P. Steiner u.a.: Geschichte des Kantons Nidwalden

Cover
Titel
Geschichte des Kantons Nidwalden. Von der Urzeit bis in die Gegenwart


Autor(en)
Steiner, Peter; Karin, Schleifer-Stöckli; Emil, Weber
Herausgeber
Kanton Nidwalden
Erschienen
Stans 2014: Historischer Verein Nidwalden
Anzahl Seiten
434 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Hodel Fabian

Auf 432 Textseiten in zwei Bänden veröffentlicht der Historische Verein Nidwalden (HVN) eine neue Geschichte des Kantons von der Urzeit bis in die Gegenwart. Herausgeber ist der Kanton Nidwalden, erarbeitet und verfasst wurde das Werk von 25 Autorinnen und Autoren.

In grosser Netzwerkarbeit ist unter der Führung einer Projektgruppe des HVN (Projektleitung Peter Steiner) über die letzten sechs Jahre die Geschichte des Kantons Nidwalden entstanden. In zwei Bänden (Format A4) wird auf je rund 200 Textseiten die Geschichte von der Urzeit bis 1850 (Bd. 1) und von 1850 bis in die Gegenwart (Bd. 2) erzählt. Die reich bebilderten, darstellenden Texte aus den verschiedenen Epochen sind je mit einem kurzen Abriss über den Forschungsstand ergänzt. Am Ende des zweiten Bandes findet sich ein umfangreiches Literaturverzeichnis, das den historischen Forschungsstand 2014 abbildet.

26 Forschungsaufträge
Begonnen hat die Arbeit vor sechs Jahren hat mit dem Knüpfen eines Netzwerkes, um überhaupt an Historikerinnen und Historiker heranzukommen, welche die Erarbeitung einer Gesamtdarstellung ermöglichen würden. Klar war der Projektgruppe: Man wollte nicht einfach den bestehenden Wissensstand neu auflegen, sondern auch Forschungslücken schliessen. Mit dem knappen Budget von 560’000.- Franken, finanziert aus dem Kulturfond des Kantons, machte man sich auf die Suche nach Jungforscherinnen und – forschern, die man an den Universitäten Basel, Bern, Freiburg und Luzern fand. 26 Forschungsaufträge zu definierten Untersuchungsgebieten konnten vergeben werden. Die neuen Erkenntnisse wurden in der nun vorliegende Publikation verarbeitet.

Es beginnt mit Kehrsiten
Die Geschichte der letzten 6000 Jahre im Raume des Kantons Nidwalden beginnt mit dem Kapitel ‚Von der Urzeit bis ins Hochmittelalter’. Hier wird das Leben und Wirken von Menschen aufgrund archäologischer Funde rekonstruiert, denn schriftliche Quellen gibt es bis ins 11. Jahrhundert keine. Punktuell ergeben sich dennoch umfangreiche Erkenntnisse, zum Beispiel rund um die Pfahlbausiedlung in Kehrsiten, die im Jahre 2003 entdeckt wurde und seither erforscht wird. Um 4000 v. Chr. sollen dort erstmals Menschen zumindest zeitweise gelebt haben. Heute weiss man, was für Kleider sie trugen, was sie assen, wie ihre Gemeinschaft funktioniert hat.

Für die übrige Zeit bis ins Hochmittelalter fallen die Funde in Nidwalden eher spärlich aus, weshalb sich die Darstellungen an dem orientieren müssen, was überhaupt greifbar ist. Hier ein paar Siedlungsfunde, dort ein paar Bestattungsplätze, vielleicht ein Pfeilfund, eine Lanzenspitze. In vier kurzen Beiträgen tragen die Autorinnen auf gut 20 Textseiten zusammen, was sich über die 5500 Jahre seit der Jungsteinzeit bis zum Hochmittelalter gesichert darstellen lässt.

Verbesserte Quellenlage
Ab dem Spätmittelalter (1300 – 1550) folgen die Darstellung den thematischen Kategorien, wie sie auch für alle nachfolgenden Epochen in der ‚Geschichte des Kantons Nidwalden’ typisch sind. Es sind dies die Kategorien ‚Staat und Politik’, ‚Wirtschaft und Gesellschaft’, ‚Lebensformen und Lebenswelten’.
Charakterisieren lässt sich die Entwicklung ab 1300 mit tiefgreifenden wirtschaftlichen Veränderungen (Export von Käse und Vieh), veränderten Wohnformen, Ernährungs- und Arbeitsweisen, dem Entstehen eines innerschweizerischen Selbstverständnisses als Landort im Rahmen der Eidgenossenschaft.
Für die daran anschliessende frühe Neuzeit (1550 – 1800) lässt sich aufgrund stark verbesserter Quellenlage erstmals klar darstellen, wie sich Herrschaft zeigte und wie das Landvolk daran beteiligt war. Wirtschaftlich blieb Nidwalden stark landwirtschaftlich geprägt, in den Dörfern blühte das lokale Handwerk, Industrie gab es wenig. Das Söldnerwesen oder die Auswanderung blieben echte Alternativen, um der Armut zu entgehen. Im monotonen Lebensalltag sorgte kirchlich-ländliches Brauchtum für etwas Abwechslung. Dazu gehörten auch Tanztage und die Fasnacht. Beides war von der Obrigkeit jedoch streng geregelt.

Mit Dynamik ins 21. Jahrhundert
Der zweite Band des neuen Nidwaldner Geschichtswerkes widmet sich der Neuzeit ab 1850 und ist seinerseits in zwei Hauptteile unterteilt. Als Zäsur wird die für Nidwalden wichtige Auseinandersetzung rund um die Selbstversorgung mit Elektrizität (Bannalpstreit) definiert.
Im Zentrum des ersten Teils (1850 bis 1930) steht die Auseinandersetzung rund um den 1848 gegründeten liberalen Bundesstaat, der im katholisch-konservativ geprägten Nidwalden auf wenig Gegenliebe gestossen war. Die skeptische Distanz der katholischen Eliten weichte erst mit der eidgenössischen Solidarität anlässlich der Ueberschwemmungen 1910 und während des Ersten Weltkrieges etwas auf. Die Politik blieb trotzdem konservativ, der Einfluss der Kirche stark. Die Lebenswelt hingegen begann sich zu wandeln. Errungenschaften wie die Elektrizität, Automobile, die Eisenbahn und das Telefon erhielten Einzug.
Der beschleunigte Uebergang zur Konsum-, später zur Ueberflussgesellschaft erfolgte in Nidwalden erst ab den 1960er Jahren, als der Kanton mit dem Anschluss ans nationale Schienen- und Autobahnnetz sich aus seiner geographischen Isolation befreite und allmählich zur Agglomeration Luzerns wurde. Vorboten dazu waren der Streit um die Eigenversorgung mit Elektrizität in den 1930er Jahren und die Ansiedelung reformierter Zürcher im Zusammenhang mit dem Reduit-Flugplatz ab 1939. Trotz dynamischer Entwicklung von Wirtschaft und Bevölkerung gelang es Nidwalden, kulturelle Eigenständigkeit zu bewahren. Zahlreiche Vereine und das in der Bevölkerung verankerte Brauchtum behielten ihre identitätsstiftende Wirkung.

Dem Autoren- und Redaktionsteam rund um Peter Steiner – besonders zu erwähnen sind Staatsarchivarin-Stellvertreterin Karin Schleifer-Stöckli, Staatsarchivar Emil Weber und Alt-Staatsarchivar Hansjakob Achermann – ist mit der neuen Nidwaldner Kantonsgeschichte ein informatives und wunderschön illustriertes Werk gelungen. Die zweispaltig gelayouteten Textteile machen die Darstellungen gut lesbar. Wissenschaftlich Anspruchsvollen sind die in den Randspalten verarbeiteten Quellenverweise besonders hilfreich.

Zitierweise:
Fabian Hodel: Rezenseion zu: Geschichte des Kantons Nidwalden von der Urzeit bis in die Gegenwart. Stans, Historischer Verein Nidwalden (HVN), 2014. Zuerst erschienen in: infoclio.ch

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