B. Bennassar: La guerre d’Espagne et ses lendemains

Cover
Titel
La guerre d’Espagne et ses lendemains.


Autor(en)
Bennassar, Barolomé
Erschienen
Paris 2004: Editions Perrin
Anzahl Seiten
548 S., 44 Abb., 10 Karten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Georges Baur

Anlass dieser Rezension ist der diesjährige siebzigste Jahrestag des Endes des Spanischen Bürgerkrieges. Man könnte meinen, zu diesem Thema sei alles schon geschrieben, so reichhaltig ist die diesbezügliche Literatur. Aber weit gefehlt: Zwar sind die Fakten im Wesentlichen bekannt, aber in ihrer Bewertung tun sich bis heute breite Gräben auf. Dass die spanische Bürgerkriegsliteratur bis heute kaum neutrale Stellungnahmen hervorgebracht hat, verwundert kaum, ging doch Francos Diktatur erst vor etwas mehr als 30 Jahren zu Ende. Zudem hatten sich die spanische Gesellschaft und Politik nach dem Tod des Generalísimo auf einen «Pakt des Schweigens» geeinigt. Unser derzeitiges Bild des Konflikts wird bis heute von einer kleinen Gruppe hauptsächlich anglo-amerikanischer Historiker dominiert.

Bartholomé Bennassar ist ein ausgewiesener Spanienkenner und war Ordinarius für spanische Geschichte an der Universität von Toulouse. Er hat mehrere Bücher zur spanischen und hispano-amerikanischen Geschichte verfasst. Von ihm stammt auch eine Biographie Francos, welche, obwohl weit weniger bekannt ist als jene von Paul Preston, dieser in nichts nachsteht.

Der Aufbau von «La guerre d’Espagne et ses lendemains» folgt zunächst einmal dem Ablauf der Ereignisse. Der Verfasser greift dabei genügend über den zu engen Rahmen der eigentlichen Kriegshandlungen von 1936 bis 1939 hinaus, um sowohl Vorgeschichte wie auch Folgen des Konflikts zu beleuchten. Dabei lässt er sich nicht auf die Frage ein, wann der Krieg im weiteren Sinne begonnen habe, liegt doch schon eine politische Aussage darin, wann man die Erzählung beginnen (bzw. aufhören) lässt und wie man gegebenenfalls die Phasen des Konfliktes, und eben auch darüber hinaus, einteilt. Je nachdem, ob man beispielsweise den Bürgerkrieg mit der Revolte der Generäle am 18. Juli 1936 gegen die neue linksliberale Regierung oder schon früher, nämlich mit dem Aufstand der Bergarbeiter in Asturien 1934 gegen die damalige rechtsliberale Regierung, beginnen lässt, verschiebt sich eben der Onus der Kriegsschuld zwischen den Konfliktparteien.

Nach einer Einführung in die Vorgeschichte ist ein erster Teil dem eigentlichen Krieg gewidmet, während die äusserst harte Nachkriegsrepression im dritten Teil ausführlich und gestützt auf neueste Forschungen beschrieben wird. Dazwischen schiebt Bennassar einen analytischen zweiten Teil, in welchem er sich dem laboratoire du siècle widmet. Darin werden Spaniens Funktion als – weltweit beachtetes – Versuchslabor für neue soziale Modelle und wirtschaftliche Konzepte, aber auch die explosive Stimmung aufgrund des reaktionären Umfelds beschrieben.

In allen drei Teilen der Studie ist Bennassars Darstellung kenntnisreich und detailgetreu, und es gelingt ihm, die immense Komplexität des Konflikts darzustellen, mit vorgefassten Meinungen aufzuräumen und angebliche Gewissheiten zu hinterfragen. Als Beispiel sei das keineswegs eindeutige Verhältnis des erst sehr spät, nach dem Attentat auf Calvo Sotelo, den Aufstand unterstützenden Franco und seiner Mitverschwörer zur Monarchie genannt: So sind nicht wenige der Rebellen von 1936 im Jahr 1931 die eigentlichen Republikaner, die den König weghaben möchten, während die Sozialisten, schon damals mit Largo Caballero an der Spitze, noch mit der verhältnismässig milden Diktatur des Generals Primo de Rivera von 1923 bis 1931 kollaborierten. Deutlich wird seine Durchdringung des Themas überdies bei der Frage nach dem Charakter des Franquismus, wobei Bennassar in Übereinstimmung mit dem heutigen Forschungsstand diesen eben nicht einfach mit Faschismus gleichsetzt, sondern in Beziehung setzt zu den spezifischen gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen im damaligen Spanien.

Bennassar ist auch bei der Verwendung von Zahlen ausserordentlich «neutral», ob es um die Anzahl der Toten, welche von vielen Autoren jeweils zur Veranschaulichung der Brutalität der jeweils von ihnen nicht vertretenen Seite gebraucht wird, oder um die Zahl der Kampftruppen geht. Im ersten Fall relativiert er und führt die Ursachen sehr differenziert auf die jeweils äusserst komplexen Verhältnisse auch innerhalb des jeweiligen Lagers zurück, ohne die Gräuel als solche je zu verharmlosen. Im zweiten Fall bedenkt er nicht nur, wie viele Truppen zum Beispiel zu unterschiedlichen Zeiten wem zur Verfügung standen, sondern was diese im konkreten Fall auch bewirken konnten und wie effizient bzw. wie diszipliniert sie waren.

Der Autor ist damit einer ausgewogenen Sicht auf den spanischen Bürgerkrieg verpflichtet. Er hält Distanz zur Geschichtsschreibung der Rechten mit ihrem latenten Hang zur Hagiographie, wie auch zur Linken, von der er sagt, sie sündige oft durch Unterschlagung der «eigenen» Verfehlungen. Dabei argumentiert er ausgesprochen transparent: Er legt seine Überlegungen und die Gründe für seine Schlussfolgerungen jeweils offen. Der Leser weiss immer genau, wie Bennassar eine Quelle einschätzt. Seine Meinung sagt der Verfasser trotzdem deutlich: Seine Abscheu für die brutale, von Rachsucht getriebene Verfolgung nach Ende des Bürgerkriegs ist greifbar; gleichzeitig ist er nicht bereit, die Verantwortung der republikanischen Partei am Ausbruch des Krieges zu verharmlosen, auch nicht aus zeitgeistiger Opportunität. Bennassars Darstellung des Spanischen Bürgerkrieges liest sich trotz der zum Teil komplexen Abläufe und der bisweilen trockenen Daten flüssig, was dem eleganten und doch klaren Schreibstil des Autors zu verdanken ist.

Zitierweise:
Georges Baur: Rezension zu: Bartolomé Bennassar: La guerre d’Espagne et ses lendemains. Paris, Perrin, 2004. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 2, 2009, S. 258-259.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 2, 2009, S. 258-259.

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