H. G. Haasis: Totengedenkbuch für Joseph Süß Oppenheimer

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Titel
Totengedenkbuch für Joseph Süß Oppenheimer.


Herausgeber
G. Haasis, Hellmut
Erschienen
Worms 2012: Worms-Verlag
Anzahl Seiten
119 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Heiko Haumann

1998 veröffentlichte Hellmut G. Haasis seine grundlegende Biographie Joseph Süss Oppenheimers (1698–1738), jenes jüdischen Financiers am Hof des Herzogs von Württemberg, der nach dessen Tod in die Mühlen der Machtpolitik geriet. In einem jeglichem geltenden Recht spottenden Verfahren wurde er zum Tode verurteilt – ein eindeutiger Justizmord. Erst jetzt ist es Haasis durch das Interesse der Stadt Worms im Zusammenhang mit der Aufführung eines Stückes über Süss Oppenheimer an den Nibelungen-Festspielen gelungen, ein zentrales Dokument in der Originalfassung zu publizieren: die Gedenkschrift der Stuttgarter jüdischen Gemeinde von 1738. Dieses von Salomon Schächter verfasste Blatt – «Augenzeugenbericht von dem Verscheiden des Joseph Süß secher tsadik livracha » [das Andenken des Gerechten sei zum Segen] – wurde gleich nach seinem Erscheinen von der Leitung der jüdischen Gemeinde in Fürth, wo es gedruckt worden war, aufgekauft und verbrannt: In der aufgehetzten antijüdischen Stimmung fürchtete man ein Pogrom. Seitdem galt es als verschollen, tauchte jedoch 1994 in einer Privatsammlung auf. Ein Faksimile des Originaldrucks mit hebräischen Lettern ist dem Band beigefügt. Yair Mintzker (Princeton University) hat den Bericht hebräisch neu gesetzt und ins Deutsche übertragen.

Schächter berichtet vom Leben und Tod Oppenheimers. Er verschweigt nicht, dass dieser während seiner Tätigkeit am herzoglichen Hof «sehr viel zugenommen (habe) an Verstocktheit seines Herzens, an Hochmut, an Reichtum und an Weisheit» (S. 10). Aber er hebt hervor: er «ist gestorben in dem rechten Glauben und hat Buße getan mit ganzem Herzen über seine Missetaten, die er begangen hatte, so steht uns nicht zu noch allen übrigen Kindern Israels, auf ihn Böses zu gedenken bis zur Ankunft unseres Messias» (S. 11). Scharf kritisiert Schächter die Behandlung Süss Oppenheimers in der Gefangenschaft. Er schildert den Besuch von R. Mordechai Schloss (Marx Nathan) zusammen mit weiteren Vertretern der Stuttgarter jüdischen Gemeinde bei ihm. Von diesen sei auch sein Testament bezeugt worden, das nicht nur seine Verwandten, sondern auch die jüdischen Gemeinden bedenke. Auf dem Weg zum Galgen und weiter bis zu seinem Tod habe er das «Schma Israel», das jüdische Glaubensbekenntnis, gesprochen.

Hellmut G. Haasis stellt diese Quelle in einen Zusammenhang mit Ausschnitten aus seiner Biographie von 1998, die er mit anderen Dokumenten ergänzt. Damit will er den Leserinnen und Lesern den Menschen Süss Oppenheimer nahe bringen. Dieser wusste, dass ihn seine Gegner in der Öffentlichkeit mit falschen Anschuldigungen anprangerten und stürzen wollten. Kurz vor des Herzogs Tode erreichte er mit einer hier abgedruckten Denkschrift, dass dieser ihn schriftlich ausdrücklich deckte – diese Schrift wurde dann wohlweislich unterschlagen. Aufgenommen in sein Buch hat Haasis ausserdem das Protokoll des ersten Verhörs Süss Oppenheimers – das die Voreingenommenheit der Verhörenden ebenso

zeigt wie die geschickte Verteidigung des Angeklagten – sowie des Verhörs seiner Lebensgefährtin Luciana Fischer. Diese hatte in der Haft ein Kind geboren, von dem Süss Oppenheimer nie erfuhr und das man elend sterben liess. Weitere Quellen belegen die unzumutbaren Haftbedingungen – noch nicht einmal seine Mutter durfte ihn besuchen – und die Unhaltbarkeit der Anschuldigungen. Augenzeugen berichten über die letzten Tage des Verurteilten und über seine Hinrichtung. «Sechs Jahre lang bleibt die Leiche im Käfig hängen, zur Einschüchterung aller Juden» (S. 105, Haasis).

Mit seinem Totengedenkbuch ermöglicht Haasis es den Leserinnen und Lesern, sich in einer ersten Annäherung mit der Persönlichkeit und dem Ende Joseph Süss Oppenheimers vertraut zu machen, dessen Bild immer noch durch Veit Harlans Nazifilm «Jud Süß» von 1940 verzerrt ist. In seinem Leben war er ein Grenzgänger zwischen den Kulturen, der sich von der jüdischen Tradition entfernte und die Orthodoxen verspottete. Armen und bedrohten Juden half er jedoch, so gut er konnte. Im ersten Verhör nach seiner Religion gefragt, antwortete er: «Er sei ein geborner Jud, habe aber die Religion von einem ehrlichen Menschen» (S. 49). Im Weiteren bekannte er sich stets zum Judentum und wehrte sich gegen alle Konversionsversuche. Den verhörenden Regierungsrat bezeichnete er einmal als «einen Landesvampir», der ihm, dem Juden, das «Blut aussaugen» wolle (S. 38). Damit drehte er das Argument um, das sonst von Christen gegen Juden gewandt wurde. Salomon Schächters Gedenkblatt bezeugt die Standhaftigkeit des Juden Süss Oppenheimer und den Respekt, den ihm auch seine früheren Gegner in der jüdischen Gemeinde zollten. Hellmut G. Haasis’ Buch ist eine weite Verbreitung zu wünschen.

Zitierweise:
Heiko Haumann: Rezension zu: Hellmut G. Haasis (Hg.): Totengedenkbuch für Joseph Süß Oppenheimer. Mit dem hebräischen Gedenkblatt von Salomon Schächter, übersetzt und neuer hebräischer Satz von Yair Mintzker. Worms, Worms-Verlag, 2012. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 63 Nr. 2, 2013, S.321- 322.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 63 Nr. 2, 2013, S.321- 322.

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