentrum »Zürcher Mediävistik«, Universität Zürich

Mit seiner Dissertation legt der Verfasser eine ausführliche und präzise Darstellung verwaltungstechnischer und personeller Vorgänge im spätmittelalterlichen Kloster St. Leodegar in Luzern vor, die einschlägige verfassungsgeschichtliche Literatur und prosopografische Ansätze verarbeitet sowie auf einer genauen Quellenkenntnis beruht.

Die zeitliche Eingrenzung der Arbeit ergibt sich aus dem 1291 erfolgten Verkauf der herrschaftlichen Rechte an St. Leodegar durch das elsässische Mutterkloster Murbach an die habsburgischen Herzöge von Österreich sowie durch das Konzil von Trient in den Jahren um 1550, infolgedessen die Stadt Luzern in verstärkter Weise in innerklösterliche Angelegenheiten eingriff. In diese Zeitspanne fällt der Verfassungswandel des benediktinischen Konvents zu einem regulierten Chorherrenstift im Jahr 1456. Dieser bildete offenbar keine Zäsur, da das Kloster bereits seit dem 14. Jahrhundert de facto kollegiatsstiftisch organisiert war. Da die Dissertation insgesamt nicht chronologisch, sondern thematisch gegliedert ist, ergibt sich für den Autor aber das terminologische Problem, in der Überschau stets umständlich vom «Kloster und Kollegiatsstift St. Leodegar» sprechen zu müssen, weshalb er den dehnbaren Begriff «Gotteshaus» vorzieht.

Ausgehend vom grundsätzlichen Widerspruch zwischen dem benediktinischen Armutsideal und dem real existierenden Privatbesitz der Mönche beschreibt die Arbeit in einem ersten ausführlichen Kapitel (S. 33–134) das Pfründenwesen, die Pfründner und die Pfündnergemeinschaft. Die genaue Auswertung der Quellen führt zu detaillierten Einsichten beispielsweise in die personelle Besetzung St. Leodegars, das sich – analog zu anderweitig beobachteten Entwicklungen – von einem elsässisch dominierten Adelskloster zu einem städtischen Stift mit Insassen aus Luzern, Basel und der Ostschweiz wandelte (S. 95–106). Das zweite Kapitel (S. 135–203) befasst sich zunächst mit dem Kirchendienst. Hier zeigt sich einmal mehr die Tatsache, dass liturgische und seelsorgerische Vorgänge keine ausführliche Niederschrift erfuhren und daher nicht leicht nachzuvollziehen sind. Sichtbar werden auch hier in erster Linie Konflikte, so zum Beispiel die schwierige Situation des Leutpriesters zwischen Kloster, Diözese und Bürgerschaft, die sich in Luzern insbesondere in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts manifestierte (S. 138f.). Leider ist die Beschreibung des «Gottesdienstes», der doch immerhin Bestandteil des Haupttitels ist, etwas dürftig ausgefallen. Die darauffolgenden Überlegungen zur Grundherrschaft St. Leodegars befassen sich vor allem mit dem Güterbesitz, der Verwaltung und dem Gerichtswesen, dem die Pfründner einen nicht geringen Teil ihrer Zeit widmeten.

Der Einfluss unterschiedlicher äusserer Faktoren wie der Klosterherrschaft, der familiären Netzwerke und des Bildungshorizonts der Angehörigen St. Leodegars wird im dritten Kapitel erläutert (S. 205–322), das der «Aussenwelt» gewidmet ist. Besonderes Gewicht liegt hier auf dem Beziehungsgefüge zwischen St. Leodegar und der Stadt Luzern, deren Territorialisierungsbestrebungen sich für das Gotteshaus zunehmend einschränkend auswirkten. Weniger gut ermöglichen es die Quellen, das Verhältnis St. Leodegars zum einen zu Murbach, zum andern zu den Herzögen von Österreich zu erfassen. Einen Beitrag zur Bildungsgeschichte leistet sodann der zweite Teil des Kapitels, der sich hauptsächlich mit den um 1500 kumulierenden Universitätsbesuchen der Kleriker St. Leodegars befasst. Abgerundet wird die Studie von der Personalliste der St. Leodegarspfründner sowie einem ausführlichen Personen-, Orts- und Schlagwortregister.

Sicherlich ist das Buch keine leicht lesbare Klostergeschichte. Es verlangt ein grosses begriffliches Vorwissen und Kenntnis des Klosterlebens und klösterlicher Verwaltungsvorgänge. Ein Glossar von nicht allzu geläufigen Begriffen wie zum Beispiel «Plebanie» wäre hilfreich gewesen. Aufgelockert wird die sehr dichte Darstellung durch einige Fotos und Illustrationen sowie durch Tabellen und Grafiken, die personelle oder geografische Entwicklungen verdeutlichen. Insgesamt kann das Buch aufgrund seiner detaillierten Quellenstudien und der verdienstvollen prosopografischen Arbeit als neues Grundlagenwerk zum spätmittelalterlichen St. Leodegar in Luzern bezeichnet und für weiterführende Studien empfohlen werden.

Zitierweise:
Bettina Schöller: Rezension zu: André Heinzer, Pfründen, Herrschaft, Gottesdienst. Lebenswelten der Mönche und Weltgeistlichen am Kloster und Kollegiatsstift St. Leodegar in Luzern zwischen 1291 und 1550, Basel: Schwabe Verlag, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 66 Nr. 1, 2016, S. 167-169

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 66 Nr. 1, 2016, S. 167-169

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