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Titel
Savonarola. The Rise and Fall of a Renaissance Prophet


Autor(en)
Weinstein, Donald
Erschienen
New Haven 2011: Yale University Press
Anzahl Seiten
379 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Kathrin Utz Tremp, Staatsarchiv Freiburg

Zu besprechen ist ein Buch, das sich sehr spannend liest, obwohl – oder gerade weil – es chronologisch vorgeht und praktisch von Tag zu Tag erzählt, und obwohl man den Ausgang im Voraus weiss: die Hinrichtung des Dominikaners Girolamo Savonarola und zweier seiner Mitbrüder, Domenico da Pescia und Silvestro Maruffi, am 23. Mai 1498 auf der Piazza della Signoria in Florenz. Zunächst einmal ist das, was uns heute als religiöser Fanatismus erscheint, eine Reaktion auf Humanismus und Renaissance, die südlich der Alpen bekanntlich viel früher einsetzen als nördlich. Dabei hatte auch Girolamo Savonarola, der 1452 als drittes von sieben Kindern des Niccolò Savonarola und der Elena Bonacossi in Padua geboren wurde, eine humanistische Bildung bekommen, die er jedoch später ablehnte. Im Jahr 1475 trat er gegen den Willen seiner Familie in den Dominikanerorden ein. Hier machte er rasch Karriere und wurde 1482 als Novizenmeister nach San Marco in Florenz geschickt. San Marco war 1436 von den Medicis gegründet worden und gehörte von Anfang an der Observanz an, im Unterschied zur älteren Niederlassung von Santa Maria Novella in der gleichen Stadt. In San Marco entwickelte Savonarola sich zu einem bekannten und gern gehörten, wenn auch alles andere als gefälligen Prediger, und man weiss fast von Tag zu Tag, was er gepredigt hat; es gelingt dem Autor der vorliegenden Biografie auch, die oft zunächst abstrakt anmutenden Predigtinhalte in ihren Kontext zu stellen und zum Sprechen zu bringen. Berühmt wurde Savonarola allerdings erst, als er sich von der scholastischen Predigt löste und seine Busspredigten immer mehr mit apokalyptischen Elementen sowie eigenen Visionen und Prophezeiungen ausstattete.

Nach drei Jahren Abwesenheit kehrte Savonarola 1490 nach Florenz zurück, möglicherweise auf Wunsch von Lorenzo von Medici, der einen Prediger brauchte, der die Verderbnis der römischen Kurie anprangerte und die ins Stocken geratene Reform von San Marco vorantreiben würde. Savonarolas Predigten gefielen Lorenzo und seinen humanistischen Zirkeln nicht immer, aber sie liessen ihn gewähren. Als er 1491 zum Prior von San Marco gewählt wurde, weigerte er sich, Lorenzo den gewohnten Höflichkeitsbesuch abzustatten. Unter seiner Leitung schnellte die Zahl von rund 70 Mönchen rasch auf rund 200, und dabei konnte der neue Prior es sich noch erlauben, Postulanten abzuweisen; seine Präferenz lag bei den Gebildeten. In dieser Zeit wurden die beiden Brüder, die später mit ihm hingerichtet werden sollten, zu seinen Gehilfen. Seit 1492 predigte Savonarola in der Fastenund Adventszeit in der Kathedrale von Florenz, dem Dom. Im gleichen Jahr starb Lorenzo von Medici, und rief der Herzog von Mailand, Ludovico Sforza, die Franzosen nach Italien. Savonarola nahm San Marco aus der Kongregation der lombardischen observanten Dominikanerkonvente heraus und gründete zwei Jahre später eine eigene toskanische Kongregation. 1493 wurde seine Amtszeit als Prior über die üblichen zwei Jahre hinaus verlängert. Im Jahr 1494 fiel Karl VIII. von Frankreich in Italien ein. Piero von Medici, der erst 22jährige Sohn von Lorenzo, der ungeschickt mit dem französischen König verhandelte, musste Florenz schliesslich verlassen. Die Stadt schickte selber eine Gesandtschaft zu Karl VIII., an ihrer Spitze Savonarola, der im französischen König die lang ersehnte «Geissel Gottes» sah. Aber auch die Florenz untergebene Stadt Pisa, der Zugang der Florentiner zum Meer, benutzte die Gelegenheit, gegen Florenz zu rebellieren. Savonarola musste wohl oder übel an der Revolte gegen die Medicis teilnehmen, obwohl diese die Gründer und Wohltäter seines Konvents waren.

Am 17. November 1494 zog der französische König in Florenz ein und wurde als Befreier von Florenz und ganz Italiens begrüsst. Es kam zu einem zweijährigen Bündnis mit Frankreich, das Florenz auch einiges kostete; dafür sollte Pisa wieder unter seine Herrschaft kommen. Ende November zog der König wieder ab, und Savonarola predigte zu den befreiten Florentinern. Die von den Medicis geschaffenen Räte der 70 und der 100 wurden wieder abgeschafft; bestehen blieben die Räte des Volks und der Gemeinde. Auf Savonarolas Betreiben wurde, nach dem Vorbild der Republik Venedig, ein Grosser Rat eingerichtet, der für die Gesetzgebung und die Wahlen zuständig war. Die Signoria, bestehend aus 8 Prioren und dem Gonfaloniere des Gerichts, erhielt weitreichende gerichtliche Befugnisse. Savonarola kämpfte aber auch für ein Appellationsrecht von Todesurteilen und eine allgemeine Amnestie, Postulate, mit denen er schliesslich im März 1495 durchdrang. Er stand auf der Höhe seiner Macht, aber es meldeten sich auch schon erste Gegner, zum Beispiel der Franziskaner Domenico da Ponzo, der fand, ein Geistlicher solle sich nicht so weit in die Politik einmischen. Dies traf Savonarola an einem empfindlichen Punkt, war er sich doch selber nicht sicher, ob seine Visionen und Prophezeiungen tatsächlich von Gott stammten.

Am 14. Januar 1495 wurde der erste Grosse Rat gewählt, aber da er mehr als 3ʼ600 Mitglieder umfasste, konnte er nirgends zusammentreten, sondern musste in drei Teilen von 1ʼ200 Mitgliedern tagen, jede Sektion sechs Monate. Für diesen Grossen Rat wurde in der Signoria (Palazzo vecchio) eigens ein Saal in Auftrag gegeben, der im August 1495 vor seiner Vollendung stand. Im April des gleichen Jahres schuf Papst Alexander VI. (1492–1503) eine hl. Liga der wichtigeren italienischen Staaten, um die Franzosen aus Italien zu vertreiben. Damit geriet Florenz, das mit dem französischen König verbündet war, unter immer stärkeren Druck. Dieser erschien zwar vorübergehend in Italien, weigerte sich aber, die ihm von Savonarola zugedachte Rolle als Befreier und vor allem als «Gottes Geissel» zu spielen. Diese Rolle gefiel auch dem Papst nicht, so dass er Savonarola nach Rom zitierte. Dieser entschuldigte sich mit schlechter Gesundheit und liess dem Papst stattdessen sein Buch über seine Revelationes zukommen, das am 18. August 1495 in Italienisch und Latein erschien. Dieses überzeugte den Papst davon, dass Savonarola nicht nur politisch schädlich, sondern ausserdem ein gefährlicher Häretiker war. Er setzte ein Gericht ein und verhängte über den Dominikanerbruder ein Predigtverbot, das dieser sogleich übertrat. Florenz spaltete sich in Anhänger und Gegner Savonarolas, wobei die Gegner vorläufig noch in der Minderheit waren. Im Jahr 1495 unternahm Savonarola auch eine Reform der männlichen Jugend, die nicht selten in Jungendbanden organisiert war; diese wurden nun in Bruderschaften (fanciulli) umgewandelt. Ebenso sollten die Frauen reformiert und mit strengen Kleidervorschriften diszipliniert werden. Diese Reformen kamen aber im Grossen Rat nicht durch, weil man nach aussen nicht den Anschein geben wollte, Florenz werde von einem «Bruder» (frate) regiert. Während die Mehrheit der Bürger Savonarola noch als Heiligen ansah, standen der Klerus und insbesondere die übrigen Bettelorden ihm immer kritischer gegenüber, nicht zuletzt auch, weil sie sich auf der Seite des Papsts wussten. Dieser löste Ende 1496 die dominikanische Kongregation der Reformklöster auf und schlug sie einer neugeschaffenen toskanisch-römischen Kongregation zu, was Savonarolas Stellung erheblich schwächte.

Zu Beginn des Jahres 1497 wurde Francesco Valori, ein Führer der Savonarola- Partei, der sogenannten «frateschi», zum Gonfaloniere gewählt (allerdings nur für die Monate Januar und Februar). Er peitschte Savonarolas Reformprogramm durch den Grossen Rat und brachte dessen geistliche Gegner zum Schweigen. Sowohl an Fastnacht 1497 als auch Fastnacht 1498 wurden alle «Eitelkeiten» der Stadt, darunter auch Bücher, in grossen Feuern verbrannt. Anfang März 1497 traf die Hiobsbotschaft ein, dass Karl VIII. mit der hl. Liga Frieden geschlossen und damit Florenz im Stich gelassen hatte. Am 12. Mai 1497 wurde Savonarola durch den Papst exkommuniziert. Im August wurde eine Verschwörung entdeckt, die zum Ziel hatte, Piero von Medici wieder an die Macht zu rufen; man machte fünf Schuldige aus, die enthauptet wurden. Savonarola zog sich für eine Weile nach San Marco zurück, aber ab Februar 1498 predigte er auch wieder öffentlich. Er predigte über das Buch Exodus und verglich dabei den Papst mit dem Pharao; auch nannte er ihn einen Atheisten und wollte ein allgemeines Konzil einberufen, was nach dem Scheitern des Konzils von Basel (1431–1447) eine massive Drohung war. Der Papst seinerseits drohte, alle Florentiner Kaufleute in Rom zu verhaften und ihr Eigentum zu beschlagnahmen. Dies führte dazu, dass man dem Bruder in Florenz das Predigen verbieten musste; am 18. März 1498 hielt er seine letzte Predigt.

Den endgültigen Sturz Savonarolas führte herbei, dass am 25. März 1498 der Franziskaner Francesco di Puglia die Kontroverse über Savonarolas Exkommunikation mit einem Gottesgericht beenden wollte. Er wollte selber durchs Feuer schreiten, im Wissen, dass er nicht überleben würde; falls sein Gegner überlebte, sollte die Exkommunikation null und nichtig sein. Zu seiner Enttäuschung bot sich sogleich Domenico da Pescia an, für Savonarola durch das Feuer zu gehen, und dieser hinderte ihn nicht daran. Das Gottesurteil war auf den 7. April 1498 auf der Piazza della Signoria angesetzt, kam aber letztlich nicht zustande, weil Savonarola darauf bestand, dass sein Kandidat eine Hostie ins Feuer mitnehmen durfte, was, wenn diese verbrannt worden wäre, ein klarer Hostienfrevel bedeutet hätte. In der Folge kam es zu einem Anschlag auf San Marco, und Francesco Valori wurde ermordet. Schliesslich einigten sich Florenz und Rom darauf, dass der päpstliche Inquisitionsprozess gegen Savonarola und seine beiden Mitbrüder in Florenz stattfinden sollte.

Ein erster Prozess gegen Savonarola fand vom 10. bis 19. April 1498 statt, ein zweiter vom 21. bis 25. April und ein dritter vom 19. bis 23. Mai 1498, Tag der Hinrichtung. Dabei wurde auch die Folter angewandt, vor der Savonarola bis zum dritten Prozess (verständlicherweise) eine panische Angst entwickelte. Nach der Hinrichtung wurde sorgsam darauf geachtet, dass keine Reliquien irgendwelcher Art übrigblieben und die Asche der drei Brüder deshalb in den Arno geworfen. Nichtsdestoweniger wurden Savonarolas Werke in den nächsten Jahrhunderten immer wieder gedruckt, weniger in Florenz als in Venedig, vor allem die Auslegungen der Psalmen 51/50 und 31/30, die er im Gefängnis geschrieben hatte, aber auch sein Handbuch für Beichtväter, das sich durch einen menschlichen und gemässigten Ton auszeichnet. Dieses gefiel Martin Luther so gut, dass er Savonarola zu einem Vorläufer der Reformation erklärte. Auf der katholischen Seite wurde Savonarola zu einem Heiligen der Gegenreformation gemacht, doch verhinderten die 1512 nach Florenz zurückgekehrten Medicis eine Heiligsprechung. Zu Savonarolas fünfhundertstem Geburtstag 1952 erschien eine erste Biografie, diejenige von Roberto Ridolfi, und es wurde beschlossen, Savonarolas Werke in einer national-italienischen Edition, finanziert von Florenz und Italien, herauszugeben. Das Generalkapitel der Dominikaner beschloss seinerseits 1955, Savonarolas Leben und Werk im Hinblick auf eine Seligsprechung zu prüfen, ein Ziel, das noch 1983 und 1995 bekräftigt wurde.

Das einzige, was man dem Autor dieses Buches vorwerfen kann, ist, dass er seine Quellen zuwenig einführt und charakterisiert. So wird der Chronist Piero di Marco Parenti, aus dessen Storia fiorentina Weinstein häufig schöpft (auch sehr treffende Kapitelsüberschriften), nirgends vorgestellt. Quellenkritisch wird Weinstein erst gegenüber den Akten der drei Inquisitionsprozesse, die Savonarola kurz vor seinem Tod gemacht wurden. Auch erfährt man nicht, ob es auch Prozessakten für Savonarolas mit ihm zusammen hingerichtete Mitbrüder gibt. Aber sonst verdient das Buch eigentlich nur Lob, und dies umso mehr, als es keine leichte Sache ist, in das komplizierte florentinische Verfassungssystem der Mediceischen Zeit einzuführen und den Gottesstaat zu schildern, den Savonarola in Florenz errichten wollte.

Zitierweise:
Kathrin Utz Tremp: Rezension zu: Donald Weinstein, Savonarola. The Rise and Fall of a Renaissance Prophet, New Haven & London, Yale University Press, 2011. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 107, 2013, S. 422-425.

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