Erziehungsdirektion des Kantos Bern: Kolloquiumsbeiträge

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Titel
Kolloquium zu Ehren von Jürg Schweizer.


Herausgeber
Erziehungsdirektion des Kantos Bern; Amt für Kultur; Denkmalpflege der Kantons Bern
Erschienen
Bern 2010: Erziehungsdirektion des Kantons Bern
Anzahl Seiten
108 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Georg Carlen

Jürg Schweizer, ehemaliger Denkmalpfleger des Kantons Bern, war und ist zweifellos eine prägende Persönlichkeit der schweizerischen Denkmalpflege. Kein Wunder also, dass die Denkmalpflege des Kantons Bern und das Kunsthistorische Institut der Universität Bern (Bernd Nicolai) anlässlich seiner Demission am 13. November 2009 ein stark besuchtes und beachtetes Kolloquium ausrichteten, dessen Beiträge nun in einem handlichen und reich bebilderten Band vorliegen. Zunächst als Kunstdenkmäler-Autor für die Stadt Burgdorf und ab 1990 als Amtsvorsteher hat Jürg Schweizer Konstanz und Wandel in der Denkmalpflege miterlebt und mitgestaltet. Wandel in der Denkmalpflege? Kann es in einer Disziplin, der man Beharrlichkeit und Hängen am Alten zuschreibt, überhaupt einen Wandel geben? In der Tat, es befassen sich gleich zwei gewichtige Beiträge mit diesem Phänomen. Bernhard Furrer, ehemaliger Präsident der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege und Professor an der Architekturakademie in Mendrisio, stellt «vor der Konstanz eines Grundverständnisses der Wichtigkeit der Denkmäler für jede Gesellschaft» einen «Wandel in der Umsetzung fest». Dazu gehören die umfassende Berücksichtigung von Bautypen über Kirche, Schloss und Bürgerhaus hinaus, der vermehrte Einbezug des Bauensembles, der Umgebung des Denkmals, ja der Kulturlandschaft als Ganzes. Er betont dabei zu Recht, dass es sich keineswegs um eine Ausweitung des Denkmalbegriffs handelt, sondern um die Entdeckung des geschichtlichen Zeugniswerts von Industriebau, Taunerhaus, Gartenanlage etc. In Bezug auf die Methode trat die Erhaltung der überlieferten Materie vor die (Wieder-)Herstellung des schönen Erscheinungsbildes, die Anwendung bewährter Materialien vor den Einsatz industrieller Wundermittel, die kontinuierliche Pflege vor die spektakuläre Restaurierung. Qualitätsvolle Gegenwartsarchitektur im historischen Umfeld wird heute von der Denkmalpflege nicht nur toleriert, sondern gefördert, Nachbauten und blosse Fassadenerhaltung sind zunehmend geächtet. In der Zukunft können reale Denkmäler eine neue Rolle als Gegengewicht zur virtuellen Welt und damit weiterhin ihre herkömmliche Rolle als Verkörperung der Heimat spielen.

Was Furrer allgemein formuliert, setzt der Geehrte selber in sechs Prinzipien für den denkmalpflegerischen Alltag um. Deren Lektüre und Anwendung sei allen in der Denkmalpflege Tätigen ans Herz gelegt. Aus langjähriger Erfahrung schlägt ihnen Jürg Schweizer unter anderem vor, bei profunder Sachkenntnis und klar geäusserter Fachmeinung in der Lösungsfindung aktiv mitzuwirken, Vorschläge zu machen und der Bauherrschaft «auch in vermutlich zentralen, eigentlich indiskutablen Dingen Wahlfreiheit zu lassen». Der freiwillige Meinungsumschwung sei häufiger als der erzwungene und, wie anzufügen ist, auch nachhaltiger. Schweizer fordert von den Denkmalpflegenden die Geschichtlichkeit des Denkmals ernst zu nehmen, indem Veränderungswünsche an den bisher erfolgten und den zukünftig möglichen Veränderungen und an ihrer eigenen Veränderbarkeit, sprich Reversibilität, gemessen werden. Kontinuität habe einzig der Wandel. Wer sich fragt, wo denn der Sinn der Denkmalpflege bleibe, wenn doch alles unter den Händen zerrinnt, erhält zur Antwort, einerseits in der Erfüllung des menschlichen Grundbedürfnisses nach Erinnerung und andererseits in der Verlangsamung der Veränderung der gebauten Umwelt durch die Langlebigkeit der Denkmäler (Furrer).

Anne -Marie Biland stellt das von Jürg Schweizer initiierte und der gesetzlichen Grundlegung zugeführte Berner Bauinventar vor, das nach zwanzig Jahren abgeschlossen werden konnte und aus über 300 000 gesichteten Objekten etwas über 36 000 als schützens- oder erhaltenswert ausgeschieden hat. Es hat Vorbildcharakter über den Kanton hinaus. Ins Philosophische gehen die Gedanken von Richard Buser über die sprachliche Vermittlung von Bauwerken, während Rolf Weber mit der Präsentation eines Bilderbogens zu den bemalten Treppenhäusern in Biel eng an der Realität, einer allerdings poetischen Realität, bleibt. Den früheren und gegenwärtigen Restaurierungsalltag zeigen Georges Herzog an der Restaurierung von 1919 – 1928 der Kirche Bätterkinden mit ihren Dekorationsmalereien, Heinz Mischler an der Erhaltung von Malereien und Inschriften auf Holzfassaden und Hans Peter Würsten an mobilen technischen Kulturgütern – fahrenden Schiffen, Eisenbahnen und Strassenfahrzeugen – auf. Randi Sigg-Gilstad schildert, wie der Krise der 1990er-Jahre im Baugewerbe mit Einsatzprogrammen begegnet wurde, denen die Denkmalpflege und der Kulturgüterschutz wertvolle Bauaufnahmen verdanken. Schliesslich beleuchtet Eva Schäfer Theorie, Instrumente und Praxis der Ortsbildpflege.

Die Beiträge zeugen in Schrift und Bild ausnahmslos von persönlichem Engagement und erzählen Geschichten, die spannend zu lesen sind. Aus den verschiedenen Facetten ergibt sich das Bild der Denkmalpflege als ein Ganzes, das, wie Johann Mürner, ehemaliger Chef der Sektion Heimatschutz und Denkmalpflege im Bundesamt für Kultur, in seiner Einleitung treffend festhält, Jürg Schweizer stets umfassend im Blick gehabt hat.

Zitierweise:
Georg Carlen: Rezension zu: Erziehungsdirektion des Kantons Bern: Kolloquium zu Ehren von Jürg Schweizer: eine Veranstaltung der Denkmalpflege des Kantons Bern und der Universität Bern, 13. November 2009. Mit Beiträgen von Anne-Marie Biland, Richard Buser, Georges Herzog, Randi Sigg-Gilstad, Heinz Mischler, Hans Peter Würsten, Jürg Schweizer, Rolf Weber, Eva Schäfer und Bernhard Furrer. Bern: Erziehungsdirektion des Kantons Bern, Amt für Kultur, Denkmalpflege des Kantons Bern 2010. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 2, 2014, S. 68-69.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 2, 2014, S. 68-69.

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