S. Von Bergen u.a.: Wie viel Bern braucht die Schweiz

Cover
Titel
Wie viel Bern braucht die Schweiz?.


Autor(en)
Von Bergen, Stefan; Steiner, Juürg
Erschienen
Bern 2012: Stämpfli Verlag
Anzahl Seiten
192 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christoph Zürcher

Das Thema liegt in der Luft. Am 24. Mai 2013 lud Beatrice Simon, Finanzdirektorin des Kantons Bern, ihre Schwyzer und Zuger Amtskollegen zu einer Sightseeingtour durch den darbenden Kanton ein, und in der folgenden Woche publizierte Pierre Rom, Parteisekretär der Berner FDP von 1978 bis 1992, im Eigenverlag eine Schrift mit dem vielsagenden Titel Eine schwere Erbschaft. Eine Studie über die Zusammenhänge zwischen Geschichte und Politik und deren Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung im Kanton Bern. Schon 2012 war die hier zu begutachtende Publikation aus der Redaktion der Berner Zeitung erschienen.

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass eine interessante Folge von Zeitungsartikeln nicht unbedingt ein gutes Buch abgeben muss: Diese Publikation liefert ihn. Sie zerfällt in drei Teile. Im ersten Teil, einer Collage aus diversen Berner Geschichten (Berns moderne Zeit, Bd. 5, 2011; Bern – Die Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert, 2003; Berner, deine Geschichte, Illustrierte Berner Enzyklopädie, Bd. 2 1981; Junker, Geschichte des Kantons Bern seit 1798, Bde. I bis III, 1982, 1990, 1996; Pfister,

Geschichte des Kantons Bern seit 1798, 1995), geht das Autorenteam der Frage nach, weshalb die Geschichte Berns seit 1798 eine Abfolge von Versäumnissen gewesen sei, die für die heutige, nach Meinung der Autoren, desolate Situation des Kantons verantwortlich seien. Im zweiten Teil wird die Berner Gegenwart nach 2008 analysiert («Berns brüchige Gegenwart»), und im dritten Teil werden Zukunftsszenarien dargestellt: «Szenario 1 – Krise frontal: Selbst verschuldete Berner Schwindsucht; Szenario 2 – Krise gedämpft: Wie Bern nachhaltig auf die Bremse steht; Szenario 3 – Boom ungebremst: Berns Blüte und Biederkeit; Szenario 4 – Boom kontrolliert: Wie Bern über sich herauswächst.» Dieser dritte Teil regt durchaus zum Nachdenken an, und man kann auch sein Vergnügen haben an der ungebremsten Phantasie der Autoren, weniger allerdings an der saloppen Mediensprache.

Nicht ganz nachvollziehbar ist das Vorwort, das auf die provokative Frage «Wie viel Bern braucht die Schweiz?» gleich sechs Antworten gibt, die man eigentlich am Schluss des Buches als Quintessenz aus der Lektüre erwarten würde. Überzeugend können diese Antworten nicht ausfallen, weil sie einerseits auf «Tatbeständen» beruhen, die im Fluss und ständigem Wechsel unterworfen sind, andererseits aber auch nicht spezifisch bernische Problematik reflektieren. Die Fragwürdigkeit und Reformbedürftigkeit politischer Raumstrukturen kennen andere Kantone auch, und nicht immer sind sie auf so radikale Weise lösbar wie das die Glarner Landsgemeinde machte, als sie die 23 Gemeinden des Kantons kurzerhand auf drei reduzierte. Auch die Zentrum-Peripherie-Thematik und der problematische Umgang mit Boden und Bauland sind nicht spezifisch bernisch. Die Antworten auf die Frage sind natürlich auch ein Plädoyer für politische Werte, welche Bern in das politische Gefüge der Schweiz einbringen könne: Erfahrung im Finden des Ausgleichs, oft beschworene aber nie kritisch hinterfragte Brückenfunktion zwischen Deutsch- und Welschschweiz, Drehscheibenfunktion in der Politik, Rolle als nationale Nachhaltigkeits- und Erholungsregion. Etwas skurril wirkt die Aussage, die Schweiz brauche Bern, weil sie eine richtige Hauptstadt wolle, bis jetzt sei Bern nur Bundesstadt gewesen.

Fazit: man kann das Buch lesen, sollte sich aber bewusst sein, dass es ein «Flash» ist auf eine augenblicksbedingte subjektive Befindlichkeit und keine tiefschürfende Analyse des Problems.

Zitierweise:
Christoph Zürcher: Rezension zu: Von Bergen, Stefan; Steiner, Jürg: Wie viel Bern braucht die Schweiz? Bern: Stämpfli Verlag 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 2, 2014, S. 76-77.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 2, 2014, S. 76-77.

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